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42 | Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und Tischlerarbeiten
Manchmal traten die Tischler als Hauptverantwortliche auf und verdingten Bildschnit-
zer und Schmiede als »Subunternehmer«, manchmal bestimmten auch Äbte selbst die
benötigten Meister, wie das beispielweise aus den Unterlagen zur Ausstattung der
Sommersakristei des Stiftes Melk hervorgeht (Abb. 216–218). Der Vertrag, den Abt
Dietmayr Anfang Mai 1701 mit Bogner über die Verfertigung der Tischlerarbeiten
aushandelte, sah vor, dass der Tischler einen von ihm gewählten Bildschnitzer mit den
Schnitzarbeiten beauftragen sollte. Dem Abt oblag es dagegen, Schmied und Vergolder
zu bestimmen.49 In der Folge änderte Dietmayr jedoch die Modalitäten der Auftrags-
vergabe, denn im folgenden Jahr, im Mai 1702, schloss er selbst einen Kontrakt mit
dem Wiener hofbefreiten Bildhauer Michael Joseph Hegenwald (1666–1722), der Ad-
ler und andere Zierornamente für die Sakristei zu fertigen hatte. Welche Gründe die
Änderung des Vertrags mit Bogner als ratsam erscheinen ließen, bleibt ungewiss.
In Verbindung mit Inventarstücken aus Göttweiger Besitz kann die Zusammenar-
beit zwischen Tischler und Bildschnitzer mehrfach archivalisch nachgewiesen werden.
Der Tischler des Stiftes, Franz Anton Staudinger, fertigte 1743 einen Prunkspiegel,
den er dem Bildhauer Johann Schmidt (1684–1761) zur Auszier mit Schnitzarbeiten
überließ, und baute 1765 für das Reliquiar des heiligen Altmann ein Tischgestell, das
wahrscheinlich Anton Caccon (Caccion ; 1742–1811) mit Schnitzarbeiten vervollstän-
digte.50 Bekannt ist ferner, dass der Bildhauer Johann Andreas Handschuech im frühen
18. Jahrhundert in Göttweig Sesselgestelle überarbeitete.51 Möbelstücke, die in der
Literatur häufig als »Bildhauermöbel« bezeichnet werden, entstanden also keineswegs
immer im Atelier eines Bildhauers. Vielmehr werden sie häufig in der Werkstatt eines
Tischlers vorgefertigt worden sein, der sie dann zur Vollendung einem Bildschnitzer
abtrat. Ein weiteres Beispiel für solch eine Zusammenarbeit liefert das Chorgestühl
der Pfarrkirche St. Veit in Krems (Abb. 190, 191). Dort war der Bildhauer und Archi-
tekt Joseph Matthias Götz (1696–1760) mit dem Bau des Hauptaltars für die Kirche
beschäftigt, als er 1735 vom Inneren Rat der Stadt den Auftrag erhielt, zusätzlich das
Gestühl zu liefern. Götz fertigte jedoch nur die für das Dorsale benötigten Reliefbilder
und den Schnitzaufsatz, während er den hölzernen Rahmen mit Sitzen und Brüstung
vom örtlichen Tischlermeister Joseph Gratwohl bauen ließ.
Die Auftragsvergabe durch Klöster an außenstehende Handwerker lässt sich mit-
hilfe erhaltener Verträge und Zahlungsbelege vielfach nachweisen, relevante Archiva-
Hoftischler und Hofbildhauer Johann Diestler (nachgew. 1668–1684). Dazu auch Sangl, Hofschreiner-
handwerk (1990), bes. 51–54, sowie den zweiten Band der Untersuchung.
49 Hierzu das Kapitel zum Stift Melk.
50 Neunhundert Jahre Göttweig (1983), 69–72 ; Bohr, Göttweig (2009), 517–518, Abb. 5 ; ders., Handwer-
kersaläre (2011), 349–352, Abb. 5. Die Beiträge mit ergänzenden Literaturhinweisen.
51 Ritter, Forschungsergebnisse (1961), 82.
Sakralmöbel aus Österreich
Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus, Volume I: Östliche Landsteile
- Title
- Sakralmöbel aus Österreich
- Subtitle
- Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus
- Volume
- I: Östliche Landsteile
- Author
- Michael Bohr
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20512-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 730
- Keywords
- Baroque, applied arts, church furnishings, Barock, Kunsthandwerk, Sakralmöbel
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Teil 1 Vorbemerkungen
- Teil 2 Grundlegendes
- I. Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und Tischlerarbeiten 31
- Zur Barockisierung von Weltkirchen und Klöstern 31
- Tischlerwerkstätten in Wien 33
- Tischlerwerkstätten auf dem Land 36
- Zur Größe der Werkstätten 40
- Zur Zusammenarbeit von Tischlern mit andern Handwerkern 41
- Zur Beschaffung des benötigten Holzes 43
- Zur Qualität des Holzes und zum System der Vergütung von Tischlern 43
- Nachlassende Qualität der Tischlererzeugnisse im fortgeschrittenen 18. Jahrhundert 46
- Zu den verwendeten Materialien 48
- Zur Oberflächenveredelung und Restaurierung 51
- Exkurs : Technische Innovationen als Grundlage der Entwicklung neuer Gestaltungsformen 55
- II. Gestaltungsfragen, Stilformen und Ornamente 58
- III. Die Entwicklung des Kirchenmobiliars 81
- IV. Sakristeien 101
- Ihre Lage innerhalb des Raumgefüges 101
- Der Klosterplan von St. Gallen und frühe Sakristeimöbel 102
- Zur Funktion von Sakristeien, barocke Sakristeieinrichtungen und die Schriften von Carlo Borromeo und Jacob Müller 104
- Altäre und Scheinaltäre 104
- Lavabos 106
- Sakristeischränke und Ankleidekredenzen 107
- Zur Entwicklungsgeschichte der Sakristeischränke 110
- Ankleidetische und Tischkästen 111
- Truhen und Truhenbänke 113
- Beichtstühle 115
- Betpulte, Kniebänke und Bankpulte 116
- V. Mobiliar in Nebenräumen von Kirchen und Klöstern 118
- VI.Zur Hierarchie von Räumen und Möbeln 127
- I. Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und Tischlerarbeiten 31
- Teil 3 Katalog – Beiträge zu den Sakralanlagen – Tafeln
- Hinweise 133
- Hinweise zu Provenienzen, Datierungen und Materialien 133
- Hinweise zu den angegebenen Maßen 133
- Hinweise zu den zitierten Schriftquellen 134
- I. Sakralbauten in Wien 135
- II. Sakralbauten in Niederösterreich 247
- Altenburg, Benediktinerstift 247
- Ardagger, Pfarrkirche hl. Margarete 260
- Dürnstein, Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt 264
- Geras, Prämonstratenser-Chorherrenstift 283
- Göttweig, Benediktinerstift 294
- Heiligenkreuz, Zisterzienserstift 315
- Herzogenburg, Augustiner-Chorherrenstift 335
- Horn, Piaristenkirche 347
- Klosterneuburg, Augustiner-Chorherrenstift 352
- Krems, Piaristenkirche 367
- Krems, Pfarrkirche St. Veit 380
- Lilienfeld, Zisterzienserstift 386
- Melk, Benediktinerstift 408
- St. Marein, Pfarrkirche hl. Maria 434
- St. Pölten, Dom- und Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 436
- Seitenstetten, Benediktinerstift 452
- Wiener Neustadt, Zisterzienserstift Neukloster 466
- Zwettl, Zisterzienserstift 477
- III. Sakralbauten in Oberösterreich 500
- Baumgartenberg, Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 500
- Kremsmünster, Benediktinerstift 512
- Lambach, Benediktinerstift 534
- Linz, Jesuitenkirche (Alter Dom) 551
- Linz, Karmelitenkloster 566
- Linz, Seminarkirche Hl. Kreuz 572
- St. Florian, Augustiner-Chorherrenstift 580
- Schlägl, Prämonstratenser-Chorherrenstift 607
- Schlierbach, Zisterzienserstift 621
- Waldhausen, Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 631
- Wilhering, Zisterzienserstift 638
- Teil 4 Zusammenfassung und Ausblick – Glossar – Verzeichnisse –
- Literatur
- Zusammenfassung und Ausblick 659
- Zum Aufbau des Buchs 659
- Historischer Abriss 660
- Entwicklungsgeschichte der Kirchenmöbel 661
- Zur Einrichtung verschiedener Räume in Kirchen und Klöstern 662
- Zur Hierarchie sakraler Einrichtungen 663
- Die Auftraggeber und ihr Einfluss auf die Kunstentwicklung 663
- Zum Verhältnis zwischen Auftraggebern, Architekten und Handwerkern 665
- Zu den Tischlern 665
- Stilistische Entwicklung der Möbel 666
- Regionale Besonderheiten 667
- Fazit und Ausblick 668
- Glossar 670
- Ortsindex 678
- Künstlerverzeichnis 682
- Abkürzungsverzeichnis 688
- Abbildungsnachweis 692
- Literaturverzeichnis 693