Page - 255 - in Die Alpen im Frühmittelalter - Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Image of the Page - 255 -
Text of the Page - 255 -
Besiedlung 255
Iuenna/Globasnitz am Fuß des Hemmaberges.462 Letztere Siedlung entwickelte
sich von einer römischen Straßenstation, von der kaum Reste bekannt sind, zu der
oben ausführlich behandelten spätantiken Höhensiedlung. Die Unterscheidung
zwischen Stadt, regionalem Zentrum und Dorf ist gerade am Übergang von Spät-
antike zum frühen Mittelalter nicht immer einfach, das betrifft ganz besonders die
Höhensiedlungen.
Die ländliche Einrichtung der Römer schlechthin war die villa. Diese präch-
tigen Hausanlagen mit dazugehörigem Großgrundbesitz gab es fast im ganzen
römischen Reich. Das Ende der Villenkultur fällt in das 4. Jh., bis Mitte des 5. Jh.
in Italien und erst in das 6. Jh. in einzelnen Regionen Spaniens und Südgalliens.463
Römische Gutshöfe und Villen erreichten in den Alpen aber nicht die palastartige
Größe wie im Flachland. Die Größe der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche war
in den Tälern begrenzt und die alpine Almwirtschaft unterschied sich sehr von der
Agrikultur des flachen Landes. Dennoch brachten archäologische Untersuchun-
gen in einigen Tälern Anwesen ans Tageslicht, die über eine beachtliche Größe
verfügten. Besonders prunkvolle Häuser finden sich vor allem am Alpenrand. Im
nördlichen Voralpenraum stechen die Villen um Salzburg durch ihre qualitätsvol-
len Mosaikfußböden aus den ansonsten eher bescheidenen Funden der bairischen
Villen hervor, insbesondere die Portikusvilla von Loig. Im Raum des antiken Iuva-
vum lag offenbar ein Schwerpunkt der antiken Villenwirtschaft in den Voralpen.
Römische Anwesen kann man bis in die Alpentäler hinein finden. So sind mehr als
ein halbes Dutzend Gutshöfe entlang der Salzach bekannt.464 Ein weiteres Beispiel
ist das Landhaus von Löffelbach bei Hartberg (Stmk.), das noch im 3. Jh. erweitert
wurde und eigene Baderäume besaß. Über die Villen Binnennoricums ist im Mo-
ment noch wenig bekannt.465 Im sehr romanisierten Wallis konnten mehrere Vil-
len ausgegraben werden, die luxuriös mit Bodenheizung und Bädern ausgestattet
waren. Die Existenz von Latifundien wurde in den Alpentälern bislang eher aus-
geschlossen. Trotzdem fanden sich im Wallis unterhalb von mächtigen Schwemm-
schichten Spuren, die auf große landwirtschaftlich genutzte Flächen deuten.466
Ähnliches könnte man sich auch für die breiteren Täler der Zentral- und Ostalpen
vorstellen, und ganz besonders für das Kärntner Becken.
In den Grenzprovinzen Rätiens erfolgte im 3. Jh. ein massiver Wüstungspro-
zess, der als Folge der Alemanneneinfälle gedeutet wird. Nur bei wenigen Villen
462 Genser, ländliche Besiedlung 334.
463 Christie, Landscapes of Change 11.
464 Kovacsovics, Iuvavum 169 ; Fischer, Römische Landwirtschaft in Bayern 277.
465 Genser, ländliche Besiedlung 343 f.
466 Wiblé (Hg.), Vallis Poenina 63.
back to the
book Die Alpen im Frühmittelalter - Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800"
Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Subtitle
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Author
- Katharina Winckler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 426
- Keywords
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Categories
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Table of contents
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361