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Christentum 177
Die erwähnten spätantiken Bistümer sind auf Abbildung A, B und C im hinteren
Teil dieses Buches auf S. 353 ff. dargestellt, außeralpine Bischofssitze der Poebene,
Galliens und Pannoniens wurden aus Platzgründen weitgehend weggelassen. Die
unterschiedliche Organisation des Christentums in den Alpen ist deutlich zu er-
kennen. Während in den Westalpen die Bistümer dicht gedrängt sind, haben die
der Zentral- und Ostalpen teils riesige Gebiete zu betreuen. Am südwestlichen
Rand befindet sich in fast jedem großen Tal ein eigener Bischofssitz, während die
Zentralalpen nur mit einem einzigen – Chur – aufwarten können. An der Grenze
zu den Ostalpen liegen schließlich Säben und Trient sowie einige weitere am süd-
lichen Alpenrand. Die Bistümer der Ostalpen findet man ausschließlich südlich
des Alpenhauptkammes. Sowohl Lauriacum/Lorch als auch das nur hypothetisch
angenommene Bistum Augusta Vindelicum/Augsburg lassen weite Regionen des
Gebirges weit entfernt von einem Bischofssitz liegen. Dies ist einer der Gründe,
warum man vielleicht doch annehmen könnte, dass es beispielsweise ein Bistum
Iuvavum gegeben hätte.
Alternativ könnte man für die nördlichen Ostalpentäler eine nur sehr geringe
Bevölkerung oder eine höchstens oberflächliche Christianisierung annehmen.
Denn die in der Abbildung zu erkennende Verteilung der Bistümer lässt sich gut
mit deren geografischer Nähe zu schon früh und stark christianisierten Zentren er-
klären. Diese Zentren im Rhônetal, an der Mittelmeerküste, in der Poebene und an
der Adria strahlten so stark, dass auch die benachbarten Gebirgsgegenden davon
profitierten. Die nordalpinen Gebirgstäler waren weit von diesen tief christianisier-
ten Gebieten entfernt und daher nur Randlagen in der Topografie des spätantiken
Christentums.
Doch diese Erklärung greift zu kurz. Der Blick in den zentralen Alpenraum
zeigt, dass auch hier ein riesiges Gebiet, das mehrere Talsysteme umfasst, nur von
einem einzigen Bistum – Chur – betreut wurde (Siehe Abbildung 12 S. 179 und
Abbildung B auf S. 354). War diese Stadt eine christliche Enklave im nur ober-
flächlich christianisierten oder gar heidnischen Gebirge ? Das Gegenteil ist der
Fall. Aufgrund einer glücklichen Kombination von Quellen und archäologischen
Funden ist es im Raum des heutigen Graubünden und Tessin möglich, ein dichtes
Netz an spätantiken und frühmittelalterlichen Kirchen zu rekonstruieren. Bis heute
konnten über 90 Kirchen in diesem Raum festgestellt werden, die von der spätan-
tiken bis in karolingische Zeit erbaut worden waren. Die Kirchen befinden sich vor
aufgrund der politischen Situation entstanden sein. Wolfram, Grenzen und Räume 40 ; Erkens, Die
Ursprünge der Lorcher Tradition 435.
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Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Subtitle
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Author
- Katharina Winckler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 426
- Keywords
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Categories
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Table of contents
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361