Page - 155 - in Jemen - Traumhafte Bauten, Wilde Landschaften
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REISE DURCH DEN JEMEN
155 Die Amphoren von Tinos bestehen aus einem mit
2,5 bis 4 mm sehr dünnwandigen Keramikkörper
mit etwas mehr als einem Meter Länge und in der
Mitte mit etwa 30 cm Durchmesser. Hinten werden
die Amphoren etwas schlanker, sind am Ende abge-
plattet und geschlossen bei einem Durchmesser von
hier etwa 24 cm. Vorne haben sie einen profilierten
Rand, in den ein Deckel eingesetzt werden kann, der
gewöhnlich mit drei oder vier dünnen durch Löcher
im Randprofil der Amphore gesteckte Holzstifte arre-
tiert werden kann. Durch den Deckel führen auf der
einen Hälfte etwa 30 Öffnungen mit etwa 6 bis 7
mm Durchmesser. Das sind Einstiegslöcher, durch die
jedenfalls keine Hornisse passt. Die Deckel wurden
meist so angebracht, dass die Trennung zwischen
der Deckelhälfte mit und jener ohne Einfluglöcher ver-
tikal verlief. In der Mitte des Deckels gibt es einen
runden Griff, mit dessen Hilfe man den Deckel mit
einer Hand halten kann.
Archäologen sagten mir, dass ein Großteil der un-
dekorierten Tonscherben, die man auf den Feldern
im heutigen Griechenland findet, von solchen Am-
phoren für die Bienenhaltung aus der Antike stammt.
Im Altertum soll die Imkerei ein interessantes Zubrot
für die Bauern eingebracht haben. Honig lieferte
den einzigen damals bekannten Süßstoff und war
Grundlage für viele Arzneien und daher sehr be-
gehrt.
Ähnlich, wie die Amphoren von Tinos, sollen auch
die Tonamphoren für Bienen im alten Ägypten ausge-
sehen haben. Hier allerdings waren sie ähnlich wie
im Jemen in Matten als Wärmeisolierung gegen die
Hitze des Tages und die Kälte der Nacht eingewi-
ckelt. In den Nächten kann es in der Wüste sehr kalt
und am Tag extrem heiß werden.
nenhaltung in “Tonamphoren”. Die Bienenvölker leben
dabei stationär untergebracht in den Amphoren, die in
tiefe Mauernischen mit quadratischem Längsprofil ge-
schoben werden, wo sie vor allem im Sommer gegen
die sehr intensive Sonneneinstrahlung geschützt waren
und auch im Winter klimatisch günstigere Verhältnisse
antrafen als draußen in der freien Natur. Früher, als die
Eselsteige auf Tinos noch leichter zu begehen waren,
wurden sie vielleicht auch im Jahresrhythmus an unter-
schiedliche Stellen mit gleichartigen leeren Nischen
gebracht, wenn bestimmte Pflanzen ihre Blütezeiten an
unterschiedlichen Stellen auf der Insel hatten.
Über das gesamte Jahr lebten die Bienenvölker jeden-
falls in solchen Amphoren in den tiefen Nischen von
Mauern, die meist vor den Mauern der Feldterrassen
separat und nur zu diesem Zweck errichtet wurden.
So waren sie relativ kühl und Klima-ausgleichend ge-
lagert. Derartige Amphoren konnte ich in den 80er
Jahren des 20. Jh. noch fotografieren und vermessen.
Bei einigen der Fotos sieht man mehrere Bienen im
Anflug auf eine Amphore und eine andere, wie sie
durch eines der Löcher des fixierten Keramikdeckels
mit rund dreißig kleinen Löchern klettert.
Andere Fotos zeigen auch leere Amphoren sowie
aus ihnen herausgeschnittene kreisrunde Waben
(Hohmann 2012:160-166). Leider konnte ich jedoch
nie einen zu diesen Bienenstöcken gehörigen Imker
zu dieser Art von Bienenhaltung auf Tinos befragen.
Die Amphoren fanden sich in den Feldterrassen weit-
ab von den Dörfern der Insel, wo niemand wohnt
oder befragt werden kann. In der Hauptstadt von Ti-
nos wusste wohl nur der Ethnologe und Lyriker Alekos
Florakis von dieser Art der Bienenhaltung in Ampho-
ren auf seiner Heimatinsel. Allgemein war dies aber
bei den Bewohnern der Insel nicht bekannt.
Abb. 162
Bienenstöcke in der Steinwüste
auf der Hochebene zwischen
Hadramaut und der Südküste
bei Al Mukalla.
Abb. 163
Zwei Beispiele für rezente
Bienenhaltung in ausgehöhlten
Baumstämmen in Äthiopien
im 20. Jh.. In beiden Fällen
wurden die Stämme mit wär-
medämmenden Matten gegen
Hitze bei Sonnenbestrahlung
umwickelt. Beim rechten ist
der Deckel als Verschluss des
Bienenstockes sichtbar.
Jemen
Traumhafte Bauten, Wilde Landschaften
- Title
- Jemen
- Subtitle
- Traumhafte Bauten, Wilde Landschaften
- Author
- Hasso Hohmann
- Publisher
- Verlag der Technischen Universität Graz
- Location
- Graz
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-85125-670-3
- Size
- 20.0 x 27.0 cm
- Pages
- 308
- Keywords
- Vorderasien, arabische Halbinsel, Sanaa, Aden, Architektur
- Category
- Geographie, Land und Leute
Table of contents
- Vorbemerkungen 7
- Einige Tage Ägypten 17
- Reise durch den Jemen 29
- Altstadt von Sanaa 33
- Kleidung von Männern und Frauen 42
- Die leichte Droge Kat 56
- Marib 60
- Die Salayman Ibn Dawud Moschee 73
- Säulen und ihre Kapitelle 74
- Flug ins Wadi Hadramaut 78
- Wasserhäuser 84
- Tarim 86
- Türen und ihre hölzernen Fallenschlösser 93
- Vergleich mit Türschlössern auf Tinos 100
- Mausoleum in Al Ghurfa 107
- Schibam 108
- Seiyun 124
- Auskragungen und Vorspanneffekte 133
- Hureida 139
- Hadjarein 142
- Chrecher 142
- Sif 144
- Bienenhaltung in Amphoren 152
- Al Mukalla 157
- Fahrt nach Aden 165
- Aden 168
- Taiz 175
- Saada 195
- Schahara 202
- Fahrt nach Sanaa 209
- Amran 209
- Thulla 213
- Kaukaban 218
- Kuchlan 224
- Al Qurazihah, ein Kral der Tihama 229
- Hodeida 233
- Zabid 236
- Hadjara 242
- Rauda 249
- Baynun 254
- Zurück entlang des Roten Meeres 268
- Siedlungsformen 273
- Bauformen 277
- Architekturdetails 287
- Apendix