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gung, dass nicht genau definiert sei, was Kompetenzorientierung für den Ge-
schichtsunterricht bedeuten würde. Lehrpersonen erwähnen ebenso, dass der
Wille, sich diesbezüglich weiterzubilden, nicht besonders ausgeprägt sei. Es gibt
Lehrer/innen, die befürchten, dass die Unklarheit, welche hinsichtlich des Kon-
zeptes herrschen würde, die Gefahr in sich birgt, dass der Paradigmenwechsel
hin zu historischem Denken scheitert.
Ein anderer Befund, der darauf hinweist, dass das FUER-Kompetenzmo-
dell des historischen Denkens noch wenig bis zu den Überzeugungen der Leh-
rer/innen durchgedrungen ist, ist die Tatsache, dass der Begriff „historisches
Denken“ in den gesamten Interviews von keiner Lehrperson erwähnt wurde.
Am stärksten wirkt allerdings der Befund, dass die im Lehrplan 2008 genann-
ten historischen Kompetenzbereiche in den Interviews fast gar nicht erwähnt
wurden (insgesamt neun Mal in einem fachspezifischen Verständnis), während
fachunspezifische Kompetenzen auf das Ausführlichste besprochen wurden (ins-
gesamt mehr als 1.000 Fundstellen für den Begriff „Kompetenz“ in den Inter-
viewtexten). Dabei wurden allen voran auf Sprache bezogene Kompetenzen
(z. B. die Lesekompetenz), aber auch soziale und gesellschaftliche Kompetenzen
sowie auf neue Medien bezogene Kompetenzen (Computerkompetenz) von den
interviewten Lehrpersonen im Zusammenhang mit Geschichtsunterricht be-
sprochen. Das Kompetenzverständnis der interviewten Geschichtslehrpersonen
ist damit großteils fachunspezifisch, was zeigt, dass die vom Lehrplan von 2008
angeführten fachspezifischen Kompetenzen des historischen Denkens das Kom-
petenzverständnis der Lehrpersonen nur wenig beeinflusst hat. Dieser Befund
bestätigt und vertieft existierende geschichtsdidaktische Forschungsergebnisse
von Pichler in Österreich425 und in der Schweiz, wo in einer Studie auch nur we-
nig fachspezifisches Denken festgestellt wurde426, und zeigt die Bedeutung der
weltweit unternommenen Versuche, das Fach stärker domänenspezifisch zu pro-
filieren.427
425 Vgl. Pichler 2016.
426 Vgl. Waldis u. a. 2014.
427 Hier sei eine kleine Auswahl an Beiträgen diesbezüglich angeführt: Für Österreich vgl.
Kühberger 2015; Kühberger 2013; Mittnik 2011; Bramann u. a. 2018; Buchberger, Wolf-
gang/Kühberger, Christoph (2013): Computerspiele und Geschichtsunterricht. Dyna-
mische digitale Spielwelten kritisch hinterfragen. In: Historische Sozialkunde 4, S.
36 – 44.
Für die Schweiz vgl. Nitsche 2016, 2017; Waldis u. a. 2014; Gautschi 2006, 2009.
Für Deutschland vgl. unter vielen anderen Körber u. a. 2007; Kanert, Georg/Resch, Mario
(2014): Erfassung geschichtsdidaktischer Wissensstrukturen von Geschichtslehrkräften
anhand eines vignettengestützten Testverfahrens. In: Zeitschrift für Geschichtsdidaktik
13, S. 15 – 31; Thünemann 2012, 2018; Thünemann, Holger (2013): Historische Lern-
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Von PISA nach Wien
Historische und politische Kompetenzen in der Unterrichtspraxis
Empirische Befunde aus qualitativen Interviews mit Lehrkräften
- Title
- Von PISA nach Wien
- Subtitle
- Historische und politische Kompetenzen in der Unterrichtspraxis
- Author
- Roland Bernhard
- Publisher
- WOCHENSCHAU Verlag
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7344-1234-9
- Size
- 14.8 x 21.0 cm
- Pages
- 284
- Category
- Lehrbücher
Table of contents
- Vorwort 5
- 1. Einleitung 9
- 2. Theoretischer Rahmen und Forschungsfragen 15
- 2.1 Historisches Denken im Geschichtsunterricht – normative Aspekteund die Lehrplanreform hin zu Kompetenzorientierung 2008 15
- 2.2 Berufsbezogene Überzeugungen 26
- 2.3 Forschungsfragen 36
- 2.4 Literaturübersicht 38
- 2.4.1 Kategorien der Literaturübersicht 38
- 2.4.2 Forschung zu epistemologischen und kontextbezogenenÜberzeugungen von Geschichtslehrpersonen 40
- 2.4.3 Diskussion der Literaturübersicht 71
- 3. Forschungsdesign und Methode 77
- 4. Ergebnisse 113
- 6. Fazit 215
- 7. Literaturverzeichnis 233
- 8. Abbildungsverzeichnis 253
- 9. Tabellenverzeichnis 254
- 10. Abkürzungsverzeichnis 255
- 11. Personenverzeichnis 256
- Anhang 1: Fragebogen für Geschichtslehr personen,der anhand der qualitativen Studie konstruiert wurde 260
- Anhang 2: Anhang Anschreiben an Schulen und Lehrpersonen 277