Page - 36 - in Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße
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Rahmenbedingungen36
(in meinem Fall handelt es sich hierbei um Gelegenheitsstrukturen), wie etwa die
Kriegsbegeisterung, die Kriegsentschlossenheit, die Kriegsergebenheit, die Kriegs-
bereitschaft, das „Pflichtbewusstsein“ oder die vielen Burgfriedensschlüsse und
-brüche, offen gelegt. Mit Hilfe dieser Komponenten lässt sich der Transformati-
onsprozess von einer fragmentiert militarisierten Gesellschaft im Frieden hin zu
einer Gesellschaft im Krieg in seiner Ungleichzeitigkeit und Brüchigkeit, aber auch
in seinen Konturen darstellen. Das Ziel dabei ist, die damalige soziale Kohäsion in
Graz besser als bisher verstehen/erklären zu können.
Der erste Fragenbereich splittet sich in Fragen danach auf, wie man sich auf den
immer offensichtlicher drohenden „Serbienkrieg“ und später auf den Weltkrieg
in Graz einstellte und wie man schlussendlich den Krieg im Alltag in den ersten
Kriegsmonaten vorfand, wahrnahm, sich aneignete bzw. wie man mit ihm umging
und ihn bewältigte.
Der zweite Fragenbereich orientiert sich an den Fragen, was in Graz als legitim
und was als illegitim definiert wurde, wer dies bestimmte und wie man versuchte,
Legitimes zu unterstützen sowie Illegitimes zu unterbinden. Die Hauptfrage ist
hier die Art und Weise, wie sich die Einheitsbildung vor dem Hintergrund wech-
selnder lokaler und überregionaler Gegebenheiten in den belebten Straßen und
Plätzen ausbreitete bzw. einschrieb.
Beide Fragenbereiche können nicht sorgfältig voneinander getrennt, geschweige
denn getrennt voneinander dargestellt werden. Ebenso wenig fungiert der erste
Fragenbereich als historischer Materiallieferant für den zweiten Fragenbereich,
zumal aus meiner Sicht nicht jedes Alltagsmoment mit dem Prozess der Einheits-
bildung in Verbindung stand.
Erkenntnisbarrieren
Aus der Retrospektive lässt sich leichter klären/schildern, was nicht passierte, als
zu bestimmen, was denn nun eigentlich passierte. Das trifft gewissermaßen auch
auf Überlegungen im Hinblick auf die eigene Forschungsroute zu. Auch hier fällt
es stets leichter, die nicht beschrittenen Forschungswege zu lokalisieren, als die
eigenen zu bestimmen. Es gibt logischerweise viele Forschungswege. Und viele
dieser Routen habe ich nicht eingeschlagen. Hätte ich sie eingeschlagen, hätte ich
aufgrund anderer kohärent methodischer Rahmenbedingungen eine andere Ge-
schichte über den Kriegsbeginn in Graz geschrieben.
Exemplarisch sei diesbezüglich auf die „dichte Beschreibung“ (von Clifford
Geertz) verwiesen, die hier aufgrund der zeitlichen Ferne zum Gegenstand nicht
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book Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße"
Graz 1914
Der Volkskrieg auf der Straße
- Title
- Graz 1914
- Subtitle
- Der Volkskrieg auf der Straße
- Author
- Bernhard Thonhofer
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln- Weimar
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20569-2
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 510
- Keywords
- Steiermark, Weltkrieg, Styria, Landeshauptstadt, Heimatfront, Kriegsbegeisterung, Burgfrieden
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Rahmenbedingungen 15
- Sarajevoer Attentat und Graz 69
- Vom „Balkanbrand“ 1912/13 69
- Der Begriff „Begeisterung“ in der politischen Sprache 76
- Grazer Gemeinderatswahlkampf 83
- Intensive Julipolemik 88
- Der „Demarche-Rummel“ 99
- Blick nach Ungarn und „Strafexpedition“ 105
- Fallende Börsenkurse 110
- Ultimatum an Serbien 112
- Lokalisierungsfrage 116
- Verregnete Grazer Straßen im Juli 119
- Zur Trauerstimmung 122
- Innenstadt und Bahnhof 135
- Kein Telefonnetz 135
- Abbruch der diplomatischen Beziehungen 138
- Die „patriotischen“ Straßenumzüge 144
- Offengelegte Zeitungspolitik 151
- Unklare Mobilisierungsplakate 154
- Antisozialdemokratischer Demonstrationszug 162
- Grazer „Feldlager“ 166
- Die letzten Tage im Juli 170
- Großbritannien und Italien 176
- Verspätete Zeitungen in der Provinz 185
- Nach dem Truppenabmarsch am 11. August 187
- Abschiedsszenen 194
- Kaiserfeiern rund um den 18. August 206
- Ein „Denkmalfrevel“ 212
- Kriegsdauer, Kriegsausgang und Kriegstechnologie 214
- Erste „Entscheidungsschlachten“ 222
- Präventivzensur 227
- Erste „Soldatenerzählungen“ 234
- Grazer Frauenhilfskomitee 245
- Transportkolonne am Bahnhof 252
- Alltag und Einheitsprüfungen 257
- Arbeitslosigkeit 257
- Andrang auf die Geldinstitute 267
- Ausstattungsfrage und Postämter 276
- Hamsterkäufe 284
- Mietzins 299
- Kirchen und Friedhöfe 303
- Verlustlisten 318
- Infiltrierendes „Spinnennetz“ 323
- Ausschreitungen 333
- Demonstrationen vor Geschäften 340
- Über die „Sprachbereinigung“ 346
- Modeboykott 354
- Soldaten abseits der Truppe 363
- Neue Wachposten 374
- Arbeiterhilfskorps für Graz und Umgebung 387
- Pfadfinder und Wandervogel 389
- Die „Soldatenspiele“ der Kinder 398
- Diebstahl und Betrug 404
- Verbliebene „Kriegsfreizeit“ 412
- Schlussbetrachtung 423
- Anhang 453