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Geographie, Land und Leute
Jemen - Traumhafte Bauten, Wilde Landschaften
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Page - 92 - in Jemen - Traumhafte Bauten, Wilde Landschaften

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REISEBERICHT 92 Außen hatten alle Fenster dieses Palastes profilierte Faschen mit einem zurĂŒckweichenden Feld oberhalb des eigentlichen Fensters in Form eines spĂ€tgotisch wirkenden, relativ breit gezogenen Spitzbogens. Die- ses Element erinnert etwas an die vielen Giebelchen und Segmentbögen ĂŒber den Fenstern historistischer HĂ€user in Europa aus dem spĂ€ten 19. Jh.. Der Ă€ußer- liche Unterschied ist, dass man im Wadi Hadramaut meist keine funktionslosen ost- oder west-römischen Giebelprofile auf die Fassade gemörtelt hat, sondern nur diesen Bogenabschluss aus dem eigenen kulturel- len Kontext. Es sind gewöhnlich geschwungene Spitz- bögen, wie man sie auch im Wadi Hadramaut an wohl allen Moscheen finden kann. Um einen besseren Überblick ĂŒber das Zentrum der Stadt Tarim zu gewinnen, stiegen wir auf eine Schutthalde unter den fast senkrecht aufragenden SeitenwĂ€nden des Wadis, die von mĂ€chtigen Felsen geprĂ€gt wird. Von hier aus hatten wir einen faszinie- renden Blick ĂŒber die Stadt, ĂŒber die ausgedehnten PalmenwĂ€lder in der Umgebung und die vielen ver- lassenen oder nur noch sekundĂ€r genutzten PalĂ€ste, deren Glanz in diesem GrĂŒngĂŒrtel seit langem ver- blasst war. Auch der Blick in die ferneren Teile des Wadis mit seinen hohen, steilen RĂ€ndern und Sei- tenschluchten lohnte den Aufstieg. Besonders fiel uns die Harmonie zwischen der Natur- und der Kultur- landschaft, der Architektur und der umgebenden Frei- rĂ€ume im Wadi auf, die sich durch die Verwendung des Lehms der Umgebung ergibt und auch dadurch, dass die vielen weiß gefĂ€rbten HĂ€user je nach Alter des letzten Anstrichs sich durch die vielen StaubstĂŒr- me mehr oder weniger stark der Farbe des Lehms wieder angenĂ€hert haben. Außerdem ist die Gliederung der Bauten durch ver- tikale StĂŒtzglieder und vor allem durch die hochge- zogenen Fenster vertikal dominiert, was wieder mit der Form der Felsen sehr gut harmoniert. In der Ferne konnten wir nochmals eine mĂ€chtige Festung mit vier runden EcktĂŒrmen auf einem HĂŒgel im Wadi erken- nen, die mich sehr an die marokkanischen Tighremts erinnerte. Den FestungshĂŒgel sollte man vielleicht ein- mal archĂ€ologisch untersuchen, da zu vermuten ist, dass hier im Untergrund die Reste der frĂŒheren Sied- lungen vom alten Tarim liegen, die vielleicht auch bis in die Antike zurĂŒckreichen. Wir stiegen wieder in die Stadt hinunter und durch- querten das heutige Zentrum der Stadt mit seinen gro- ßen und kleineren Moscheen, gepflegten Friedhöfen und vielen PalĂ€sten und WohnhĂ€usern, mit den vielen Kindern, die “surra surra” riefen und damit “Foto, Foto” meinten oder nach Schreibstiften, “gallamm” fragten, die sie fĂŒr die Schule brauchen, und die hier doch Jahre spĂ€ter zufĂ€llig zeigte, bat dieser mich, ihm eine Skizze mit dem Standort des Palastes in Tarim zu zeichnen, was ich gerne tat. Bereits 10 Tage danach war er im Jemen und suchte leider vergeblich in Tarim nach dem Palast und seiner TĂŒr. Er hĂ€tte mich vielleicht mitnehmen sollen. Auch dieser Palast hatte einen Swimmingpool. Im Haus gab es im Untergeschoß große sich nach oben weit öffnende KrĂŒge fĂŒr VorrĂ€te. In den Oberge- schoßen waren die RĂ€ume mit aufwendigen, stark profilierten Gesimsen ausgestattet und hatten auch auf der Decke sorgfĂ€ltig modellierte Reliefs, die poly- chrom gestaltet waren. Die auf die InnenraumflĂ€chen gemalten Bilder mit ihren aus Lehm geformten neo- barocken Rahmen sahen tĂ€uschend echt aus. Einige Flure und TreppenhĂ€user hatten verglaste Fenster, in denen farbige GlĂ€ser, zum Teil ProfilglĂ€ser, zum Teil Klarglas, in den Farben des Biedermeier zum Einsatz kamen. In manchen RĂ€umen war eine feine Stuck- schlĂ€mme auf den Lehmverputz der Innenfassaden aufgetragen und ein relativ hochglĂ€nzender Stucco Lustro mit Marmorierungen erzeugt worden. Vom vierten Stockwerk des Palastes hatte man einen un- glaublich guten Ausblick ĂŒber das Wadi, die Stadt und die Palmenhaine der Oase. Die weiteren Fenster des Palastes entsprachen Fenstern an traditionellen Bauten des Wadi Hadramaut. Bei Fenstern in diesem Bereich des Jemen ist zwischen MĂ€nnerfenstern und Frauenfenstern zu unterscheiden. Viele der Fenster bestehen aus einer großen Ebene mit aus Holz ausgesĂ€gten Gittern, die nach oben hin zwei rechteckige Felder mit einem Jochbogenab- schluss freilassen. Diese Fenster sind fĂŒr die MĂ€nner gedacht. Frauen dĂŒrfen hier nicht hinaussehen, wenn sie, was zu Hause ĂŒblich ist, unverschleiert sind. Bei den FrauengemĂ€chern haben die Fenster unter den zwei Jochbogenfenstern fĂŒr MĂ€nner noch ein drittes, mittig angeordnetes Frauenfenster, das jedoch einen erkerartigen, vergitterten kubischen Vorbau trĂ€gt, aus dem man in drei seitliche Richtungen und nach unten sehen kann, so dass die Frauen u.a. auch senkrecht an der Außenwand hinunter zum Eingang des Hauses sehen können, ohne von dort gesehen zu werden. In- nen sind alle Fenster mit einem Vorhang versehen, der einen gewissen zusĂ€tzlichen Sicht- und Windschutz gewĂ€hrleistet. FĂŒr Staub- und SandstĂŒrme gibt es au- ßerdem noch vertikal zweigeteilte Balken auf der In- nenseite, mit denen die gesamte Maueröffnung dicht verschlossen werden kann. Von außen sehen viele der Frauenfenster mit den jeweils zwei MĂ€nnerfens- tern fast wie die Nase eines Gesichtes aus. Die Joch- bogenfenster sind dabei die Augen, die Gitter unter der Nase Ă€hneln oft einer Reihe ZĂ€hne; ob damit eine Intention verbunden ist, konnte ich nicht herausfinden.
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Jemen Traumhafte Bauten, Wilde Landschaften
Title
Jemen
Subtitle
Traumhafte Bauten, Wilde Landschaften
Author
Hasso Hohmann
Publisher
Verlag der Technischen UniversitÀt Graz
Location
Graz
Date
2019
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-85125-670-3
Size
20.0 x 27.0 cm
Pages
308
Keywords
Vorderasien, arabische Halbinsel, Sanaa, Aden, Architektur
Category
Geographie, Land und Leute

Table of contents

  1. Vorbemerkungen 7
    1. Reisemotive 9
    2. Reiseplanung 12
  2. Einige Tage Ägypten 17
    1. Sakkara 18
    2. Memphis 19
    3. Gizeh 20
    4. Kairo 21
    5. Ägyptisches Nationalmuseum 24
    6. Altstadt von Kairo 25
  3. Reise durch den Jemen 29
    1. Altstadt von Sanaa 33
    2. Kleidung von MĂ€nnern und Frauen 42
    3. Die leichte Droge Kat 56
    4. Marib 60
    5. Die Salayman Ibn Dawud Moschee 73
    6. SĂ€ulen und ihre Kapitelle 74
    7. Flug ins Wadi Hadramaut 78
    8. WasserhÀuser 84
    9. Tarim 86
    10. TĂŒren und ihre hölzernen Fallenschlösser 93
    11. Vergleich mit TĂŒrschlössern auf Tinos 100
    12. Mausoleum in Al Ghurfa 107
    13. Schibam 108
    14. Seiyun 124
    15. Auskragungen und Vorspanneffekte 133
    16. Hureida 139
    17. Hadjarein 142
    18. Chrecher 142
    19. Sif 144
    20. Bienenhaltung in Amphoren 152
    21. Al Mukalla 157
    22. Fahrt nach Aden 165
    23. Aden 168
    24. Taiz 175
    25. Saada 195
    26. Schahara 202
    27. Fahrt nach Sanaa 209
    28. Amran 209
    29. Thulla 213
    30. Kaukaban 218
    31. Kuchlan 224
    32. Al Qurazihah, ein Kral der Tihama 229
    33. Hodeida 233
    34. Zabid 236
    35. Hadjara 242
    36. Rauda 249
    37. Baynun 254
    38. ZurĂŒck entlang des Roten Meeres 268
  4. Siedlungsformen 273
    1. Schibam 273
    2. Hadschara 273
    3. Hadscharain 274
    4. Schahara 274
    5. Al Qurazihah, Afrikanischer Kral im Jemen 275
    6. Aden 276
  5. Bauformen 277
    1. Adobe-LehmhochhÀuser 277
    2. Saada-Lehmbauweise 278
    3. Schaabwa-RiegelwÀnde 278
    4. Steinbauten 284
    5. Vorkrageffekte bei Lehmbauten 284
    6. RundtĂŒrme mit aufgebauten KleinpalĂ€sten 285
  6. Architekturdetails 287
    1. Kuppeln 287
    2. Gurtbögen 287
    3. SĂ€ulen, Pfeiler und ihre Kapitelle 288
    4. Verschachtelungen 288
  7. Apendix
    1. Bibliographie 292
    2. Abbildungsnachweis 294
    3. Anmerkung zu Ortsnamen 295
    4. Glossar 296
    5. Zu den Reisenden 302
    6. Dank des Autors 303
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