Page - 45 - in Sakralmöbel aus Österreich - Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus, Volume I: Östliche Landsteile
Image of the Page - 45 -
Text of the Page - 45 -
Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und Tischlerarbeiten |
45Zur
Qua ität des Holzes und zum System d Vergütung von Tischler
schlag vor der Auftragsvergabe riet. Die traditionelle Form der Preisgestaltung beruhte
auf dem Umstand, dass das Streben nach Gewinn unter den Handwerkern beinahe
als anrüchig galt. Der Eigendarstellung der Zünfte zufolge gab sich die Mehrheit
der Meister mit Einnahmen in einer Höhe zufrieden, die ihnen und ihren Familien
den Lebensstandard in der mittleren sozialen Schicht garantierten. Konkurrenzden-
ken und Gewinnstreben im Sinne heutigen Unternehmertums suchten die Zünfte
mit ihren Regelwerken zu verhindern, ein sozialer Aufstieg wurde nur von wenigen
Handwerkern angestrebt, da er gesellschaftlich geradezu verpönt war.58 Von den Be-
rufsverbänden bestellte Beschaumeister garantierten eine gleichbleibende Qualität der
Arbeiten, Streitfälle zwischen den Handwerkern oder zwischen Auftraggebern und
Handwerkern schlichteten von den Parteien berufene Handwerksmeister durch eine
Begutachtung des Werkstücks. Ihr Urteil wurde normalerweise akzeptiert.59
Dieses Prozedere besaß nicht nur in Mitteleuropa Gültigkeit, sondern auch in Eng-
land : Als der Kunstagent Francesco Terriesi (1635–1715) für Großherzog Cosimo
III.
de’ Medici (1642–1723) 1682 in London eine goldene Taschenuhr fertigen ließ, be-
anstandete Cosimo den vom Handwerker geforderten exorbitanten Preis. In einem
Schrei ben berichtete Terriesi nach Florenz, er habe in die Forderung des Uhrmachers
erst eingewilligt, nachdem das Produkt durch Gutachter bewertet worden sei. Sie hät-
ten ihm versichert, dass die Uhr den außergewöhnlich hohen Preis wert sei.60 Ver-
gleichbares lässt sich von Italien berichten.61 Der Verdacht liegt nahe, dass bis weit in
die Neuzeit hinein europaweit auf diese Art Geschäfte getätigt wurden. Im Göttwei-
ger Klosterarchiv erhaltene Rechnungsbücher von Heinrich Johann Holdermann und
Franz Anton Staudinger dokumentieren, dass in Österreich mit dieser Vorgehensweise
noch in den 1730er- und 40er-Jahren zu rechnen ist. Gleichwohl führte man hier-
zulande seit dem frühen 18. Jahrhundert Verhandlungen über die Entlohnung einer
Tätigkeit immer öfter vor Arbeitsbeginn, wie das in Paris und London schon einige
Zeit zuvor üblich geworden war.62 Im oben erwähnten Vertrag mit Rachinger von 1721
wurden denn auch detailliert die Beträge aufgelistet, die er für seine Bemühungen
erhalten sollte : für die Sakristeitür 20 Gulden, für drei Scheintüren jeweils 15, für die
58 Das romantische Bild, das die Zünfte von ihren Mitgliedern zeichneten und das vielfach auch heute
noch vorherrscht, entsprach freilich nicht unbedingt der Realität. Im zweiten Band der Studie wird dies
genauer dargelegt.
59 Stürmer, Handwerk (1982), 90–96. Hellwag, Tischlerhandwerk (1924), bes. 337–343, 362. Vgl. hierzu
die Generalhandwerksordnung von 1527 etwa bei Otruba, Berufsprobleme (1952), 340.
60 ASF, MdP 4244, Brief vom 21. September 1682 : […] ho lungo tempo contrastato un tal prezzo, e fattolo
vedere da periti ; e gli l’ho infine accordato quando ho avuto la relazione che ne sia degna l’opera […].
61 Rohark, Intarsien (2007), 114–115.
62 Stürmer, Handwerk (1982), 92.
Sakralmöbel aus Österreich
Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus, Volume I: Östliche Landsteile
- Title
- Sakralmöbel aus Österreich
- Subtitle
- Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus
- Volume
- I: Östliche Landsteile
- Author
- Michael Bohr
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20512-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 730
- Keywords
- Baroque, applied arts, church furnishings, Barock, Kunsthandwerk, Sakralmöbel
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Teil 1 Vorbemerkungen
- Teil 2 Grundlegendes
- I. Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und Tischlerarbeiten 31
- Zur Barockisierung von Weltkirchen und Klöstern 31
- Tischlerwerkstätten in Wien 33
- Tischlerwerkstätten auf dem Land 36
- Zur Größe der Werkstätten 40
- Zur Zusammenarbeit von Tischlern mit andern Handwerkern 41
- Zur Beschaffung des benötigten Holzes 43
- Zur Qualität des Holzes und zum System der Vergütung von Tischlern 43
- Nachlassende Qualität der Tischlererzeugnisse im fortgeschrittenen 18. Jahrhundert 46
- Zu den verwendeten Materialien 48
- Zur Oberflächenveredelung und Restaurierung 51
- Exkurs : Technische Innovationen als Grundlage der Entwicklung neuer Gestaltungsformen 55
- II. Gestaltungsfragen, Stilformen und Ornamente 58
- III. Die Entwicklung des Kirchenmobiliars 81
- IV. Sakristeien 101
- Ihre Lage innerhalb des Raumgefüges 101
- Der Klosterplan von St. Gallen und frühe Sakristeimöbel 102
- Zur Funktion von Sakristeien, barocke Sakristeieinrichtungen und die Schriften von Carlo Borromeo und Jacob Müller 104
- Altäre und Scheinaltäre 104
- Lavabos 106
- Sakristeischränke und Ankleidekredenzen 107
- Zur Entwicklungsgeschichte der Sakristeischränke 110
- Ankleidetische und Tischkästen 111
- Truhen und Truhenbänke 113
- Beichtstühle 115
- Betpulte, Kniebänke und Bankpulte 116
- V. Mobiliar in Nebenräumen von Kirchen und Klöstern 118
- VI.Zur Hierarchie von Räumen und Möbeln 127
- I. Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und Tischlerarbeiten 31
- Teil 3 Katalog – Beiträge zu den Sakralanlagen – Tafeln
- Hinweise 133
- Hinweise zu Provenienzen, Datierungen und Materialien 133
- Hinweise zu den angegebenen Maßen 133
- Hinweise zu den zitierten Schriftquellen 134
- I. Sakralbauten in Wien 135
- II. Sakralbauten in Niederösterreich 247
- Altenburg, Benediktinerstift 247
- Ardagger, Pfarrkirche hl. Margarete 260
- Dürnstein, Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt 264
- Geras, Prämonstratenser-Chorherrenstift 283
- Göttweig, Benediktinerstift 294
- Heiligenkreuz, Zisterzienserstift 315
- Herzogenburg, Augustiner-Chorherrenstift 335
- Horn, Piaristenkirche 347
- Klosterneuburg, Augustiner-Chorherrenstift 352
- Krems, Piaristenkirche 367
- Krems, Pfarrkirche St. Veit 380
- Lilienfeld, Zisterzienserstift 386
- Melk, Benediktinerstift 408
- St. Marein, Pfarrkirche hl. Maria 434
- St. Pölten, Dom- und Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 436
- Seitenstetten, Benediktinerstift 452
- Wiener Neustadt, Zisterzienserstift Neukloster 466
- Zwettl, Zisterzienserstift 477
- III. Sakralbauten in Oberösterreich 500
- Baumgartenberg, Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 500
- Kremsmünster, Benediktinerstift 512
- Lambach, Benediktinerstift 534
- Linz, Jesuitenkirche (Alter Dom) 551
- Linz, Karmelitenkloster 566
- Linz, Seminarkirche Hl. Kreuz 572
- St. Florian, Augustiner-Chorherrenstift 580
- Schlägl, Prämonstratenser-Chorherrenstift 607
- Schlierbach, Zisterzienserstift 621
- Waldhausen, Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 631
- Wilhering, Zisterzienserstift 638
- Teil 4 Zusammenfassung und Ausblick – Glossar – Verzeichnisse –
- Literatur
- Zusammenfassung und Ausblick 659
- Zum Aufbau des Buchs 659
- Historischer Abriss 660
- Entwicklungsgeschichte der Kirchenmöbel 661
- Zur Einrichtung verschiedener Räume in Kirchen und Klöstern 662
- Zur Hierarchie sakraler Einrichtungen 663
- Die Auftraggeber und ihr Einfluss auf die Kunstentwicklung 663
- Zum Verhältnis zwischen Auftraggebern, Architekten und Handwerkern 665
- Zu den Tischlern 665
- Stilistische Entwicklung der Möbel 666
- Regionale Besonderheiten 667
- Fazit und Ausblick 668
- Glossar 670
- Ortsindex 678
- Künstlerverzeichnis 682
- Abkürzungsverzeichnis 688
- Abbildungsnachweis 692
- Literaturverzeichnis 693