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wurde Wein den Fluss hinauf und Salz und Eisen hinab befördert.428 Hier wurden
die spätantiken Städte weiter genutzt und in karolingischer Zeit gefördert, so dass
eine Kontinuität bis heute möglich war.
Eine ähnliche Stadtentwicklung kann auch für das heutige Salzburg, dem an-
tiken Iuvavum, rekonstruiert werden. Hier gilt ein Weiterleben der romanischen
Bevölkerung sowie einer christlichen Tradition auf dem Platz der antiken civitas
als gesichert. Zwar sind aus der römischen Festung des 3./4. Jh. bislang keinerlei
spätere Funde bekannt, allerdings wird hier in der Vita des Severin eine lebendige
christliche Gemeinde beschrieben.429 Aus den frühen Quellen des Salzburger Bi-
schofssitzes kann man nicht nur auf eine Siedlung, sondern auch auf eine christli-
che Gemeinde schließen. Die zugehörigen Kirchen lagen vermutlich in einer zi-
vilen Höhensiedlung auf der Nonnbergterrasse, und konnten bislang noch nicht
gefunden werden. Dies liegt auch an der massiven Überbauung des Festungsber-
ges in den späteren Jahrhunderten. Einen weiteren Hinweis auf die Kontinuität der
Siedlung erhält man aus dem Gräberfeld des 6. bis 7. Jh., das am Fuß des Festungs-
berges ausgegraben wurde.430 In den Quellen des beginnenden 9. Jh. wurde diese
Wiederaufnahme von sicherlich noch existenten Strukturen stets als Neugründung
dargestellt. So betonten die jüngeren Breves Notitiae431, dass der Kirchengründer
Salzburgs, Rupert, den Ort zu säubern begann („cepit ibi hunc locum expurgare“)
und suggerieren damit einen Neuanfang. Laut der älteren Quelle, der Notitia Arno-
nis432, existierten hingegen dort schon vor der Ankunft des Heiligen eine Siedlung
(„oppidum“!) und eine Burg („castrum“). Diese Betonung als Neugründung hob die
Leistung des verantwortlichen Herzogs bzw. Heiligen hervor und stärkte gleich-
zeitig deren Herrschaft, da so die einheimischen Machtstrukturen völlig negiert
wurden.433
Andere Städte entwickelten sich relativ bruchlos auf den antiken Grundlagen
weiter. In den Westalpen zählen dazu in erster Linie Grenoble, Genf, Aosta und
Susa. Auch das römische Trient konnte als vitale frühmittelalterliche Stadt die Kri-
sen der Zeit überstehen, wie die Ausgrabungen zeigen. Die Bevölkerung blieb hier
428 Kosi, Die mittelalterlichen Städte Sloweniens 65 f., 71 den Handel betreffend.
429 Eugippius, Vita s. Severini c. 13.
430 Kovacsovics, Iuvavum 191 ; Wolfram, Grenzen und Räume 295 ff.; Dopsch, Geschichte Salzburgs
114. Zur Kontinuität des Christentums siehe auch das Kapitel „Das Christentum in den nördlichen
Voralpen“ ab S. 203.
431 BN ed. Lošek 88.
432 NA ed. Lošek 72.
433 Siehe dazu auch im Kapitel „Lokale Macht und Herrschaft : Der zentrale Alpen- und Voralpenraum“
ab S. 308.
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Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Subtitle
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Author
- Katharina Winckler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 426
- Keywords
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Categories
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Table of contents
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361