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Der zentrale Alpen- und Voralpenraum 317
wie oben am Beispiel Inntal und Salzachtal (Maximilianzelle) dargestellt. Auch
im Zusammenhang mit Gütern bei Zell am See und Saalfelden werden schon
Ende des 8. Jh. tributales et serviles mansos, also abhängige Bauern, übergeben.98
Sowohl in den Voralpen als auch im heute westösterreichischen Gebirgsinneren
existierten im 8. Jh. also hierarchisch gestufte Gesellschaften mit Edlen und Un-
freien. Die Eliten verfügten über Grundbesitz, der mit Abhängigen bewirtschaf-
tet wurde. Die Mitglieder dieser hochrangigen Familien weisen sich durch ihre
Namen oder, wie im Inntal, durch die Selbstbezeichnung, als Nachfahren der
spätantiken Bewohner dieser Täler aus.
Politisch gehörte der östliche Zentralalpenraum zum voralpinen Herzogtum
Baiern. Aus dieser Region stammten wohl auch die Amtsträger und ihr Gefolge,
die sicherlich an strategisch günstigen oder wirtschaftlich bedeutenden Punkten
im Gebirge residierten. Diese gesellschaftliche Situation spiegelt sich auch in den
archäologischen Funden wider. In den Südabhängen der Alpen gibt es an den
Ausgängen der wichtigen Passverbindungen eine stärkere Konzentration lango-
bardischer Gräber. Bairisch interpretierte Funde finden sich in einigen Tälern des
Nordalpenraumes – etwa bei der Saline Reichenhall. In den Alpen selbst gibt es im
Inntal und im Pustertal einige entsprechenden Ausgrabungen.99 Man sollte jedoch
auf jeden Fall die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass die einheimischen Eliten
dieselbe „Mode“ wie ihre nördlichen und südlichen Nachbarn getragen haben
könnten.
Die starke romanische Präsenz in diesem Raum führte vielleicht auch zu Ar-
beos Verwendung des alten römischen Provinznamens Valeria für den bairischen
Voralpenraum in seiner Vita des Corbinian. Der Heilige will vom Frankenreich
nach Rom ziehen : „Er zog nach Alemannien, wanderte dann durch germanisches
Gebiet und gelangte nach Valeria“. Nach einem Aufenthalt beim bairischen Her-
zog Grimoald in Freising wird er von dessen Getreuen an die Grenzen Italiens
begleitet : „a finibus Valerie atque Noricensis Cisalpina in caput Italie“100. Valeria
98 S. o. und NA 6.2 ed. Lošek, Notitia Arnonis und Breves Notitiae 77.
99 Bierbrauer, Die germanische Aufsiedlung Abb. 2 und Romanen & Germanen 223 ff. Dagegen sind
laut Menke, Die bairisch besiedelten Landschaften 71 Abb. 36. Langobarden und Baiern sind in den
Gräbern kaum auseinanderzuhalten.
100 Lat. A : „Non iam publicam sibimet a Gallorum partibus arripiens callem, sed secretiorem quamvis
traduediam elegit tramidem ; se in Altemaniam contulit. Deinde Germanorum peragrans termina,
Valeriam penetrans et ibidem quamdiu demoratus, verbi divini largitus est semina, que propagata
nonnullorum penetraverunt corda in augmentum fidei, quia pene in christianitatis religione gens
nostra, ut ruda adhuc fuerat, novicitate conversionis erat.“
Lat. B : „Qui non iam publicam a Gallorum partibus arripiens callem, sed secretiorem eligens viam
Altemaniam pervenit, deinde Germaniam et sic Noricam veniens.“
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Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Subtitle
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Author
- Katharina Winckler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 426
- Keywords
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Categories
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Table of contents
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361