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280 Menschen in den Alpen
Kartoffel in der Neuzeit als eines der wichtigsten Grundnahrungsmittel in Europa.
Hülsenfrüchte bildeten ebenfalls einen wichtigen Bestandteil der Nahrung. In den
Gebirgstälern der Schweiz wurden vor allem Erbsen und Ackerbohnen gezogen,
im Wallis sogar bis auf eine Höhe von 2.150 m. Aber auch die kälteempfindliche-
ren Linsen waren zumindest in den Ostalpen eine wichtige Ackerfrucht. Weitere
Nutzpflanzen waren Lein/Flachs und Schlafmohn als Ölpflanzen, erstere wurde
auch wegen ihrer Fasern angebaut, letztere wegen der medizinischen und beru-
higenden Wirkung. Im Wallis gibt es auch Hinweise auf die Vorratshaltung von
Heu. Die Anpassung und Modifizierung des Geländes an ackerbauliche Notwen-
digkeiten, also Anlage von Terrassen und Pflanzung von Hecken, können z. B. im
Unterengadin seit der frühen Bronzezeit beobachtet werden.623
Ab der Mitte des 3. Jh. gab es einen massiven Einbruch der römischen Land-
wirtschaft in Mitteleuropa. Grund dafür dürften die ersten Plünderungszüge von
Alemannen, Juthungen und anderen gewesen sein. In der Limeszone zwischen
Rhein und Donau kam es offenbar zu einem Siedlungsrückgang,624 auch im Inne-
ren Noricums nehmen die römischen Funde ab dieser Zeit stark ab.625 Ähnliches
lässt sich in den Westalpen beobachten. Die Ursache dafür wird hier eher in einer
ökonomischen Krise gesehen.626 Vermutlich wird eine regional unterschiedlich
gewichtete Mischung für den Rückgang verantwortlich gewesen sein, also eine
Wechselwirkung aus äußeren Einwirkungen (Barbareneinfälle und Bürgerkriege)
und einer instabilen Wirtschaft, die sich negativ für Großgrundbesitzer wie Klein-
bauern auswirkte.
Ab der Völkerwanderungszeit zeichnet sich vielerorts ein Wechsel in der Land-
wirtschaft ab. Paläobotanische Untersuchungen zeigen beispielsweise, dass im
5. bis 7. Jh. die Ebenen im mediterranen Raum zwischen Nordspanien und dem
Apennin vor allem mit Vieh bewirtschaftet wurden. Die Ergebnisse geben starke
Hinweise auf eine anthropogene Brandrodung. Das bedeutet, dass der Wald nie-
dergebrannt und die Weiden dann einige Jahre genutzt wurden, bevor man wei-
terzog und das nächste Stück Wald niederbrannte. Große Flächen unkultivierten
623 Graubünden : Jacomet, Ackerbau und Sammelwirtschaft 231 ff.; Wallis : Wiblé (Hg.), Vallis Poenina
90 ; Noricum : Genser, ländliche Besiedlung 336 ; Voralpenraum : Willerding, Anbaufrüchte 132 ff.;
die Anbaufrüchte unterschieden sich nicht grundlegend von denen des Flachlandes. Siehe : Capelle,
Frühgeschichte 397 ff. Allgemein zur „Agrarrevolution des Frühmittelalters“ : Mitterauer, Warum
Europa 17 ff.
624 Drexhage (Hg.), Wirtschaft 93 f.; Willerding, Anbaufrüchte 135.
625 Bis auf die Höhensiedlungen fand man bislang noch keine Spuren einer Besiedlung. Fischer, Nori-
cum 149.
626 Dies zeigt das Schicksal verschiedener villae der Westalpen, in Jourdain-Annequin (Hg.), Atlas cul-
turel : 161 (Guillaume), 154 (Jospin), 153 (Wiblé).
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Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Subtitle
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Author
- Katharina Winckler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 426
- Keywords
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Categories
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Table of contents
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361