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276 Menschen in den Alpen
der Ostalpen finden sich zahlreiche Almen, deren Namen auf eine Bewirtschaf-
tung oder Besitz von Slawisch sprechenden Menschen deuten. Das Alter dieser
Almen ist aber nicht gesichert, neben einer Übernahme der schon in der Spätan-
tike genutzten Almen im Laufe des 7. Jh. ist auch eine Neuansiedlung im Zuge
des Almenausbaues ab dem 11. Jh. denkbar. Am Sölkpass in 1.780 m Höhe zeigen
sich hingegen schon ab der Mitte des 7. Jh. Weidetätigkeit und eventuell Bran-
drodung.598 In den slowenischen Alpen gab es zahlreiche spätantike Almen. Da-
tierbare Funde verschwinden jedoch spätestens Anfang des 7. Jh. zeitgleich mit
der slawischen Eroberung des Raumes.599 Eine ähnliche Abfolge, allerdings mit
einem etwas früheren Verschwinden der almwirtschaftlichen Spuren, findet man
am Dachsteinplateau (s. o.).600 Diese Unterbrechung ist schwer zu erklären, denn
die slawische Bevölkerung hatte ja ein Interesse daran, für die Versorgung die al-
ten landwirtschaftlichen Strukturen aufrechtzuerhalten und die wertvollen Nutz-
flächen zu bewahren. Aber auch im Tal sind die heute noch erhaltenen Spuren
menschlicher Tätigkeit sehr karg. Die Fundarmut auf den Hochweiden bedeutet
daher nicht unbedingt eine Aufgabe der Almwirtschaft, sondern kann vielleicht
auf eine materielle Verarmung und einem Rückbezug auf einfachste Materialien,
wie etwa Strohhütten oder Zelte, zurückzuführen sein.601 Die romanischen „Alm-
worte“ und Traditionen lebten ja durchaus weiter, was auf eine kontinuierliche
Bewirtschaftung der Almen deutet.602 Ab dem 8. Jh. tauchen die Almen der Alpen
regelmäßig in den Urkunden auf. Bei der Übergabe von Gütern im Gebirge wird
die Formel „cum montibus et alpibus“ von den West- bis Ostalpen aber auch in
den Pyrenäen und im Apennin genutzt. Almen gehörten auch zu der typischen
Ausstattung alpiner Klöster.603
Bei der oben beschriebenen Almwirtschaft handelt es sich um lokale Trans-
humanz, bei der ein Talort Almen der nahe liegenden oberen Höhenstockwerke
bewirtschaftet. Spätestens ab dem Ende des 14. Jh. ist für die Westalpen eine groß-
räumige Transhumanz über teils mehrere Hundert Kilometer bekannt. Im Früh-
jahr wurden riesige Schafherden von ihren Hirten von den Winterweiden in der
598 Drescher-Schneider, Pollenanalytische Untersuchungen 102 f.
599 Horvat, Archäologische Zeugnisse 124 ff.
600 Mandl, Dachstein 52.
601 Zu den Transformationen der Wohnhäuser und Siedlungen siehe Kapitel „Ländliche Siedlungen“
ab S. 254 und „Wohnen im Frühmittelater“ ab S. 259.
602 Horvat, Vorgeschichtliche und römische Besiedlung 184 ff.; Archäologische Zeugnisse 129 f.
603 Almen in den Quellen finden sich beispielsweise im Testament des Abbo 3, 7, 21, 22, 24, 25 mit
einem Hirten (uerbicarius), 27 etc. ed. Geary ; in der Notitia Arnonis 1, 1.6, 7.8 sowie den Breves
Notitiae 2.4, 2.7, 4.4, 5.2, 9.8 etc. ed. Lošek und zuletzt in den churrätischen Urkunden z. B. Nr. 49
und Nr. 50 ed. Erhart/Kleindinst.
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Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Subtitle
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Author
- Katharina Winckler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 426
- Keywords
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Categories
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Table of contents
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361