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Grenzen in den Alpen 93
schützt haben, aber der Befund liefert keine klaren Informationen.179 Die Chronik
von Novalesa aus dem beginnenden 11. Jh. beschreibt anekdotisch den Bau eines
idealen Systems von Clusen : Alle Täler und Zugänge Italiens, durch welche man
von Gallien nach Italien gehen kann, wären mit Mauern und Kalk von Berg zu
Berg und so durch Schutzwehr und Türme zu verschließen, dass man den Durch-
gang ganz verhindern könne.180
Die zahlreichen castra im Ostalpenraum waren nicht nur militärische Grenzpos-
ten, sondern dienten auch der Verteidigung der Zivilbevölkerung und dem Schutz
vor Plünderungen. Im Friaul lagen sie oft weit innerhalb des Territoriums.181 Viele
der zahlreichen Höhenfestungen in den Alpen und am Alpenrand waren schon
in der Spätantike begründet worden.182 Bei vielen Anlagen ist nicht leicht zu un-
terscheiden, ob es sich um eine temporär genutzte Fliehburg, eine befestigte Dau-
ersiedlung oder eine zu militärischen Zwecken genutzte Burg handelte.183 In den
Quellen ist es vor allem Paulus Diaconus, der zahlreiche Festungen der südlichen
Alpen überliefert und aufgrund dessen Schilderungen manch archäologisch be-
kannte Anlage identifizierbar ist. Rund ein Jahrzehnt nach dem Eroberungszug der
Langobarden waren die Festungen im Raum Trient am südlichen Alpenrand noch
umkämpftes fränkisches Interessensgebiet. Die Festung Anagnis (Nano) lag super
Tridentum in confinio Italiae und war zeitweise in fränkischer Hand.184 Ein Feldzug
führte die Franken im Jahr 590 wiederum über die zentralen Alpen ins Etschtal bis
nach Verona, wo sie entlang der Route eine ganze Reihe von Festungen erobern
konnten. Die Existenz zahlreicher Burgen zeigt, dass der Weg über die Alpen hier
sowohl zur Verteidigung als auch zum Schutz bestens ausgebaut war. Gegen die
massive Bedrohung des fränkischen Heeres waren einige dieser Burgen jedoch
chancenlos. Ein Teil des Heeres ging über einen westlicheren Alpenübergang und
179 Glaser, Teurnia 135 f.
180 Chronicon Novaliciense III 9 : „Sed iube, […] omnes valles et aditos Italiae, per quos de Gallia ad
Italiam transiri potest, muro et calce de monte ad montem claudere et sic per propugnaculis et
turribus aditum ipsum prohibere.“ (Langobardische Adelige geben Desiderius Tipps, wie er Karl
den Großen daran hindern kann, nach Italien einzufallen.) Die Cluse dürfte sich ganz am Anfang
des Tales befunden haben und war, laut Chronik, noch „in presentem diem“ zu sehen. In den An-
nales Fuldenses zum Jahr 894 befindet sich eine Beschreibung eines Kampfes bei der Cluse in den
italienischen Alpen (MGH SS rer. Germ. 7, S. 123).
181 Krahwinkler, Friaul 309 zur Lage der Festen.
182 Bierbrauer, Die germanische Aufsiedlung 19 ff. und Archäologie der Langobarden 42 f.; Schneider,
Fränkische Alpenpolitik 33 f.
183 Ciglenečki, Höhenbefestigung 114 ff. Mehr zu den Höhensiedlungen im entsprechenden Kapitel ab
S. 249.
184 Paulus Diaconus Hist. Lang. III 9.
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Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Subtitle
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Author
- Katharina Winckler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 426
- Keywords
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Categories
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Table of contents
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361