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326 Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen
aufgebaut hatte. Ihr blieb nur die Wahl zwischen Anpassung oder Auswanderung,
beispielsweise in die langobardischen bzw. byzantinischen Gebiete Italiens und Is-
triens.149 Das gewaltsame Ausradieren der Aristokratie wäre jedenfalls für das frühe
Mittelalter eher ungewöhnlich.150 Slawen hatten in den Überlieferungen den Ruf,
sehr milde zu ihren Gefangenen und Unterworfenen zu sein.151 Für die einfachen
Bauern änderte sich ohnehin nicht viel. Gerade für ärmere Leute, Besitzlose und
Flüchtige gilt, dass sie sich in dieser Zeit gerne den „Barbaren“ anpassten.152
Die Tendenz der frühmittelalterlichen Bevölkerung Europas zu Dörfern, die in
Abständen von ein bis zwei Generationen verlegt wurden und zu einer Landwirt-
schaft, die oft auf Brandrodung basierte, wurde schon oben erläutert.153 Menschen
im Gefolge von Steppenvölkern wohnten des Öfteren in Zelten. Procopius be-
richtet von Sklavenen und Anten, dass diese nomadisch lebten.154 All diese Sied-
lungsformen hinterlassen kaum Spuren. Das langsame Vergehen der Städte wurde
ebenfalls schon oben diskutiert.155 Die Möglichkeiten der Archäologie sind für das
frühe Mittelalter in den Ostalpen daher nur beschränkt. Ähnliche Probleme der
„unsichtbaren Slawen“ gibt es auch in anderen Regionen Europas : So ist beispiels-
weise im Südbalkan und im heutigen Griechenland eine slawische Siedlungstä-
tigkeit aus den schriftlichen Quellen sehr gut belegt – archäologisch fehlen nach
wie vor weitgehend die Funde. Weder fanden sich dort die anderorts als slawisch
interpretierten Grubenhäuser, noch Keramik vom Prager Typ.156
Bemerkenswert ist auch, dass es in den Ostalpen des 7. Jh. nicht nur kaum sla-
wische Funde gibt, sondern auch keine awarischen. Die Körpergräberfelder und
sonstige awarische Funde, die archäologisch gut zuzuordnen sind und schon Ende
des 6. Jh. in größerer Anzahl auftreten, wurden bislang ausschließlich im Flachland
gefunden.157 Möglicherweise liegt dies daran, dass Slawen bei Kämpfen im unweg-
149 Beispielsweise floh der Bischof von Celeia/Celje wohl kurz nach 590 nach Civitas Nova in Istrien.
Pohl, Awaren 148.
150 Wickham, Framing 180. Angelsachsen und Hunnen reduzierten zwar die Wichtigkeit der alten
Eliten, löschten sie aber nicht aus. Dies ist erst für die Mongolen überliefert. Diese wiederum hatten
einen ausgesprochen schlechten Ruf, sodass es nicht einfach ist, Wahrheit von Mythos zu trennen.
151 Das Strategikon des Maurikios XI 4 aus der Zeit um 600 berichtet, dass Slawen und Anten ihre
Gefangenen nach einer gewissen Zeit freiließen. Die Befreiten durften entweder heimkehren oder
„als freie Freunde“ dort weiterleben. Ed. Gamillscheg 373 ; Pohl, Awaren 127.
152 Geary, Europäische Völker 124.
153 Curta, The making of the Slavs 276 ; Siehe auch S. 281 f.
154 Prokopios Bell. Got. VII 14.25 ed. Dewing 270 ; Daim, Awaren sitzen kurz ab 18.
155 Siehe Kapitel „Evolution der städtischen Zentren“ ab S. 239.
156 Curta, The making of the Slavs 227 f.; Barford, The early Slavs 61.
157 Stadler, Awarische Chronologie 458 f. Abbildung 3, 4 und 5. Ausnahmen sind nur die unten er-
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Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Subtitle
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Author
- Katharina Winckler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 426
- Keywords
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Categories
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Table of contents
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361