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318 Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen
bezeichnet also ein alpennahes Gebiet nördlich des Gebirges, durch das der Weg
nach Italien führte. Schon die etwas jüngere Fassung der Vita streicht den Namen,
Valeria ist ansonsten nicht als Bezeichnung für einen Teil Baierns überliefert. Das
Wort wird daher üblicherweise als Name interpretiert, der von Arbeo fälschlich
verwendet wurde.101
Nun gibt es einen Raumnamen nördlich der Alpen, der direkt an der großen
Alpentraverse Richtung Italien über dem Brenner- bzw. Reschenpass liegt und
durchaus phonetische Ähnlichkeiten aufweist : der pagus desertus Uualhogoi aus der
Gründungsurkunde von Scharnitz, heute Wallgau südlich von Kochel am See.102
Der Name Uualhogoi kam von den Romanisch sprechenden Bewohnern der Ge-
gend, die von Deutschsprachigen „Walen“ oder „Walchen“ genannt wurden. An
der Sprachgrenze zwischen dem Romanischen und dem Deutschen im nördlichen
Voralpenraum entstanden daher zahlreiche Siedlungen, die sich von dieser Fremd-
bezeichnung ableiten lassen, unter anderem der Walensee in der Schweiz, der
Walchensee bei Scharnitz und der Ort Seewalchen am Wallersee.103 Was lag also
näher, als den Namen dieser Region – der „Ort, wo die Walchen wohnen“ – im
Rahmen der Vita in eine Arbeos Meinung nach hochsprachliche, lateinische Form
Valeria zu bringen ? Dafür könnte auch eine analoge Bildung in der Vita des Rupert
vom Ende des 8. Jh., in der ein Ort „qui vocatur Walarium“ genannt wird.104 Valeria
bedeutet daher vielleicht nichts anderes als „das Land der Walchen“ und bezeich-
nete den noch im 8. Jh. sehr romanischen Voralpenraum. Letztendlich konnte
sich dieser Raumname jedoch nicht durchsetzen, da aus politischen Gründen der
Name Noricum geeigneter schien.
Die zweite Erwähnung (ebenfalls nur in Lat. B) folgt kurz darauf. Arbeo von Freising, Vita Corbi-
niani c. 15 ed. Glaser/Brunhölzl 108.
101 Wolfram, Salzburg, Bayern, Österreich 69 ; Jahn, Ducatus Baivariorum 71 ; Heitmeier, Inntal 316 ff.;
Pohl, Awaren 309 ; Heuberger, Natio Noricorum 23 f.; ausführlicher Vogel, Vom Werden eines
Heiligen 344.
102 Trad. Freis. ed. Bitterauf Nr. 19 S. 46. Zur Bedeutung des Klosters für den Weg über den Brenner
und Reschen siehe Kapitel „Klöster der Alpen“, ab S. 228.
103 Haubrichs, Die verlorene Romanität 702 ; Kattenbusch, Bezeichnungen für die Sprachen 165.
Dopsch, Zum Anteil der Romanen 48, Abb. 23.
104 Gesta s. Hrodberti confessoris c. 5 MGH SS rer. Merov 6, S.159 ; Conversio c.1, ed. Wolfram 36.
Das Walarium wird mit dem Walarseo der NA 2.3 und BN 1.3 (ed. Lošek 75 u. 89) gleichgesetzt
und würde sich daher nicht aus einem Walchennamen, sondern nach dem ähnlichnamigen Fisch
ableiten. Dennoch bleibt die Bildung eine Ähnliche.
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Table of contents
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361