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306 Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen
sprachen, die aus dem Latein der Antike hervorgegangen war. Ihre Kultur un-
terschied sich insofern von der der „Barbaren“, dass sie christlich war und ihre
Rechtsauffassung auf spätantiken Traditionen basierte. Darüber hinaus lässt sich
im Detail nur wenig sagen.
Ein Teil der Bevölkerung bildete im Laufe des 6. und 7. Jh. eine neue Elite.
Ab dem 7. Jh. ist in den Gräbern ein zunehmender Reichtum sichtbar, denn die
Grabbeigaben fallen nun üppiger aus und werden häufiger.34 Wertvolle Grabbeiga-
ben sind als öffentliche Vernichtung von Gütern eine Art Statussymbol des frühen
Mittelalters. Reiche Familien konnten es sich auch leisten, Privatkirchen zu errich-
ten.35 Diese Entwicklung kann in der Donauebene und bis in die Hügel der Voral-
pen verfolgt werden. Hier, im Raum Regensburg, war es auch, wo der Kernraum
der herzoglichen Macht lag.36 Der erste bekannte Fürst der Baiern ist Garibald I.,
vermutlich Agilolfinger und Abkömmling der höchsten Adelsschicht des Franken-
reiches. Doch diese Verbindung zum Reich der Franken war schon ab diesem
Zeitpunkt nur oberflächlich und geprägt von den politischen Vorstellungen und
Zielen des jeweiligen Baiernherzogs respektive Frankenkönigs.37
In den Alpen selbst orientierten sich die Bewohner noch lange an den Traditio-
nen der ehemaligen römischen Provinzen dieses Raumes. Dies brachte mit sich,
dass spätantike Strukturen, eine romanische Sprache und nicht zuletzt Besitzver-
hältnisse in den Zentralalpen bis östlich des Raumes Salzburg noch lange weiter-
bestehen konnten.
Das bestdokumentierte Beispiel dafür ist Churrätien. Hier existierte in der
Übergangszeit von Spätantike zum frühen Mittelalter ein geschlossener, alpiner
Herrschaftsraum, der sich ohne größere Brüche entwickeln konnte. Weder gab
es eine gröbere Intervention oder Einwanderung von außen, noch dürfte es zu
kriegerischen Ereignissen gekommen sein. Mitte des 6. Jh. kam Churrätien unter
fränkische Herrschaft. Im Laufe dieses Jahrhunderts kam es hier, wie auch in an-
deren Regionen Galliens, zu einer Bischofsherrschaft. Als sich das Frankenreich in
verschiedene Teile aufspaltete, waren die Bündner Pässe zunächst Teil Austrasiens.
Ab dem Tod Childeberts II. im Jahr 596 dürfte Churrätien mit dem burgundischen
34 Christlein, Alemannen 99 f.
35 Dies zeigen die im Voralpenraum gefundenen Eigenkirchen aus dem 7. Jh. Codreanu-Windauer
457 ff.
36 Jahn, Ducatus Baiuvariorum 36. Arno Rettner, Von Regensburg nach Augsburg und zurück 538 ff.,
stellte die These auf, dass sich bis um 580 in der ehemaligen römischen Provinzhauptstadt Augusta
Vindelicum/Augsburg das Zentrum des bairischen Herzogtums befunden haben könnte,
37 Wolfram, Grenzen und Räume 76 f.
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Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Subtitle
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Author
- Katharina Winckler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 426
- Keywords
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Categories
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Table of contents
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361