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Besiedlung 247
In Virunum, von dem bislang eine völlige Aufgabe oder Zerstörung im 5. Jh.
angenommen worden war, wurden so zahlreiche Münzen aus dem 6. Jh. gefunden,
dass man davon ausgehen kann, dass hier zumindest eine kleine spätantike Ansied-
lung weiterbestand.422 Im Umland Virunums gab es wohl bis zum Ende des 6. Jh.
eine kleine, spätantike Nachfolgesiedlung, die analog zu den Hügelsiedlungen bei
Aguntum/Lavant und Iuenna423 den gleichen Namen trug. Dieser Ort ist noch
nicht identifiziert worden, In Frage kommen die Siedlungen am nahe gelegenen
Ulrichsberg oder am Grazerkogel.424 Am Ulrichsberg kann man ein Weiterbeste-
hen der Anlage bis in das beginnende 7. Jh. erkennen.425 Im frühen Mittelalter
hatte sich der Kernraum der Region wieder vom Raum Teurnia hierher, in das
Zollfeld, verlegt, ganz nahe der einstigen norischen Hauptstadt.426 Die spätantike
Bevölkerung versprach sich vielleicht in Teurnia eine erhöhte Sicherheit, da das
immer wieder von kriegerischen Ereignissen heimgesuchte Pannonien entfernter
lag. Die slawische Herrschaft des 7. Jh., aber auch die fränkische des 8. und 9 Jh.,
war hingegen daran interessiert, die Verbindungen nach Pannonien zu pflegen und
nutzte dazu die alten Strukturen am Zollfeld.427
Weiter südlich dürfte das spätantike Carnium, heute Kranj/Krainburg, für die
frühmittelalterlichen Verkehrswege von Bedeutung gewesen sein. Der Weg vom
Zollfeld über den Loiblpass zur Save und Richtung Aquileia sowie Istrien/Dal-
matien und zur Adriaküste führte durch Kranj. Hier befanden sich nicht nur eine
spätantike Festung sondern auch ein großes slawisches Gräberfeld, das in das 7. bis
12. Jh. datiert wird, sowie eine Kirche aus dem 7. Jh. mit dem aquileischen Patro-
zinium des heiligen Kanzian. Auf dem Platz des spätantiken Poetovio konnte auf
dem Burgplateau ein großes slawisches Gräberfeld ausgegraben werden. Die erste
Erwähnung im Frühmittelalter stammt aus dem 9. Jh. und betrifft zwei Kirchen des
slawischen Fürstentums in Unterpannonien. Eine auf Arnulf lautende Fälschung
aus dem 10. Jh. verlieh dem Salzburger Erzbischof Gerichtsbarkeit, Zoll und Brü-
cke. Bis im 12. Jh. Maribor gegründet wurde, war Ptuj eine der wichtigsten Han-
delsstationen Richtung Kärnten an der Drau und Richtung Mur. Üblicherweise
422 Ladstätter, Die materielle Kultur 38.
423 Das Dorf nördlich des Hemmaberges heißt slowenisch „Podjuna“, wörtlich „unter iuenna“, deutsch :
Jaunstein. Ladstätter, Die materielle Kultur 38.
424 Gassner (Hg.), Am Rande des Reiches 352.
425 Scherrer, Vom Regnum Noricum zur Römischen Provinz 224.
426 Wolfram, Grenzen und Räume 257 f.
427 Es ging v.a. um die karolingischen Herrschaftsräume bei Zalavar oder im Raum Drau/Save. Wolf-
ram, Grenzenj und Räume 220.
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Table of contents
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361