Page - 210 - in Von PISA nach Wien - Historische und politische Kompetenzen in der Unterrichtspraxis
Image of the Page - 210 -
Text of the Page - 210 -
210
De Wever434 wurde fĂŒr die Geschichtsdidaktik mit Nachdruck darauf verwiesen,
dass die Ăberzeugungen von Lehrpersonen hochgradig kontextabhĂ€ngig sind,
das heiĂt, dass sowohl der institutionelle und gesellschaftliche als auch der ein-
zelschulische Kontext der Geschichtslehrpersonen eine zentrale Rolle spielen.
Dieser Befund wird in der vorliegenden Arbeit bestĂ€tigt. FĂŒr das VerstĂ€ndnis von
und den Einstellungen zu historischer Kompetenzorientierung (historischem
Denken) in Ăsterreich sind auĂerhistorisch-bildungspolitische und einzelschu-
lische Kontexte von immenser Bedeutung.
In den Neuen Mittelschulen wurde ein besonders starker Einfluss auf die
Konstruktion eines fachunspezifischen KompetenzverstÀndnisses der Ge-
schichtslehrpersonen durch schulinterne und bildungspolitische Vorgaben deut-
lich. In vielen Neuen Mittelschulen werden âkompetenzorientierte Jahrespla-
nungenâ gemeinsam mit der Direktion durchgefĂŒhrt und es wird in diesem
Zusammenhang verlangt, dass der Geschichtsunterricht aufbauend auf fachun-
spezifische Kompetenzen (wie muttersprachliche Kompetenz, Sozialkompetenz
oder Computerkompetenz) geplant wird (vgl. dazu SchlĂŒsselqualifikationen, Eu-
ropass). Hier zeigt sich, dass es nicht verwundern darf, wenn Lehrpersonen in
einem Interview ĂŒber Kompetenzorientierung im Geschichtsunterricht mit
fachunspezifischen Kompetenzen argumentieren, wenn in deren Schule durch
die Direktion und auf höheren Ebenen der Bildungspolitik fĂŒr den Geschichts-
unterricht die Anbahnung von âfremdsprachlicherâ Kompetenz, âEigeninitiati-
veâ und anderer fachunspezifischer Konstrukte verordnet wird. Dies ist ein zen-
traler Befund der vorliegenden Arbeit, da hier eine strukturelle Schwachstelle
offenbar wird, welche verhindert, dass sich in Neuen Mittelschulen ein domÀ-
nenspezifisches Kompetenzmodell im Geschichtsunterricht durchsetzen kann.
WÀhrend Lehrpersonen nÀmlich innerhalb der Geschichtsdidaktik in ver-
schwindend geringen Dosierungen mit einem oder mehreren fachspezifischen
Modellen konfrontiert werden, ist ein fachunspezifischer Diskurs zu Kompeten-
zen in vielen Bereichen gegenwÀrtig. Mit Pichler435 kann gesagt werden, dass
historische Kompetenzorientierung kaum verstanden wird und fĂŒr die Neuen
Mittelschulen sei hier noch erweiternd angenommen, dass sich in der derzeiti-
gen Konstellation und unter den derzeitigen Voraussetzungen fachspezifische
Kompetenzen im Geschichtsunterricht nicht durchsetzen werden. Es muss
ĂŒberlegt werden, wie damit umzugehen ist (siehe dazu das Fazitkapitel dieser
Arbeit).
434 Vgl. Maggioni 2010, S. 333; Voet/De Wever 2016, S. 66.
435 Vgl. Pichler 2016.
back to the
book Von PISA nach Wien - Historische und politische Kompetenzen in der Unterrichtspraxis"
Von PISA nach Wien
Historische und politische Kompetenzen in der Unterrichtspraxis
Empirische Befunde aus qualitativen Interviews mit LehrkrÀften
- Title
- Von PISA nach Wien
- Subtitle
- Historische und politische Kompetenzen in der Unterrichtspraxis
- Author
- Roland Bernhard
- Publisher
- WOCHENSCHAU Verlag
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7344-1234-9
- Size
- 14.8 x 21.0 cm
- Pages
- 284
- Category
- LehrbĂŒcher
Table of contents
- Vorwort 5
- 1. Einleitung 9
- 2. Theoretischer Rahmen und Forschungsfragen 15
- 2.1 Historisches Denken im Geschichtsunterricht â normative Aspekteund die Lehrplanreform hin zu Kompetenzorientierung 2008 15
- 2.2 Berufsbezogene Ăberzeugungen 26
- 2.3 Forschungsfragen 36
- 2.4 LiteraturĂŒbersicht 38
- 2.4.1 Kategorien der LiteraturĂŒbersicht 38
- 2.4.2 Forschung zu epistemologischen und kontextbezogenenĂberzeugungen von Geschichtslehrpersonen 40
- 2.4.3 Diskussion der LiteraturĂŒbersicht 71
- 3. Forschungsdesign und Methode 77
- 4. Ergebnisse 113
- 6. Fazit 215
- 7. Literaturverzeichnis 233
- 8. Abbildungsverzeichnis 253
- 9. Tabellenverzeichnis 254
- 10. AbkĂŒrzungsverzeichnis 255
- 11. Personenverzeichnis 256
- Anhang 1: Fragebogen fĂŒr Geschichtslehr personen,der anhand der qualitativen Studie konstruiert wurde 260
- Anhang 2: Anhang Anschreiben an Schulen und Lehrpersonen 277