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20 | Einführung
Befundung hinausreichen. So erklären sich Großformen und Proportionen vieler Mö-
bel aus den vorgegebenen architektonischen Gegebenheiten. Das Chorgestühl der
Melker Stiftskirche (Farbtaf. 15, 16 ; Abb. 225–227) oder das Möbelensemble in der
Sakristei zu Altenburg (Abb. 102–104) mögen hierfür als besonders anschauliche Bei-
spiele dienen, handelt es sich bei ihnen doch um wandfeste Ausstattungen. Angefertigt
für einen vorgegebenen Raum, wären ihre Formen in einem fremden Ambiente kaum
zu verstehen. Ähnliches trifft für einen der Beichtstühle in der Abteikirche zu Wilhe-
ring zu (Abb. 394, 395). Formenvokabular und Detailmotive der Schnitzarbeiten des
Möbels stimmen mit den Stuckverzierungen des Kirchengewölbes in so erstaunlicher
Weise überein, dass der Verdacht aufkeimt, Bildschnitzer und Stuckkünstler hätten
sich bei der Herstellung ihrer Arbeiten derselben Vorlagen bedient. In Museen prä-
sentierte Sakralmöbel lassen den Betrachter kaum zu solchen Einsichten gelangen.
Meist in einem neutralen Umfeld präsentiert, vermitteln diese Exponate nur selten
den räumlichen und funktionalen Zusammenhang, für den sie einst gefertigt worden
waren.16
Die Qualität der im vorliegenden Katalog beschriebenen Interieurs reicht von einfa-
chen, in kleinen Dorfschreinereien gefertigten Möbeln bis hin zu außergewöhnlichen
Ensembles aus Tischlereien, die auf sehr hohem Niveau arbeiteten. Nach der Vertrei-
bung der osmanischen Heere aus den Gebieten des heutigen Österreichs, aus Ungarn
und aus der nördlichen Balkanregion sowie durch die zunehmende Konzentration von
Regierungsbehörden in Wien entwickelte sich die Residenzstadt seit dem ausgehenden
17.
Jahrhundert immer mehr auch zur eigentlichen Hauptstadt des Habsburgerreiches,
was einen massiven Zuzug von Angehörigen der Aristokratie aus weiten Teilen Euro-
pas zur Folge hatte. Weltkirchen und Klöster der Stadt wurden mit Kunstwerken aller
Art bestiftet, entsprechend anspruchsvoll sind die jeweiligen Ausstattungen.17 Teil-
weise brachte der Hochadel überdies enorme finanzielle Mittel auf, um Sakralgebäude
völlig neu zu errichten. Die prominentesten Beispiele hierfür liegen vielleicht mit dem
Bau der Wiener Karlskirche nach 1716 und der Umgestaltung der Klostertrakte des
Stiftes Klosterneuburg im vierten Jahrzehnt des 18.
Jahrhunderts vor. Die Arbeiten an
den beiden Sakralanlagen wurden auf Veranlassung Kaiser Karls VI. (1685–1740) in
die Wege geleitet.18 Zudem sahen sich die Prälaten großer landständischer Abteien
16 Abgesehen davon dient die für die Untersuchung gewählte methodische Vorgehensweise zumindest
mittelbar dem Schutz der Objekte, da ihr kunstgeschichtlicher und volkskundlicher Wert hervorgeho-
ben wird. Dass das notwendig ist, belegt eindrucksvoll eine Untersuchung von Franz Wagner zu »Res-
taurierungen« von Laiengestühlen in österreichischen Kirchen. Wagner, Kirchenbänke (2000).
17 Erwähnt sei hier nur der sogenannte Kreuzaltar in der Pietàkapelle der Kapuzinerkirche, den Kaiserin
Eleonore Magdalena (1655–1720) 1707 stiftete.
18 Zur Karlskirche und zum Stift Klosterneuburg vgl. die entsprechenden Kapitel im Buch. Ein weiteres
Sakralmöbel aus Österreich
Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus, Volume I: Östliche Landsteile
- Title
- Sakralmöbel aus Österreich
- Subtitle
- Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus
- Volume
- I: Östliche Landsteile
- Author
- Michael Bohr
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20512-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 730
- Keywords
- Baroque, applied arts, church furnishings, Barock, Kunsthandwerk, Sakralmöbel
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Teil 1 Vorbemerkungen
- Teil 2 Grundlegendes
- I. Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und Tischlerarbeiten 31
- Zur Barockisierung von Weltkirchen und Klöstern 31
- Tischlerwerkstätten in Wien 33
- Tischlerwerkstätten auf dem Land 36
- Zur Größe der Werkstätten 40
- Zur Zusammenarbeit von Tischlern mit andern Handwerkern 41
- Zur Beschaffung des benötigten Holzes 43
- Zur Qualität des Holzes und zum System der Vergütung von Tischlern 43
- Nachlassende Qualität der Tischlererzeugnisse im fortgeschrittenen 18. Jahrhundert 46
- Zu den verwendeten Materialien 48
- Zur Oberflächenveredelung und Restaurierung 51
- Exkurs : Technische Innovationen als Grundlage der Entwicklung neuer Gestaltungsformen 55
- II. Gestaltungsfragen, Stilformen und Ornamente 58
- III. Die Entwicklung des Kirchenmobiliars 81
- IV. Sakristeien 101
- Ihre Lage innerhalb des Raumgefüges 101
- Der Klosterplan von St. Gallen und frühe Sakristeimöbel 102
- Zur Funktion von Sakristeien, barocke Sakristeieinrichtungen und die Schriften von Carlo Borromeo und Jacob Müller 104
- Altäre und Scheinaltäre 104
- Lavabos 106
- Sakristeischränke und Ankleidekredenzen 107
- Zur Entwicklungsgeschichte der Sakristeischränke 110
- Ankleidetische und Tischkästen 111
- Truhen und Truhenbänke 113
- Beichtstühle 115
- Betpulte, Kniebänke und Bankpulte 116
- V. Mobiliar in Nebenräumen von Kirchen und Klöstern 118
- VI.Zur Hierarchie von Räumen und Möbeln 127
- I. Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und Tischlerarbeiten 31
- Teil 3 Katalog – Beiträge zu den Sakralanlagen – Tafeln
- Hinweise 133
- Hinweise zu Provenienzen, Datierungen und Materialien 133
- Hinweise zu den angegebenen Maßen 133
- Hinweise zu den zitierten Schriftquellen 134
- I. Sakralbauten in Wien 135
- II. Sakralbauten in Niederösterreich 247
- Altenburg, Benediktinerstift 247
- Ardagger, Pfarrkirche hl. Margarete 260
- Dürnstein, Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt 264
- Geras, Prämonstratenser-Chorherrenstift 283
- Göttweig, Benediktinerstift 294
- Heiligenkreuz, Zisterzienserstift 315
- Herzogenburg, Augustiner-Chorherrenstift 335
- Horn, Piaristenkirche 347
- Klosterneuburg, Augustiner-Chorherrenstift 352
- Krems, Piaristenkirche 367
- Krems, Pfarrkirche St. Veit 380
- Lilienfeld, Zisterzienserstift 386
- Melk, Benediktinerstift 408
- St. Marein, Pfarrkirche hl. Maria 434
- St. Pölten, Dom- und Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 436
- Seitenstetten, Benediktinerstift 452
- Wiener Neustadt, Zisterzienserstift Neukloster 466
- Zwettl, Zisterzienserstift 477
- III. Sakralbauten in Oberösterreich 500
- Baumgartenberg, Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 500
- Kremsmünster, Benediktinerstift 512
- Lambach, Benediktinerstift 534
- Linz, Jesuitenkirche (Alter Dom) 551
- Linz, Karmelitenkloster 566
- Linz, Seminarkirche Hl. Kreuz 572
- St. Florian, Augustiner-Chorherrenstift 580
- Schlägl, Prämonstratenser-Chorherrenstift 607
- Schlierbach, Zisterzienserstift 621
- Waldhausen, Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 631
- Wilhering, Zisterzienserstift 638
- Teil 4 Zusammenfassung und Ausblick – Glossar – Verzeichnisse –
- Literatur
- Zusammenfassung und Ausblick 659
- Zum Aufbau des Buchs 659
- Historischer Abriss 660
- Entwicklungsgeschichte der Kirchenmöbel 661
- Zur Einrichtung verschiedener Räume in Kirchen und Klöstern 662
- Zur Hierarchie sakraler Einrichtungen 663
- Die Auftraggeber und ihr Einfluss auf die Kunstentwicklung 663
- Zum Verhältnis zwischen Auftraggebern, Architekten und Handwerkern 665
- Zu den Tischlern 665
- Stilistische Entwicklung der Möbel 666
- Regionale Besonderheiten 667
- Fazit und Ausblick 668
- Glossar 670
- Ortsindex 678
- Künstlerverzeichnis 682
- Abkürzungsverzeichnis 688
- Abbildungsnachweis 692
- Literaturverzeichnis 693