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Routen durch die Alpen 131
Zur südlichen Absicherung des Passes, aber auch zur Versorgung der Reisenden
wurde 729 direkt am südlichen Passfuß die Abtei Novalesa gegründet. Der den Ka-
rolingern nahestehende Patrizier Abbo stattete sie im Jahr 739 großzügig aus. Die
Güter umfassten Almen im Gebiet des Mont Cenis und zahlreiche weitere in der
Maurienne, aber auch bei Briançon und Gap.78 825 wurde auf Veranlassung von
Lothar I. ein Hospiz auf der Passhöhe errichtet, vorrangig, um Pilger und Pigerin-
nen aufzunehmen.79 Als Karl der Große 806 sein Reich aufteilte, wurde der Weg
„per vallem Segusianam“ genannt, ein Hinweis darauf, dass hier vermutlich andere
Übergänge des Tales auch noch genutzt wurden.
Die Nebenwege weiter südlich waren aufgrund des nicht einfachen Terrains
nur von untergeordneter Bedeutung. Die Langobarden dürften einige dieser Über-
gänge während ihrer Plünderungszüge in Gallien benutzt haben.80 Am bedeu-
tendsten ist der Weg von Sisteron nach Grenoble.81
Am Übergang von den West- zu den Zentralalpen erreicht der Alpenhaupt-
kamm die höchsten Höhen. Hier ziehen sich zwei breite Täler von Ost nach West,
beide machen an ihrem Ende einen Knick nach Norden respektive Süden : das
Wallis und das Aostatal. Zwischen den beiden Tälern befinden sich die Walliser
Alpen, die zahlreiche Gipfel über 4.000 m aufweisen, im Talschluss des Aostatals
befindet sich der Mont Blanc, mit über 4.800 m der höchste Berg der Alpen. Nur
wenig davor liegen die Pässe Kleiner und Großer St. Bernhard. Letzterer zählte
trotz seiner Höhe von 2.469 m zu den beliebtesten Alpenübergängen der Antike
und des Mittelalters. Denn die Höhe wurde durch viele Vorteile ausgeglichen.
Zunächst sind die Zugänge zum Pass sehr einfach. Im Norden beschleunigt der
Genfer See den Weg, die weitere Route durch das untere Wallis über das Kloster
St. Maurice sowie dem antiken Octodurum am Passfuß ist unproblematisch und
niedrig, da sie etwas unter 500 m liegt. Hinter dem Pass im Süden befindet sich das
ebenfalls nur etwa ca. 580 m hohe Aosta. Bei günstiger Witterung konnte der Weg
auch im Winter genutzt werden. Eine Ausweichroute war der mit 2.005 m relativ
niedrige Simplonpass, der allerdings sehr lawinengefährdet ist.82 Ausschlaggebend
78 Geary, Aristocracy 36 ff.; Jourdain-Annequin (Hg.), Atlas culturel 248 f. (G. Barruol, H. Falque-Vert).
Siehe dazu auch im Kapitel „Die Klöster der Westalpen“ auf S. 224.
79 MGH DD Lo 1 Nr. 4, S. 60 ff.
80 Gregor von Tours Hist. IV 42 und 44.
81 Jourdain-Annequin (Hg.), Atlas culturel 244 (I. Cowburn).
82 Sidonius Apollinaris Epist. I, V an Herenius benutzte vielleicht den Simplonpass, Zitat siehe FN 206
S. 152 ; Bernard, Le Royaume Mérovingien de Burgundie 163 ; im Gegensatz zu Mayer, Die Alpen
als Staatsgrenze 11, der eine Nutzung nur im Sommer sieht. Dazu siehe oben, „Wahl des Passes und
der Jahreszeit“ ab S. 122.
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Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Subtitle
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Author
- Katharina Winckler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 426
- Keywords
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Categories
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Table of contents
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361