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94 Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen
passierte die Burg Bellinzona. Diese wurde von den Langobarden gehalten und
konnte, wie auch die anderen Festungen Oberitaliens, nicht erobert werden.185
Meclaria/Medaria und Zellia in der Sclavorum regionem waren das ganze 7. Jh. und
Teile des 8. Jh. bis 744 in der Hand des Herzogs von Friaul. Meclaria wird heute
meist mit Maglern (gelegen nach dem Übergang vom Kanaltal Richtung Kärntner
Becken) identifiziert, nicht nur wegen des Namens, sondern auch wegen der spät-
antiken Festung am Hoischhügel. Gailitz und Gail werden mit dem frühmittelal-
terlichen Zellia gleichgesetzt. Auch hier gibt es Funde von antiken Sperrmauern.
Ist diese Lokalisierung korrekt, dann war der wichtige und nur wenig über 800 m
hohe Alpenübergang von Friaul über das Kanaltal nach Osten in das Drautal und
damit in das Reich der Slawen und Awaren in langobardischer Hand.186 Nur rund
60 km Luftlinie weiter westlich lag das Kastell Invillino am südlichen Fuß des
Plöckenpasses, ein ebenfalls wichtiger Übergang nach Nordosten. Dieses Kastell
ist sowohl archäologisch als auch aus den Quellen überliefert. Die Ergebnisse der
Ausgrabungen ergaben eine Nutzung vom 4. bis zum 8. Jh. Da es wenig typisch
barbarische Funde gibt, werden die Bewohner dieser Festung als „romanisch“ be-
zeichnet. Dies entspräche auch den anderen Befunden, wonach die Verteidigung
von alpinen (Grenz-)Festen nicht immer einer von woanders herkommenden mi-
litärischen Besatzung, sondern durchaus auch den Einheimischen überantwortet
worden ist. Paulus Diaconus beschreibt die Festung Ibligine als nicht eroberbar.187
Die Uneinnehmbarkeit so mancher Festungen brachte es gelegentlich mit sich,
dass zwar das Umland aber nicht die Burg selbst erobert werden konnte. Diese
Burgen waren dann einsame Posten einer Herrschaft in einem Umland, das von
einer anderen Macht kontrolliert wurde. Dies dürfte im 6. und 7. Jh. nicht wei-
ter ungewöhnlich gewesen sein, denn die byzantinischen „Restposten“, die sich
mindestens bis Ende des 6. Jh. an den wichtigen Passrouten der Westalpen halten
konnten, werden in den Quellen eher nebenbei erwähnt.188 Die bairischen Fürsten
185 Landi, Die spätantik-frühmittelalterlichen Castra 88 und 110 (Lokalisierungsvorschlag der Kas-
telle) ; Löhlein, Die Alpen- und Italienpolitik 69 ; Paulus Diaconus Hist. Lang. III 31 ; Gregor von
Tours Hist. X 3.
186 Pohl, Awaren 259 ; Krahwinkler, Friaul 45 ; Vetters, Kontinuität 41 ; Gleirscher, Karantanien 21 ;
Paulus Diaconus Hist. Lang. IV 38.
187 Paulus Diaconus Hist. Lang. IV 31 ; Die Ausgrabungen wurden von Volker Bierbrauer geleitet und
publiziert (Invillino-Ibligo in Friaul).
188 Paulus Diaconus Hist. Lang. III 27, erwähnt, dass sich über 20 Jahre lang noch eine byzantinische
Truppe auf der Insel Comancina im Comer See halten konnte. Dorthin dürften übrigens die Städte
ihre wertvollen Güter in Sicherheit gebracht haben, da diese nach Abzug des Befehlshabers gefun-
den wurden. Laut Gregor von Tours Hist. IV 44 und Paulus Diaconus III 8 residierte noch um 574
ein byzantinischer magister militum Sisinnius in der Stadt Susa.
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Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Subtitle
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Author
- Katharina Winckler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 426
- Keywords
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Categories
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Table of contents
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361