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Besiedlung 253
stimmten Bevölkerungsgruppe zuordnen.450 Die ganz frühen, meist als slawisch
interpretierten Formen sind jedenfalls nur am Hemmaberg und nicht in anderen
Höhensiedlungen der Ostalpen gefunden worden.451 Ähnlich wie am Ulrichsberg
und Tinje implizieren die verschiedenen Fundsorten eine gemeinsame Besiedlung
von verschiedenen Bevölkerungsgruppen oder zumindest eine noch weiterge-
hende Besiedlung auch nach der Zuordnung der Region zum slawisch-awarischen
Herrschaftsraum.452 Auch nach einer Brandkatastrophe Ende des 6. Jh. wurde die
Anlage noch weiter bewohnt. Die darauf folgende Fundleere deutet auf eine Auf-
gabe der Siedlungstätigkeit kurz danach.453
Man kann am Hemmaberg also folgende Entwicklung beobachten : Der Blüte
während der Ostgotenzeit folgte eine Phase wirtschaftlicher Probleme, danach
kam es bei den Funden zu Überlagerungen mit neuen Formen, die auf eine Zu-
wanderung von Menschen deuten kann, und schließlich wurde die Siedlung auf-
gegeben. Schon ab der Mitte des 6. Jh., also lange vor dem Auftreten der Slawen
und Awaren, kann man eine zunehmende materielle Vereinfachung feststellen.454
Der kulturelle Bruch trat also schon vorher ein, dies ist auch der Grund, warum die
Art und das Ausmaß der slawischen Einwanderung so schwer zu beurteilen sind.
Die Keramikreste zeigen aber auch, dass es zumindest noch bis zur Eroberung der
Slawen und Awaren einen, wenn auch reduzierten, Handel mit dem mediterranen
Raum und Kleinasien gegeben hat. Der Handel dieser Güter brach zum Zeitpunkt
der Eroberung, vielleicht auch etwas später, ab. Hier sind im Moment die Datie-
rungsmöglichkeiten noch zu ungenau.455
Das Ende der Höhensiedlungen des Ostalpenraumes fällt meist in das Ende des
6. Jh. Eine Ausnahme bilden die Plätze im Raum der heutigen Steiermark, die of-
fenbar um einiges früher untergegangen sind. Obwohl sie teilweise auch befestigt
waren, etwa bei Gröbming, am östlichen Ende der Ramsau im Ennstal sowie am
Frauenberg bei Leibnitz, bestand keine der Siedlungen über die Mitte des 5. Jh.
hinaus. Die Gründe hierfür sind noch unbekannt, ebenso, warum es bisher kei-
nen einzigen Kirchenfund in dieser Region gibt.456 Dies fällt umso mehr auf, als
450 Brather, Früh- und hochmittelalterliche Keramik 115.
451 Ladstätter, Die materielle Kultur 161 ff.
452 Scherrer, Anmerkung zur Siedlungssoziologie für den Ulrichsberg 224 und Duel 225.
453 Ebd. 202, 207.
454 Allgemein gab es materielle Verarmungen in vielen Teilen Europas. Italien : Marazzi, The destinies
of the Late Antique Italies 131, 137 ; Ostalpenraum : Schretter, Von noricum mediterraneum 146 ;
England : Wickham, Framing 308 ff. und 339 ff. mit einem Erklärungsmodell.
455 Ladstätter, Die materielle Kultur 117.
456 Steinklauber, Das spätantike Gräberfeld auf dem Frauenberg 184. Siehe dazu auch das Kapitel
„Entwicklung des Christentums in den Alpen“ S. 178–182.
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Table of contents
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361