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192 Menschen in den Alpen
oder zwischen Bistümern und Klöstern spielte eine große Rolle, wie man an an den
untergegangenen Sitzen in Octodurum und Iulium Carnicum sehen konnte. Letz-
tere wurde auch Opfer politischer Unstimmigkeiten. Gut dokumentiert ist auch die
Geschichte der Konkurrenz zwischen Nizza und Cemenelum/Cimiez (heute ein
Vorort von Nizza) : Das topografisch besser gelegene Nizza konnte sich durchset-
zen und das Bistum Cemenelum verschwand bis zum hohen Mittelalter ganz.109
Die Beziehungen der weltlichen Größen zu einem bestimmten Ort beeinflussten
ebenfalls das Florieren eines Bistums. So wurde Genf aufgrund seiner Stellung als
eine Hauptstadt des Burgunderreiches bald zum religiösen Zentrum des Umlan-
des und verdrängte damit Nyon. Der Rückzug an einen sicheren Standort mag
eine Rolle gespielt haben, denkbar wäre am Beispiel von Säben auch die bewusste
Gründung an einem wichtigen Verkehrsknotenpunkt.
Am stärksten veränderten sich die christlichen Strukturen in den Ostalpen, wo
die bischöflichen Traditionen und die christliche Organisation im 7. Jh. scheinbar
völlig untergingen. Die beiden sehr gut belegten antiken Bistümer der Ostalpen,
Aguntum und Teurnia, wurden im 8. Jh. nicht mehr wiederbelebt, dies gilt auch
für Lauriacum an der Donau. Während Aguntum und Lauriacum wenigstens eine,
vermutlich sogar bruchlose, christliche Kultkontinuität von Kirchen aufweisen kön-
nen, verschwinden Teurnia und Virunum ganz. Für den Untergang der christlichen
Strukturen wurden die heidnischen Slawen und Awaren verantwortlich gemacht.
Auch in Pannonien und am Balkan mussten Bischöfe ihre Sitze verlassen, und von
Celeia und Emona ist bekannt, dass sich die Bischöfe nach Istrien zurückzogen.110
Spuren der Bistümer finden sich noch im 7. Jh., als um 680/81 eine Quelle Bischöfe
erwähnt, die inmitten der gentes, nämlich Langobarden, Slaven, Franken, Gallier
und Goten, wären. Wahrscheinlich handelt es sich um Bistümer in Dalmatien oder
Istrien.111 Die Gefahr der Slawen und Awaren für die Bistumsstruktur wurde offen-
bar völlig unterschätzt. Der berühmte Brief an Kaiser Maurikios wurde 591 verfasst
und fällt damit in eine Zeit, als die Slawen und Awaren schon erste, erfolgreiche
Vorstöße nach Noricum getätigt und den halben Balkan bereits erobert hatten.112
Doch der Brief erwähnt diese Bedrohung mit keinem Wort, sie wurde offenbar
109 Duvall, Les fouilles de Cimiez 959 ff.; Beaujard, Les cites de la Gaule Méridionale 23.
110 Berg, Bischöfe 88. Poetovio erscheint im 6. Jh. überhaupt nicht in den Quellen.
111 Bratož, Der Einfluß Aquileias 162 ; Acta conciliorum oecumenicorum series II volumen II 71 ed.
Riedinger 122–160. Der Brief an den Kaiser Maurikios erwähnt ebenfalls die ecclesia in gentibus, die
schon konkreter in Norditalien und Binnennoricum lokalisiert werden kann. Die gemeinten gentes
sind aber in diesem Fall Langobarden und Franken. Der Ausdruck selbst stammt schon aus dem
Jahr 381 und bezeichnet die Kirche außerhalb des römischen Reiches. Berg, Bischöfe 82.
112 Pohl, Awaren 149.
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Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Subtitle
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Author
- Katharina Winckler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 426
- Keywords
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Categories
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Table of contents
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361