Page - 117 - in Jemen - Traumhafte Bauten, Wilde Landschaften
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REISE DURCH DEN JEMEN
117 einmal getrocknet, hat er eine relativ hohe Druckfes-
tigkeit. Die Pisé-Bauweise hat den Vorteil, dass mit
ihr im Vergleich zur Adobe-Bauweise ein deutlich
geringerer Arbeitsaufwand verbunden ist. Man kann
WÀnde in Pisé-Bauweise an den weit auseinander
liegenden Fugen erkennen, solange ein Bau nicht
verputzt ist. Die AbstÀnde zwischen den vertikalen
Fugen liegen meist zwischen 1,20 m und 1,50 m,
können aber seltener auch bis zu 2 m messen, die
AbstÀnde zwischen den horizontalen Fugen liegen
gewöhnlich zwischen 50 cm und 1 m. Die vertika-
len Fugen laufen meist nicht durch, was konstruktiv
gĂŒnstig ist, weil hierdurch eine Art groĂformatiger
Mauerwerksverband zwischen den groĂen Stampf-
lehmfeldern entsteht. In Tarim, Hadjarein und auch in
Sif fanden wir einige Lehmbauten, die möglicherwei-
se in PisĂ©-Bauweise ausgefĂŒhrt waren. Leider lassen
sich Adobe WĂ€nde, die spĂ€ter von einem GerĂŒst
aus in FlÀchenabschnitten von etwa 1,5 m Breite und
von etwa 50 cm Höhe verputzt wurden von einem
echten Pisé-Mauerwerk optisch kaum unterscheiden.
AuĂerdem ist gegebenenfalls nicht auszuschlieĂen,
dass die Pisé-Bauweise erst ab dem 20. Jh. in den
Jemen gekommen ist.
In Schibam wurden aber auch 1991 alle Mauern,
die gerade in Bau waren, immer noch aus Ado-
be-Ziegeln hergestellt. Als âAdobesâ werden getrock-
nete Lehmziegel bezeichnet, die in einer meist hölzer-
nen Form vorgeformt, dann aus dieser gelöst werden
mĂŒssen, um danach getrocknet und schlieĂlich mit
feuchtem Lehmmörtel im Mauerwerk verarbeitet zu
werden. Sehr oft bestehen die Adobe-Ziegel aus
einem Strohlehmgemisch. Das Stroh wirkt dabei wie
eine Art Armierung des Lehms.
Der Name âAdobeâ leitet sich wohl aus der kopti-
schen Sprache ab, in der âtĂŽbeâ der Begriff fĂŒr Ziegel
ist. Man findet Adobe-Ziegel jedenfalls rund um den
Globus, ĂŒberall, wo es entsprechendes Lehmmaterial
gibt und das Klima die Verwendung ungebrannter
Lehmziegel zulÀsst. Heute ist dieser Begriff allgemein
fĂŒr Lehmziegel gebrĂ€uchlich. Die Adobe-Bauweise
ist allerdings wesentlich arbeitsaufwendiger als die
Pisé-Bauweise.
Der Vorteil von Lehmziegeln ist, dass sie viel leichter
sind, als die vergleichbare Kubatur Mauermaterial fĂŒr
eine Pisé-Wand, die aus feuchtem Lehm hergestellt
wird. Bei hohen LehmhÀusern werden daher meist wei-
ter oben jedenfalls Adobes verwendet. Dabei muss
weniger schweres Baumaterial hinaufgetragen werden.
In Marokko werden beide Techniken zur Herstellung
von hohen Mauern miteinander kombiniert. Unten
gibt es Pisé Mauerwerk und ab dem zweiten oder
wirkten aber völlig unterdimensioniert und werden nur
tendenziell eventuell etwas geholfen haben, solange
die Bauten nicht wirklich feucht wurden und sich plas-
tisch zu verformen begannen. Jedenfalls mussten die
HochhÀuser in gewissen AbstÀnden neu errichtet wer-
den. Man vermutet anhand von Grabungen, dass die
Stadt mindestens seit 1700 Jahren besteht und seitdem
HochhÀuser aus Lehm gebaut wurden. ArchÀologen
fanden auch Hinweise auf eine VorgÀngerstadt, die
offenbar bis in die vorchristliche Zeit zurĂŒckgeht.
Bei einem geschÀtzten Durchschnittsalter der einzel-
nen Bauten von ca. 300 Jahren muss seither die ge-
samte Stadt mit allen HochhÀusern schon siebenmal
gebaut worden sein. Das klingt aufwendig. Bedenkt
man aber, dass im 20. Jh. moderne HochhÀuser
in Brasilien fĂŒr eine Lebensdauer von nur 20 Jahren
gebaut wurden, so ist das immerhin fĂŒnfzehnmal so
viel fĂŒr die LehmhochhĂ€user von Schibam. Dennoch
verlassen immer mehr Bewohner die HochhÀuser
und ĂŒberlassen deren Schicksal dem Klima. Die
UNESCO hat gegen diese Entwicklung auch noch
kein Rezept gefunden.
Die ummauerte Altstadt von Schibam hat eine Aus-
dehnung von 233 m auf 367 m. Innerhalb der Wehr-
mauer standen um 1980 noch 437 HochhÀuser, in
denen nach Angaben von Karl-Heinz Bochow und
Lothar Stein noch etwa 7000 Einwohner lebten (Bo-
chow und Stein 1986:31). 1991 waren es nach An-
gaben unseres Gastgebers noch etwa 400 Hoch-
hÀuser, in denen noch 5000 Menschen wohnten.
2007 sollen es nach Angaben der Stadtverwaltung
an die UNESCO ĂŒberhaupt nur noch gut 2000 Ein-
wohner gewesen sein.
Die Bauten wurden wohl ausschlieĂlich aus relativ
schweren, groĂformatigen ungebrannten Strohlehm-
ziegeln im Format von etwa 9 bis 11 cm StÀrke mit
etwa 30 cm Breite und etwa 50 cm LĂ€nge errichtet.
Die Strohbeimengung liefert eine gewisse Armierung
der Ziegel. AuĂerdem bremst das Stroh auch bei
Starkregen die Erosion der AuĂenwĂ€nde. Angesichts
des Verputzes an der OberflÀche war es aber nicht
möglich, die Konstruktionsweise bei vielen Bauten
zu checken. Dies war nur bei einer Baustelle mög-
lich, wo eines der HochhÀuser abgebrochen wurde
und dabei die alten Ziegel zum Teil wieder aus dem
Mauerverband herausgelöst und gestapelt wurden.
Die âPisĂ©-Bauweiseâ ist eine rund um den Globus,
selbst im vorkolumbischen Altamerika bekannte und
gebrÀuchliche Stampflehm-Bauweise, bei der zwi-
schen hölzernen Verschub-Schaltafeln feuchter Lehm,
meist mit etwas eingemischtem Stroh eingebracht
und fest gestampft wird. Ist ein solcher Lehmblock
Jemen
Traumhafte Bauten, Wilde Landschaften
- Title
- Jemen
- Subtitle
- Traumhafte Bauten, Wilde Landschaften
- Author
- Hasso Hohmann
- Publisher
- Verlag der Technischen UniversitÀt Graz
- Location
- Graz
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-85125-670-3
- Size
- 20.0 x 27.0 cm
- Pages
- 308
- Keywords
- Vorderasien, arabische Halbinsel, Sanaa, Aden, Architektur
- Category
- Geographie, Land und Leute
Table of contents
- Vorbemerkungen 7
- Einige Tage Ăgypten 17
- Reise durch den Jemen 29
- Altstadt von Sanaa 33
- Kleidung von MĂ€nnern und Frauen 42
- Die leichte Droge Kat 56
- Marib 60
- Die Salayman Ibn Dawud Moschee 73
- SĂ€ulen und ihre Kapitelle 74
- Flug ins Wadi Hadramaut 78
- WasserhÀuser 84
- Tarim 86
- TĂŒren und ihre hölzernen Fallenschlösser 93
- Vergleich mit TĂŒrschlössern auf Tinos 100
- Mausoleum in Al Ghurfa 107
- Schibam 108
- Seiyun 124
- Auskragungen und Vorspanneffekte 133
- Hureida 139
- Hadjarein 142
- Chrecher 142
- Sif 144
- Bienenhaltung in Amphoren 152
- Al Mukalla 157
- Fahrt nach Aden 165
- Aden 168
- Taiz 175
- Saada 195
- Schahara 202
- Fahrt nach Sanaa 209
- Amran 209
- Thulla 213
- Kaukaban 218
- Kuchlan 224
- Al Qurazihah, ein Kral der Tihama 229
- Hodeida 233
- Zabid 236
- Hadjara 242
- Rauda 249
- Baynun 254
- ZurĂŒck entlang des Roten Meeres 268
- Siedlungsformen 273
- Bauformen 277
- Architekturdetails 287
- Apendix