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314 Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen
um die Zelle herum übergibt. Ledi und sein Bruder Urso übertragen danach ih-
ren Besitz „in villa Albin“, das von F. Lošek als „Oberalm“ übersetzt wurde. Da
aber die Nennung des Dorfes einen Satz nach der Schenkung des Waldes um die
Zelle herum erfolgt, ausdrücklich „ibidem“ sowie „idem“ geschrieben wird und
die NA die Güter der Familie eindeutig im Pongau lokalisiert, wird es sich wohl
um einen heute unbekannten Ort in der Nähe des heutigen Bischofshofen han-
deln.85 Jedenfalls konnten die Brüder den Besitz laut BN in unredlicher Absicht
von der Salzburger Kirche als Benefizium erwirken. Doch sie wurden, nachdem
sie den Besitz „multis temporibus“ hielten, von den Slawen vertrieben, die die
Zelle zerstörten. Die BN fahren nun mit der Aufzählung von anderen Gütern fort
und widmen sich dann in c. 8 wieder ausführlich dem Besitzstreit. Der Text stellt
Odilos Kaplan Ursus aus der genealogia albina als Betrüger dar, der die Unwissen-
heit des Herzogs ausnützte, um seine rechtliche Stellung zu erhöhen und den
Besitz im Pongau als Benefizium zu erlangen. Die Mitglieder seiner Familie sind
in den BN eindeutig Abhängige des Bischofs, gegeben durch den Herzog Theodo
und dessen Sohn Theotbert. Ursus sah diese Sache vermutlich anders, aber auch
Herzog Odilo. Denn als Bischof Virgil vor dem Herzog seine Ansicht vorbrachte,
wollte Odilo seine Position, die er in Form seiner Männer im Salzachtal etabliert
hatte, nicht aufgeben. Als Kompromiss bot der Herzog einen Tausch an. Offenbar
hatte der Anspruch der Salzburger eine gewisse Berechtigung. Darauf wollte nun
Virgil nicht eingehen. Der Streit ging so weit, dass es sogar zum Bau einer zweiten
Kirche durch Ursus und Herzog Odilo kam, die ein vacans episcopus nomine Liuti
weihte. Das Kapitel schließt mit einer Zeugenliste, die noch von Virgil stammt und
sogar Schüler des heiligen Rupert nennt. Diese Zeugen sind nobiles et veraces viri
und schließen auch eine gewisse Anzahl von Männern – Priester wie auch Laien –
mit romanischen Namen mit ein.
Laut den beiden Quellen war die Familie der Oberalmer im Raum Salzburg
einflussreich und begütert. Ein Mitglied, Ursus, schaffte es sogar, eine Karriere im
Gefolge des Herzogs Odilo zu machen und übte nach den BN großen Einfluss auf
ihn aus. Diese Familie war also offenbar „als romanische Grundbesitzerschicht der
bajuwarischen Oberschicht integriert.“86
Worauf weisen die Differenzen in den Texten noch hin ? Erstens betont der
jüngere Text die Unfreiheit der Oberalmer, offenbar ein wichtiges Argument im
Besitzstreit. Erst in den BN wird ein Oberalmer genannt, Tonazan, der ausdrück-
lich in Abhängigkeit der Salzburger Kirche steht. Während die NA den Oberalmer
85 Prinz, Salzburg zwischen Antike und Mittelalter 108.
86 Ebd. 92.
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Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Subtitle
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Author
- Katharina Winckler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 426
- Keywords
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Categories
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Table of contents
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361