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216 Menschen in den Alpen
wurde demnach noch im frühen Mittelalter verehrt und sein Kult auch von der
neuen christlichen Organisation aus dem Norden gepflegt.238
Es liegt somit eine echte christliche Kontinuität vor. Dennoch wurde der Kon-
vent spätestens im 10. Jh. aufgegeben und der Heilige an diesem Ort so gründlich
vergessen, dass der Fund dieser Platte 1987 eine echte Überraschung bedeutete.239
Salzburg kann an der Entstehung dieses ersten (bekannten) klösterlichen Zen-
trums Karantaniens nicht beteiligt gewesen sein, denn sonst hätten wir gewiss
davon Kunde aus den Quellen. Die heutige Kirche von Molzbichl trägt das sehr
seltene Tiburtius Patrozinium, daher wird die Einrichtung meist dem Kloster Pfaff-
münster/Regensburg zugewiesen.240 Auch Freising hatte in vielen Gebieten der
slawischen Ostalpen ältere Wurzeln als Salzburg und das Kloster Innichen wurde
mit Blickrichtung nach Osten ausgebaut.241 Interessanterweise hat Freising auch
bei Teurnia Besitzungen : Schon 891, und damit nur wenig später als die Entste-
hung der Conversio um 870, 242 erhält das Bistum eine capellam in sclavinie partibus
ad curtem nostram que Liburna vocatur, ebenso wie Güter in Maria Wörth. Dort
entstand zwischen 884 und 906 auch ein freisingisches Kloster.243 Auch bei Griffen
war Freising schon 822 präsent.244
Ein Grund für diesen bewussten Abstand zu spätantiken Traditionen war, dass
einerseits das Bistum Salzburg als legitimer Nachfolger der römischen Provinz
Noricum galt, andererseits aber bekannt war, dass genau dieses Gebiet in der
Spätantike dem Patriarchat Aquileia zugeordnet und außerdem sogar in eigene
Bistümer unterteilt gewesen war. Das Interesse war groß, den Abbruch der christ-
lichen Traditionen zu betonen und die Erinnerung an spätantike Strukturen zu
verwischen. Die Wiederbelebung dieser Erinnerung hätte möglicherweise bedeu-
tet, dass Salzburg einen Großteil seines Bistums wieder verloren hätte.245
Erst 1072 wurde ein eigenes Bistum in Karantanien/Kärnten eingerichtet : Gurk.
Davor residierten lediglich Chorbischöfe aus Salzburg in Karantanien. Das geist-
est in / hunc(!) loco XIII Kal(endas) / Aug(ustas) indict(ione) XI tertio post cons(ulatum) / Lam-
padi et Ores/tis v(irorum) c(larissimorum). AE 1992, 01361.
238 Karpf, Heiliger Nonnosus 151 ; Schretter, Von noricum meditteraneum 25.
239 Zu Molzbichl siehe auch S. 234 f.
240 Wolfram, Grenzen und Räume 124 ; Rohr, Zwischen Bayern und Byzanz 3.
241 Wolfram, Grenzen und Räume 199 ; Brunner, Herzogtümer und Marken 33.
242 Wolfram, Grenzen und Räume 141.
243 MGH DD Arn. Nr. 91 (891), S.134 ; Wolfram, Grenzen und Räume 229 ; Brunner, Herzogtümer und
Marken 97.
244 Trad. Freis. ed. Bitterauf Nr. 472 S. 403.
245 Erst nach der Zuteilung des einstigen aquileischen Gebietes an Salzburg dürfte sich Aquileia wieder
verstärkt um diesen Raum bemüht haben. Bratož, Aquileia und der Alpen-Adria-Raum 180 f.
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Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Subtitle
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Author
- Katharina Winckler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 426
- Keywords
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Categories
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Table of contents
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361