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Arbeitslosigkeit | 257
Alltag und Einheitsprüfungen
Arbeitslosigkeit
Die lokalen Kriegserschwernisse verunmöglichten die Bildung einer geschlossenen
„Kriegsgemeinschaft“, zumal sie die zivilgesellschaftlichen Bindungen überform-
ten und erodierten.1 Augenfällig zeigt sich dies in den zahllosen Alltagskonflik-
ten, die markant und nachhaltig die städtische Kohäsion beeinträchtigten. Dieses
folgenreiche Konfliktpotential speiste sich auch aus der Art und Weise, wie man
mit den Arbeitslosen umging. In den Zeitungen schlug sich diese Thematik in der
sogenannten Arbeitslosenfrage2 nieder, die sich hauptsächlich mit den „richtigen“
Schritten „zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit“ befasste.3 Insbesondere die bür-
gerliche Presse und die Behörden betrachteten die – als „ungeordnet“ und „aufrüh-
rerisch“ geltende – „Masse“ der Arbeitslosen mit großer Sorge.4 Diese Angst vor
den erwerbslosen „Landsleuten“ gab es seit jeher.5 In den ersten Kriegsmonaten
wurde sie aber nicht ausdrücklich als „Angst“ deklariert. Vielmehr sprach man von
einer unkontrollierbaren „Gefahr“6, die es zu bannen galt.7 Das radikal deutschna-
tionale Tagblatt freute sich zum Beispiel darüber, dass die Arbeitsmarktsituation im
Raum Bruck a.
d. Mur noch entspannt war: „Eine Gefahr von Ansammlungen grö-
ßerer Gruppen von Arbeitslosen ist vorläufig nicht zu befürchten.“8 Zudem spra-
chen die bürgerlichen Zeitungen vom „Schreck der Arbeitslosigkeit“ sowie vom
„Gespenste der Arbeitslosigkeit“.9 Prinzipiell stellten die seit Längerem für den
Kriegsfall ausgearbeiteten wirtschaftspolitischen Maßnahmen keine umfassenden
Kriegsorganisationspläne dar.10 Folglich wurden weder Großvorräte an Rohstoffen
1 Vgl. dazu auch: Ziemann (2013), 8.
2 Keine Ratschläge, sondern Taten. Zur Arbeitslosenfrage, in: Arbeiterwille, 1.9.1914, 3.
3 Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in Steiermark, in: Arbeiterwille, 20.9.1914, 6.
4 Zur „Masse“ vgl. auch das Kapitel: Die „patriotischen“ Straßenumzüge.
5 Es fehlte an einem gemeinsamen (steirisch-slowenischen) „Landesbewusstsein“, vgl. Moll
(2007a), 24.
6 Die Gefahr der Arbeitslosigkeit, in: Tagespost, 10.9.1914, [ohne Seitenangabe].
7 Ängste galten als Ausdruck von „Unmännlichkeit“, „Nervosität“ und „Schwäche“.
8 Anerkennenswerte Tätigkeit, in: Grazer Tagblatt, 1.11.1914 (2. Morgenausgabe), 3.
9 Die Arbeitslosigkeit, in: Grazer Mittags-Zeitung, 22.9.1914, 1, 2.
10 Zu nennen sind hier: Moratorien, Börsenschließungen, Aus- und Durchfuhrverbot auf be-
stimmte Güter, Festsetzung von Höchstpreisen und so weiter. Allgemeines zur Kriegswirtschaft
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Graz 1914
Der Volkskrieg auf der Straße
- Title
- Graz 1914
- Subtitle
- Der Volkskrieg auf der Straße
- Author
- Bernhard Thonhofer
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln- Weimar
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20569-2
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 510
- Keywords
- Steiermark, Weltkrieg, Styria, Landeshauptstadt, Heimatfront, Kriegsbegeisterung, Burgfrieden
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Rahmenbedingungen 15
- Sarajevoer Attentat und Graz 69
- Vom „Balkanbrand“ 1912/13 69
- Der Begriff „Begeisterung“ in der politischen Sprache 76
- Grazer Gemeinderatswahlkampf 83
- Intensive Julipolemik 88
- Der „Demarche-Rummel“ 99
- Blick nach Ungarn und „Strafexpedition“ 105
- Fallende Börsenkurse 110
- Ultimatum an Serbien 112
- Lokalisierungsfrage 116
- Verregnete Grazer Straßen im Juli 119
- Zur Trauerstimmung 122
- Innenstadt und Bahnhof 135
- Kein Telefonnetz 135
- Abbruch der diplomatischen Beziehungen 138
- Die „patriotischen“ Straßenumzüge 144
- Offengelegte Zeitungspolitik 151
- Unklare Mobilisierungsplakate 154
- Antisozialdemokratischer Demonstrationszug 162
- Grazer „Feldlager“ 166
- Die letzten Tage im Juli 170
- Großbritannien und Italien 176
- Verspätete Zeitungen in der Provinz 185
- Nach dem Truppenabmarsch am 11. August 187
- Abschiedsszenen 194
- Kaiserfeiern rund um den 18. August 206
- Ein „Denkmalfrevel“ 212
- Kriegsdauer, Kriegsausgang und Kriegstechnologie 214
- Erste „Entscheidungsschlachten“ 222
- Präventivzensur 227
- Erste „Soldatenerzählungen“ 234
- Grazer Frauenhilfskomitee 245
- Transportkolonne am Bahnhof 252
- Alltag und Einheitsprüfungen 257
- Arbeitslosigkeit 257
- Andrang auf die Geldinstitute 267
- Ausstattungsfrage und Postämter 276
- Hamsterkäufe 284
- Mietzins 299
- Kirchen und Friedhöfe 303
- Verlustlisten 318
- Infiltrierendes „Spinnennetz“ 323
- Ausschreitungen 333
- Demonstrationen vor Geschäften 340
- Über die „Sprachbereinigung“ 346
- Modeboykott 354
- Soldaten abseits der Truppe 363
- Neue Wachposten 374
- Arbeiterhilfskorps für Graz und Umgebung 387
- Pfadfinder und Wandervogel 389
- Die „Soldatenspiele“ der Kinder 398
- Diebstahl und Betrug 404
- Verbliebene „Kriegsfreizeit“ 412
- Schlussbetrachtung 423
- Anhang 453