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Besiedlung 245
Agun tum also ganz dem typischen Muster. Die Entwicklung der Stadt kann etwa
mit Octodurum/Martigny verglichen werden, wo ebenfalls eine römische Plan-
siedlung verschwindet und der Bischof einige Kilometer entfernt auf eine Höhen-
siedlung zog.410 Zusätzlich existiert im Gegensatz zum restlichen Ostalpenraum
im Raum Lienz eindeutig eine christliche Ortskontinuität, denn direkt unter der
heutigen Kirche St. Ulrich liegt eine frühchristliche Kirche. Die Reste einer zweiten
aufgegebenen Kirche mit einem Baptisterium – aufgrund der Größe handelt es sich
wohl um die einstige Bischofskirche – befinden sich ebenfalls auf dem Hügel.411
Am Fuß des Hügels wurden, leider stark zerstörte, Gräber gefunden. Die dort lie-
gende heutige Siedlung könnte laut den Ausgräbern spätantike Wurzeln haben.412
Für den Lavanter Kirchbichl kann man daher eine kontinuierliche Besiedlung an-
nehmen. Allerdings ist diese Höhensiedlung nicht das einzige Zeugnis einer christ-
lichen Ortskontinuität im Lienzer Becken. Auch in Oberlienz und Lienz wurden
unterhalb heutiger Kirchen spätantike Bauten gefunden.413 Hierher übersiedelte im
Laufe des frühen Mittelalters auch der Mittelpunkt der Siedlungskammer. Die ar-
chäologischen Funde deuten darauf hin, dass im 8. Jh. Oberlienz/Lamprechtsgar-
ten das Zentrum des Umlandes war.414 Parallel zu diesen Zeugen von Kontinuität
finden sich neben den oft romanischen Ortsnamen des heutigen Osttirols auch in
den abgelegeneren Tälern slawische Siedlungsnamen.415 Das Lienzer Becken zeigt
die vielen Einflüsse, die die Blüte oder den Untergang einer Siedlung bewirkten :
Die antike Planstadt Aguntum wurde an einem Wildbach angelegt, der Ort war
also von Anfang an nicht gut gewählt. In der Spätantike erwies es sich außerdem
für die Bewohner als günstiger, den Stadtkern auf eine geschützte und das Umland
dominierende Hügellage zu verlegen, als die alte Stadtstruktur zu erhalten. Im 7. Jh.
könnte es dann die slawische Herrschaft gewesen sein, die eine erneute Verlagerung
des Siedlungsmittelpunktes bewirkte. Die strategischen Vorteile und die Sicherheit,
die die Höhensiedlung brachte wurden vielleicht nicht mehr gebraucht. Der „Un-
tergangsprozess“ von Aguntum war demzufolge ein Verlagerungsprozess.
Ähnliche Strukturen können weiter östlich bei Teurnia festgestellt werden. Diese
Höhensiedlung hatte irgendwann im Laufe der Spätantike Virunum als Hauptstadt
410 Siehe auch S. 189 und 198.
411 Tschurtschenthaler, Lavant 771 ff.; Karwiese, Ager Aguntinus 26.
412 Walde, Aguntum 159.
413 Glaser, Der frühchristliche Kirchenbau 414 ; Stadler, Oberlienz 765 ; Karwiese, Ager Aguntinus 23 ff.
414 Stadler, Oberlienz 765.
415 Bergmann, Slawisches im Namengut. Slawische neben romanischen und vorromanischen Topo-
nyme finden sich auch im Gasteinertal, bei Rauris und im Großarltal. Dopsch, Geschichte Salz-
burgs 115.
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Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Subtitle
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Author
- Katharina Winckler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 426
- Keywords
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Categories
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Table of contents
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361