Page - 120 - in Jemen - Traumhafte Bauten, Wilde Landschaften
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REISEBERICHT
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läufigkeit, wodurch sehr unterschiedliche Raumhöhen
möglich werden. Stufen und Wände werden als
Schutz gegen Abrieb mit Ölfarbe gestrichen. Natür-
lich darf trotzdem niemand die Stufen mit Schuhen
betreten. In dem Haus, in das wir von einem Be-
wohner in Schibam eingeladen wurden und das im
Nordwesten der Stadt lag, war der Empfangsraum
im sechsten Stockwerk. Von hier ging es noch auf
eine Terrasse eines niedrigeren Teiles des Hochhau-
ses und weiter hinauf in die letzten zwei Stockwerke
und zum Dach. Die Räume waren schlicht gestaltet
und ebenfalls mit einer Ölschutzfarbe ausgemalt. Bei
unserem Gastgeber waren das Treppenhaus und
auch viele der Räume in einem glänzenden Blaugrün
gehalten. An einer Wand des Gastraumes hing ein
Bild der großen Moschee in Mekka, das an den
Hadsch, die Wallfahrt in das Zentrum der islami-
schen Welt erinnerte, den zumindest eines der Fami-
schluss ans städtische Wassernetz außen und durch
einen angeketteten Blechbecher ersetzt. Wir gingen
durch das einzige Tor durch die Stadtmauer, das
in einem Rücksprung zwischen etwas niedrigeren
Häusern liegt. Der Torbau verfügt über einen fast
quadratischen Innenhof und hat ein großes Tor mit
zwei großen Torflügeln für Fahrzeuge und ein kleines
Gehtor für die Fußgänger. Abends wurden 1991 die
Tore angeblich noch verschlossen und erst morgens
wieder geöffnet. Nächtliche Besucher mussten also
nachts für das Öffnen des Tores an dieses laut klop-
fen und einen Obolus an den Torhüter abliefern.
In der Stadt fielen neben den unten ausgestellten
Außenwänden und den flach auslaufenden “Füßen”
der Hochhäuser, die ihrem Erscheinungsbild im Stra-
ßenraum fast ein organisches Aussehen verleihen, die
vielen schön geschnitzten Türen der Häuser auf. Die
meisten haben bereits nicht mehr die alten Holzschlös-
ser, sondern Vorhängeschlösser aus Blech oder noch
modernere Verschlusssysteme. Unmittelbar neben
den Eingangstüren haben noch fast alle Hochbauten
die kleinen geschnitzten Miniaturtürchen auf Augen-
höhe, die man öffnen kann und hinter denen sich das
Seil findet, über das man im ganzen Haus läuten
kann. Als Umrahmung der Türen gibt es – ähnlich wie
bei den Fenstern – einen aus dem Strohlehmverputz
modellierten Flachreliefdekor in Form von zurückwei-
chenden Spitzbogenfeldern und eine Art Faschen.
Manche dieser Felder über den Fenstern sind noch
mit vegetabilen Motiven gestaltet. Sonst sind die Fas-
saden glatt verputzt und oft weiß gestrichen. Dieser
Anstrich verstaubt mit der Zeit wieder fast organisch
zur Farbe des Lehms in der Umgebung. Oft sieht
man auch Spuren der Erosion durch Regenwasser,
die vom jeweils letzten großen Regen stammen und
die Fassaden angreifen.
Im Erdgeschoß sind gewöhnlich die häuslichen Nutz-
tiere wie Ziegen, Schafe, Kühe, Kamele oder auch
Pferde untergebracht, darüber liegt meist das Ge-
schoß mit dem Futter für die Tiere – dies kann auch
in einem niedrigeren Zwischengeschoß untergebracht
sein. Bei einigen Häusern konnten wir sehen, dass
die Erdgeschoße sehr hoch ausgebildet sind und auf
einem hohen wohl solide ausgeführten Sockel stehen.
Im nächsten Stockwerk ist oft ein großer Empfangs-
raum für Gäste eingerichtet. Die Frauengemächer sind
meist in den folgenden Stockwerken untergebracht,
wie uns gesagt wurde. Von diesen Stockwerken sieht
man als Besucher nur das Treppenhaus.
Die Treppenhäuser sind meist drei- oder vierläufig
und um einen massiven Treppenhauskern geführt.
In manchen Häusern gibt es sogar innerhalb eines
Treppenhauses einen Wechsel von der Drei- zur Vier- Abb. 121
Alte geschnitzte Holztür, bei der zwischen den
horizontalen Holzstäben doppelaxtförmige
Metallelemente versetzt angebracht wurden. Sie
sollen abwehrenden Charakter haben.
Jemen
Traumhafte Bauten, Wilde Landschaften
- Title
- Jemen
- Subtitle
- Traumhafte Bauten, Wilde Landschaften
- Author
- Hasso Hohmann
- Publisher
- Verlag der Technischen Universität Graz
- Location
- Graz
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-85125-670-3
- Size
- 20.0 x 27.0 cm
- Pages
- 308
- Keywords
- Vorderasien, arabische Halbinsel, Sanaa, Aden, Architektur
- Category
- Geographie, Land und Leute
Table of contents
- Vorbemerkungen 7
- Einige Tage Ägypten 17
- Reise durch den Jemen 29
- Altstadt von Sanaa 33
- Kleidung von Männern und Frauen 42
- Die leichte Droge Kat 56
- Marib 60
- Die Salayman Ibn Dawud Moschee 73
- Säulen und ihre Kapitelle 74
- Flug ins Wadi Hadramaut 78
- Wasserhäuser 84
- Tarim 86
- Türen und ihre hölzernen Fallenschlösser 93
- Vergleich mit Türschlössern auf Tinos 100
- Mausoleum in Al Ghurfa 107
- Schibam 108
- Seiyun 124
- Auskragungen und Vorspanneffekte 133
- Hureida 139
- Hadjarein 142
- Chrecher 142
- Sif 144
- Bienenhaltung in Amphoren 152
- Al Mukalla 157
- Fahrt nach Aden 165
- Aden 168
- Taiz 175
- Saada 195
- Schahara 202
- Fahrt nach Sanaa 209
- Amran 209
- Thulla 213
- Kaukaban 218
- Kuchlan 224
- Al Qurazihah, ein Kral der Tihama 229
- Hodeida 233
- Zabid 236
- Hadjara 242
- Rauda 249
- Baynun 254
- Zurück entlang des Roten Meeres 268
- Siedlungsformen 273
- Bauformen 277
- Architekturdetails 287
- Apendix