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le, die sich positiv gegenüber der Kompetenzorientierung äußerte528, meinte, dass
das kritische Denken in ihrem Unterricht keine Rolle spielen wĂĽrde: I-N6_f:
„EsÂ
ist verlorene Zeit, die kann man besser nützen, diese Zeit, ja.“ Auf der ande-
ren Seite gibt es Lehrkräfte, denen kritisches Denken sehr wichtig ist, die aber
historische Kompetenzorientierung dennoch entschieden ablehnen.529 Das An-
bahnen der Fähigkeit, historische Darstellungen kritisch zu hinterfragen, verbin-
det die entsprechende Lehrperson nicht mit Kompetenzorientierung.530 Die
Einstellung dieser Lehrperson hinsichtlich Kompetenzorientierung bzw. dem,
was sie darunter versteht, ist „sehr negativ“: I-A13_m: „Das ist doch alles
Schwachsinn.“ In diesem Sinne fiel auf, dass sich Lehrpersonen bisweilen gegen
Kompetenzorientierung positionierten (I-N9_f „Bla, bla, bla“) und dann den
Aufbau von solchen Fähigkeiten als besonders wichtig beschrieben, die gerade
auch im Rahmen der fachspezifischen Kompetenzorientierung als zentral gese-
hen werden – beispielsweise De-Konstruktionskompetenz im Zusammenhang
mit historischen Darstellungen. Dennoch ist es dieser Lehrperson nicht bewusst,
dass es sich hierbei um historische Kompetenzen handelt. Solche Beispiele mö-
gen vor Augen fĂĽhren, dass das Kompetenzmodell des historischen Denkens
durchaus das Potenzial hätte, den Unterricht von Lehrpersonen in einer Weise zu
bereichern, die ihren zentralen Zielen entspricht. Hierbei zeigt sich abermals das
am Beginn des Fazits angesprochene Grundproblem, welches in der Unkenntnis
des fachspezifischen Kompetenzmodells vonseiten der Lehrpersonen bzw. der
wenig gelungenen Kommunikation desselben an die Lehrpersonen besteht.
Wie an anderer Stelle gezeigt, ist der Wille zum historischen Denken teil-
weise in den berufsbezogenen Ăśberzeugungen der Lehrpersonen vorhanden
(wenn auch epistemische Fragen im Zusammenhang mit dem Unterrichten von
Geschichte als Interpretation eine sehr untergeordnete Rolle spielen)Â
– das feh-
lende Verständnis der historischen Kompetenzen und die kontextbezogenen
Ăśberzeugungen hinsichtlich Kompetenzorientierung verhindern jedoch oft ei-
528 I-N6_f: „Mir helfen diese Kompetenzen insofern, als dass ich wieder einmal daran erin-
nert werde, was nicht noch alles geht […] Und jetzt sehe ich die Kompetenzen: Hey,
nehme ich mit, nehme ich mit. Hole ich wieder herein. Es ist ein Sich-daran-Erinnern.
Und somit wunderbar, herein, ihr Kompetenzen! Willkommen, willkommen im Boot.“
529 I-A13_m: „Also diese Kritikfähigkeit und diese Neugierde sind meiner Meinung nach
die zwei wesentlichen oder Kernpunkte.“
530 I-A13_m: I: „Also Sie verbinden jetzt/Sie haben am Anfang gesagt, Ihnen ist total wich-
tig, ein kritisches Reflektieren von den SchĂĽlern. Das verbinden Sie nicht mit Kompe-
tenzorientierung? B: Nicht in der Form, wie wir es jetzt, speziell, also im Hinblick auf
die Matura präsentiert bekommen haben, gelehrt bekommen haben oder gezeigt bekom-
men haben. Also das nicht.“
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book Von PISA nach Wien - Historische und politische Kompetenzen in der Unterrichtspraxis"
Von PISA nach Wien
Historische und politische Kompetenzen in der Unterrichtspraxis
Empirische Befunde aus qualitativen Interviews mit Lehrkräften
- Title
- Von PISA nach Wien
- Subtitle
- Historische und politische Kompetenzen in der Unterrichtspraxis
- Author
- Roland Bernhard
- Publisher
- WOCHENSCHAU Verlag
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7344-1234-9
- Size
- 14.8 x 21.0 cm
- Pages
- 284
- Category
- LehrbĂĽcher
Table of contents
- Vorwort 5
- 1. Einleitung 9
- 2. Theoretischer Rahmen und Forschungsfragen 15
- 2.1 Historisches Denken im Geschichtsunterricht – normative Aspekteund die Lehrplanreform hin zu Kompetenzorientierung 2008 15
- 2.2 Berufsbezogene Ăśberzeugungen 26
- 2.3 Forschungsfragen 36
- 2.4 LiteraturĂĽbersicht 38
- 2.4.1 Kategorien der LiteraturĂĽbersicht 38
- 2.4.2 Forschung zu epistemologischen und kontextbezogenenĂśberzeugungen von Geschichtslehrpersonen 40
- 2.4.3 Diskussion der LiteraturĂĽbersicht 71
- 3. Forschungsdesign und Methode 77
- 4. Ergebnisse 113
- 6. Fazit 215
- 7. Literaturverzeichnis 233
- 8. Abbildungsverzeichnis 253
- 9. Tabellenverzeichnis 254
- 10. AbkĂĽrzungsverzeichnis 255
- 11. Personenverzeichnis 256
- Anhang 1: Fragebogen fĂĽr Geschichtslehr personen,der anhand der qualitativen Studie konstruiert wurde 260
- Anhang 2: Anhang Anschreiben an Schulen und Lehrpersonen 277