Page - 227 - in Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße
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Präventivzensur | 227
aufreibende“ Erregtheit nicht bremsen. Mitverantwortlich hierfür waren die Zen-
surlücken in der Presse:
„Die Zeitungen wiederholen erläuternd die ersten Siegesberichte und sind peinlich be-
strebt, alles Beunruhigende fernzuhalten; sie haben in ihren Spalten unbedruckte Stel-
len. Da hat die Zensur gestrichen. Zwei Wochen schon wissen wir unsere Südarmee an
den Grenzen Serbiens – und man hört nichts. Unsere Nordarmee steht in Galizien, [...],
aber man weiß nichts Rechtes. Das deutsche Weltheer ist durch Belgien in Frankreich
eingedrungen, [...]. Und jetzt ist es still. In Bangen und Hoffen sind die Nerven gespannt
und seufzen leise auf, wie zu stramm gespannte Saiten, bevor sie reißen ...“487
Präventivzensur
Am 26. Juli 1914 wurde in Cisleithanien die Präventivzensur eingeführt.488 Die
Menschen konnten dies problemlos erkennen. Selbstredend thematisierten auch
die Grazer Zeitungen die lokalen Zensurbestimmungen. Zudem berichteten sie
von den Bestimmungen in anderen Regionen (z. B. in Wien).489 Die Grazerinnen
und Grazer wussten nicht nur über die Zensur der Presse490, der Feldpost491, der
Telegramme492 sowie über die Aufhebung des Briefgeheimnisses493 Bescheid, son-
dern sie erfuhren über den Weg der (präventiv zensierten) Presse auch von der
Existenz des Kriegsüberwachungsamts (KÜA), das dem Kriegsministerium an-
gegliedert war. Aktiviert wurde diese seit Längerem konzipierte Überwachungs-
stelle am 27. Juli 1914 und bereits wenige Tage danach erfolgten ihre ersten Pres-
seaussendungen.494 Die Präventivzensur wurde in Cisleithanien unterschiedlich
gehandhabt. In Graz oblag die Durchführung der Zensur der Staatsanwaltschaft.
Periodische Druckschriften mussten eine Stunde und nicht periodische Druck-
schriften acht Tage vor Erscheinen dem Staatsanwalt vorgelegt werden. In Wien
war es ebenso. In anderen cisleithanischen Kronländern mussten periodische
487 Heimgärtners Tagebuch, in: Heimgarten (1914), Nr. 1, 60.
488 Zum Hintergrund: Kammerhofer (1989), 491–495. Speziell zur Zensur in Tirol: Bürgschwentner
(2014).
489 Präventivzensur in Wien, in: Arbeiterwille, 28.7.1914, 4.
490 Einführung der Präventivzensur, in: Arbeiterwille, 27.7.1914, 1.
491 Feldpostkarten, in: Grazer Mittags-Zeitung, 20.8.1914, 4.
492 Die Behandlung der Telegramme, in: Arbeiterwille, 30.7.1914, 3.
493 Zur Aufhebung des Briefgeheimnisses für Kriegsdauer, in: Grazer Tagblatt, 26.10.1914 (Abend-
ausgabe), 5.
494 Vgl. z. B. ihre Aussendung: An Jedermann!, in: Grazer Tagblatt, 3.8.1914 (Abendausgabe), 6.
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Graz 1914
Der Volkskrieg auf der Straße
- Title
- Graz 1914
- Subtitle
- Der Volkskrieg auf der Straße
- Author
- Bernhard Thonhofer
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln- Weimar
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20569-2
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 510
- Keywords
- Steiermark, Weltkrieg, Styria, Landeshauptstadt, Heimatfront, Kriegsbegeisterung, Burgfrieden
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Rahmenbedingungen 15
- Sarajevoer Attentat und Graz 69
- Vom „Balkanbrand“ 1912/13 69
- Der Begriff „Begeisterung“ in der politischen Sprache 76
- Grazer Gemeinderatswahlkampf 83
- Intensive Julipolemik 88
- Der „Demarche-Rummel“ 99
- Blick nach Ungarn und „Strafexpedition“ 105
- Fallende Börsenkurse 110
- Ultimatum an Serbien 112
- Lokalisierungsfrage 116
- Verregnete Grazer Straßen im Juli 119
- Zur Trauerstimmung 122
- Innenstadt und Bahnhof 135
- Kein Telefonnetz 135
- Abbruch der diplomatischen Beziehungen 138
- Die „patriotischen“ Straßenumzüge 144
- Offengelegte Zeitungspolitik 151
- Unklare Mobilisierungsplakate 154
- Antisozialdemokratischer Demonstrationszug 162
- Grazer „Feldlager“ 166
- Die letzten Tage im Juli 170
- Großbritannien und Italien 176
- Verspätete Zeitungen in der Provinz 185
- Nach dem Truppenabmarsch am 11. August 187
- Abschiedsszenen 194
- Kaiserfeiern rund um den 18. August 206
- Ein „Denkmalfrevel“ 212
- Kriegsdauer, Kriegsausgang und Kriegstechnologie 214
- Erste „Entscheidungsschlachten“ 222
- Präventivzensur 227
- Erste „Soldatenerzählungen“ 234
- Grazer Frauenhilfskomitee 245
- Transportkolonne am Bahnhof 252
- Alltag und Einheitsprüfungen 257
- Arbeitslosigkeit 257
- Andrang auf die Geldinstitute 267
- Ausstattungsfrage und Postämter 276
- Hamsterkäufe 284
- Mietzins 299
- Kirchen und Friedhöfe 303
- Verlustlisten 318
- Infiltrierendes „Spinnennetz“ 323
- Ausschreitungen 333
- Demonstrationen vor Geschäften 340
- Über die „Sprachbereinigung“ 346
- Modeboykott 354
- Soldaten abseits der Truppe 363
- Neue Wachposten 374
- Arbeiterhilfskorps für Graz und Umgebung 387
- Pfadfinder und Wandervogel 389
- Die „Soldatenspiele“ der Kinder 398
- Diebstahl und Betrug 404
- Verbliebene „Kriegsfreizeit“ 412
- Schlussbetrachtung 423
- Anhang 453