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212 Menschen in den Alpen
Haupt- und oftmals einzige Quelle der Geschehnisse im frühmittelalterlichen Ost-
alpenraum. Der Text wurde etwa 870 verfasst, um den Salzburger Anspruch auf
die karantanischen und pannonischen Missionsgebiete zu untermauern.224 Denn
dieser Anspruch wurde Ende des 9. Jh. von vielerlei Richtungen bedroht : Die
Brüder Method und Cyrill missionierten in Pannonien und Mähren, die in Ka-
rantanien eingesetzten Chorbischöfe waren aufmüpfig und andere Bistümer, allen
voran Freising, sahen ebenfalls eine günstige Gelegenheit zur Gebietserweiterung.
Auch Aquileia hatte die Zuteilung seines ehemaligen Gebietes an Salzburg nicht
tatenlos hingenommen225 und war immer noch jenseits der Drau aktiv. Vor diesem
Hintergrund wird die Conversio zu einer sehr politischen Quelle, die Aktivitäten
und Ansprüche von anderen Seiten bewusst nicht erwähnt.226 Trotz dieser tenden-
ziösen Ausrichtung enthält die Schrift viele wertvolle Hinweise auf die Situation
im Ostalpenraum des 8. Jh., da sonst kaum eine Überlieferung erhalten ist. Dazu
gehört zum Beispiel die erste Nennung von Kirchen in Karantanien. Die Priester
weihten um die Mitte des 8. Jh. eine „[…] ecclesiam sanctae Mariae et aliam in
Liburnia civitate seu ad Undrimas et in aliis quam plurimis locis.“227 Die Identi-
fikation dieser Orte ist Gegenstand vieler Diskussionen, doch aufgrund späterer
Nennungen scheint es wahrscheinlich, dass Maria Saal nahe dem antiken Viru-
num, ein weiterer bei Aichfeld/Pölshals und einer bei Teurnia gemeint sein könn-
ten.228 Dass es nicht die antike Stadt selbst war, wird aufgrund der Bezeichnung
in Liburnia civitate angenommen : Diese setzte einen bewohnten und befestigten
Ort voraus.229 In Teurnia selbst wurden bislang jedoch nur sehr wenig Funde und
keine Befestigung aus dieser Zeit ausgemacht. Laut P. Gleirscher wurden aber
nahe der spätgotischen Kirche St. Peter, die sich direkt über dem antiken Stadtge-
biet befindet, spätantike Chorschrankenplatten gefunden, die auf eine frühchrist-
liche Kirche an diesem Ort deuten.230 Dies würde eine christliche Ortskontinuität
zeigen, wobei diese Fundinterpretation noch nicht gesichert ist. Die Frage, wo
diese civitas Liburnia tatsächlich genau lag und ob es eine Kontinuität bis in das
frühe Mittelalter auf dem Boden des antiken Teurnia gab, muss also im Moment
224 Wolfram, Salzburg, Bayern, Österreich 193 ; Reimitz, Liturgical Frontiers 204 ff.
225 S. u., Karl der Große teilte 811 das ganze Gebiet nördlich der Drau Salzburg zu, das südlich gele-
gene verblieb bei Aquileia. MGH Diplomata DD Kar. I Nr. 211, S. 282.
226 Wolfram, Grenzen und Räume 228 f., Conversio 147.
227 Conversio c.5 ed. Wolfram 44.
228 Wolfram, Conversio 93 f., Grenzen und Räume 123 ; Lošek, Conversio 107. Dagegen Kahl, Das Fürs-
tentum Karantanien 62.
229 Dazu genauer im Kapitel „Stadt : Konzept und Begriffe“ ab S. 236.
230 Gleirscher, Karantanien 130.
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Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Subtitle
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Author
- Katharina Winckler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 426
- Keywords
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Categories
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Table of contents
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361