Page - 284 - in Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße
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| Alltag und
Einheitsprüfungen284
aber nicht schwerer als 10 Kilogramm sein.185 Ferner durften sie nur wasserdicht
verpackte Uniformteile, Ausrüstungsgegenstände sowie Wäsche und Schuhe bein-
halten. Aufgrund der großen Menge an privaten Feldpostpaketen verbot man am
2. Oktober den Feldpostpaketverkehr erneut: „Es ist unmöglich, die riesigen Pa-
ketmassen im Felde ebenso rasch abzugeben, wie sie bei den vielen tausenden hei-
matlichen Postämtern aufgenommen worden sind, da die Feldkommunikationen
für den Nachschub aller übrigen Heeresbedürfnisse voll in Anspruch genommen
sind.“186 Eingeführt wurde er wieder anlässlich der bevorstehenden Weihnachts-
zeit (1. bis 15. Dezember).187 Dieses Mal durften die Pakete aber nicht mehr als
5 Kilogramm wiegen. (Vorübergehend) Erlaubt war dagegen das Versenden von
Zigarren/Zigaretten sowie Esswaren, sofern diese nicht dem Verderben unterla-
gen.
Hamsterkäufe
Zu Kriegsbeginn kam es in allen Kriegsstaaten zu Hamsterkäufen.188 In Graz blie-
ben die aus Sorge oder Angst erfolgten Hamsterkäufe weitgehend auf die erste
Kriegswoche beschränkt.189 Von dem Andrang waren sowohl der Kleinhandel, wie
der Bäcker, der Fleischhauer oder der Gemischtwarenhändler (Greißler/Krämer),
als auch die Großversorger, wie die Konsumgenossenschaften oder die Julius-
Meinl-Filiale (am Hauptplatz), betroffen. Unternommen wurden die Hamster-
käufe von Frauen aller Milieus, wenngleich weitaus mehr einkommensschwächere
Frauen hamsterten als finanziell bessergestellte Frauen. Dieser Befund deckt sich
mit weiten Teilen Deutschlands, zumal auch dort vorrangig Frauen aus den unte-
185 Beförderung von Paketen mit der Feldpost, in: Grazer Tagblatt, 22.9.1914, 12; Pakete für die
Feldpost, in: Arbeiterwille, 23.9.1914 (2. Ausgabe), 3.
186 Einstellung des Feldpost-Paketverkehres, in: Grazer Tagblatt, 1.10.1914 (Abendausgabe), 4.
187 Feldpostpakete in der Weihnachtszeit, in: Arbeiterwille, 30.11.1914 (Abendausgabe), 4.
188 Prinzipiell stellt der Hamsterkauf, bei dem man sich über den Normalbedarf hinaus mit diversen
Konsumgütern eindeckt, eine Form der Spekulation dar. Zu den Hamsterkäufen in Deutsch-
land: Hermann (2014), 62; Zedler (2014), 61 f.; Stöcker (22014), 34 f., 39, 41 f., 63 f.; Chickering
(2009), 66; Hartung/Krüger (2009), 169; Nübel (2008), 153; Schröder (2007), 212 f.; Andresen
(2006), 23, 30; Link (2004), 304, 312 f.; Reitemeier (2004), 164, 183; Verhey (2000), 86–89; Gei-
nitz (1998), 88–93, 241
f.; Ullrich (1976), Bd. 1, 151; Schwarz (1971), 117. Für Österreich-Ungarn
(Wien, Kärnten): Healy (2007); Breiter (1991), 48, 72 f.; Doliner (1951), 73. Für das neutrale
Zürich: Herber (2014), 69–70.
189 In Deutschland erfolgte der Andrang auf die Geldinstitute seit dem 27. Juli. Die Hamsterkäufe
begannen am 30. Juli, vgl. Verhey (2000), 86–89.
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Graz 1914
Der Volkskrieg auf der Straße
- Title
- Graz 1914
- Subtitle
- Der Volkskrieg auf der Straße
- Author
- Bernhard Thonhofer
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln- Weimar
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20569-2
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 510
- Keywords
- Steiermark, Weltkrieg, Styria, Landeshauptstadt, Heimatfront, Kriegsbegeisterung, Burgfrieden
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Rahmenbedingungen 15
- Sarajevoer Attentat und Graz 69
- Vom „Balkanbrand“ 1912/13 69
- Der Begriff „Begeisterung“ in der politischen Sprache 76
- Grazer Gemeinderatswahlkampf 83
- Intensive Julipolemik 88
- Der „Demarche-Rummel“ 99
- Blick nach Ungarn und „Strafexpedition“ 105
- Fallende Börsenkurse 110
- Ultimatum an Serbien 112
- Lokalisierungsfrage 116
- Verregnete Grazer Straßen im Juli 119
- Zur Trauerstimmung 122
- Innenstadt und Bahnhof 135
- Kein Telefonnetz 135
- Abbruch der diplomatischen Beziehungen 138
- Die „patriotischen“ Straßenumzüge 144
- Offengelegte Zeitungspolitik 151
- Unklare Mobilisierungsplakate 154
- Antisozialdemokratischer Demonstrationszug 162
- Grazer „Feldlager“ 166
- Die letzten Tage im Juli 170
- Großbritannien und Italien 176
- Verspätete Zeitungen in der Provinz 185
- Nach dem Truppenabmarsch am 11. August 187
- Abschiedsszenen 194
- Kaiserfeiern rund um den 18. August 206
- Ein „Denkmalfrevel“ 212
- Kriegsdauer, Kriegsausgang und Kriegstechnologie 214
- Erste „Entscheidungsschlachten“ 222
- Präventivzensur 227
- Erste „Soldatenerzählungen“ 234
- Grazer Frauenhilfskomitee 245
- Transportkolonne am Bahnhof 252
- Alltag und Einheitsprüfungen 257
- Arbeitslosigkeit 257
- Andrang auf die Geldinstitute 267
- Ausstattungsfrage und Postämter 276
- Hamsterkäufe 284
- Mietzins 299
- Kirchen und Friedhöfe 303
- Verlustlisten 318
- Infiltrierendes „Spinnennetz“ 323
- Ausschreitungen 333
- Demonstrationen vor Geschäften 340
- Über die „Sprachbereinigung“ 346
- Modeboykott 354
- Soldaten abseits der Truppe 363
- Neue Wachposten 374
- Arbeiterhilfskorps für Graz und Umgebung 387
- Pfadfinder und Wandervogel 389
- Die „Soldatenspiele“ der Kinder 398
- Diebstahl und Betrug 404
- Verbliebene „Kriegsfreizeit“ 412
- Schlussbetrachtung 423
- Anhang 453