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50 | Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und Tischlerarbeiten
Vermutlich war dies dem hohen Preis geschuldet, denn außereuropäische Holzarten
wurden wie Gewürze pfundweise gehandelt, ihre Verwendung war ein Zeichen höfi-
scher Kultur.78 Wegen des außerordentlichen Wertes solcher Hölzer überließ man es
in Paris besonderen Spezialisten, Furnierblätter aus exotischen Materialien zu schnei-
den. Die Furnierstärke an qualitätvollen französischen Möbeln betrug deshalb oft nur
ein bis eineinhalb Millimeter, dagegen lag sie in Deutschland und Österreich kaum
unter zwei, häufig sogar bei drei oder vier Millimetern ; an den untersuchten Kirchen-
möbeln lässt sich das immer wieder beobachten. Und nur selten besaßen die Furniere
bei uns eine gleichmäßige Stärke, meist differierte sie auch an ein- und demselben
Werkstück.79 Der Grund liegt darin, dass in Österreich keine ausgewiesenen Fach-
kräfte für die Herstellung von Furnierblättern zuständig waren, sondern Zimmerleute
wie in Dürnstein80, während sonst die Tischler die Furnierblätter selbst gefertigt haben
werden. Zudem dürften hierzulande die erforderlichen finanziellen Ressourcen für ei-
nen vielfältigen Einsatz exotischer Furniere kaum vorhanden gewesen sein, außerdem
mangelte es den meisten zünftigen Handwerkern sicher auch an den unerlässlichen
technischen und handwerklichen Fähigkeiten, um kostbare Fremdmaterialien zu ver-
arbeiten.
Sakrale Möbel, die sich ähnlich französischen Prunkstücken mit Goldbronzen von
der großen Masse des produzierten Mobiliars abheben würden, kommen in den östli-
chen Regionen Österreichs ebenfalls nicht vor, vergoldet wurden allenfalls Reliefs und
andere geschnitzte Zierornamente (Abb. 190, 191), unter Umständen auch Schlüssel-
schilder und Handgriffe (Abb.
41). Nie jedoch ist die Vergoldung so reich wie an Möbeln
aus Paris. Holzsichtige Schnitzarbeiten bestehen normalerweise aus massivem Eichen-,
Nussbaum- oder Ahornholz, vergoldete Schnitzereien dagegen oft aus Linde. Mit fei-
nen Silberplättchen angereicherte Zinnintarsien sind an einigen profanen Möbeln in
Heiligenkreuz nachzuweisen, reine Zinneinlagen am Laiengestühl der Wiener Jesui-
tenkirche (Abb. 30, Farbtaf. 02). Mit Einlagen aus einer Silber-Blei-Legierung wurde
das Chorgestühl in Lilienfeld (Abb. 204) dekoriert, mit Perlmuttschollen verschiedene
Einrichtungsstücke der Wiener Jesuitenkirche (Abb. 28, 29). An Sakristeimöbeln in
Altenburg imitiert eine weiße Farbmasse das kostbare Elfenbein, an der Lesekanzel des
früheren Refektoriums im Kloster Lambach sowie an einem Schrank in St.
Florian eine
den. Bei der Bestimmung der anderen Holzarten ist allerdings mit einem gewissen Fehlerquotienten zu
rechnen, da sie nur makroskopisch durchgeführt werden konnte. Zukünftige Restaurierungen werden
vermutlich zu weiteren und genaueren Erkenntnissen hinsichtlich der verwendeten Materialien führen.
78 Stürmer, Handwerk (1982), 100 ; Loescher, Kistlerhandwerk (2000), 55.
79 Stürmer, ebd., 100, 102.
80 Penz, Kalendernotizen (2013), 213.
Sakralmöbel aus Österreich
Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus, Volume I: Östliche Landsteile
- Title
- Sakralmöbel aus Österreich
- Subtitle
- Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus
- Volume
- I: Östliche Landsteile
- Author
- Michael Bohr
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20512-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 730
- Keywords
- Baroque, applied arts, church furnishings, Barock, Kunsthandwerk, Sakralmöbel
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Teil 1 Vorbemerkungen
- Teil 2 Grundlegendes
- I. Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und Tischlerarbeiten 31
- Zur Barockisierung von Weltkirchen und Klöstern 31
- Tischlerwerkstätten in Wien 33
- Tischlerwerkstätten auf dem Land 36
- Zur Größe der Werkstätten 40
- Zur Zusammenarbeit von Tischlern mit andern Handwerkern 41
- Zur Beschaffung des benötigten Holzes 43
- Zur Qualität des Holzes und zum System der Vergütung von Tischlern 43
- Nachlassende Qualität der Tischlererzeugnisse im fortgeschrittenen 18. Jahrhundert 46
- Zu den verwendeten Materialien 48
- Zur Oberflächenveredelung und Restaurierung 51
- Exkurs : Technische Innovationen als Grundlage der Entwicklung neuer Gestaltungsformen 55
- II. Gestaltungsfragen, Stilformen und Ornamente 58
- III. Die Entwicklung des Kirchenmobiliars 81
- IV. Sakristeien 101
- Ihre Lage innerhalb des Raumgefüges 101
- Der Klosterplan von St. Gallen und frühe Sakristeimöbel 102
- Zur Funktion von Sakristeien, barocke Sakristeieinrichtungen und die Schriften von Carlo Borromeo und Jacob Müller 104
- Altäre und Scheinaltäre 104
- Lavabos 106
- Sakristeischränke und Ankleidekredenzen 107
- Zur Entwicklungsgeschichte der Sakristeischränke 110
- Ankleidetische und Tischkästen 111
- Truhen und Truhenbänke 113
- Beichtstühle 115
- Betpulte, Kniebänke und Bankpulte 116
- V. Mobiliar in Nebenräumen von Kirchen und Klöstern 118
- VI.Zur Hierarchie von Räumen und Möbeln 127
- I. Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und Tischlerarbeiten 31
- Teil 3 Katalog – Beiträge zu den Sakralanlagen – Tafeln
- Hinweise 133
- Hinweise zu Provenienzen, Datierungen und Materialien 133
- Hinweise zu den angegebenen Maßen 133
- Hinweise zu den zitierten Schriftquellen 134
- I. Sakralbauten in Wien 135
- II. Sakralbauten in Niederösterreich 247
- Altenburg, Benediktinerstift 247
- Ardagger, Pfarrkirche hl. Margarete 260
- Dürnstein, Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt 264
- Geras, Prämonstratenser-Chorherrenstift 283
- Göttweig, Benediktinerstift 294
- Heiligenkreuz, Zisterzienserstift 315
- Herzogenburg, Augustiner-Chorherrenstift 335
- Horn, Piaristenkirche 347
- Klosterneuburg, Augustiner-Chorherrenstift 352
- Krems, Piaristenkirche 367
- Krems, Pfarrkirche St. Veit 380
- Lilienfeld, Zisterzienserstift 386
- Melk, Benediktinerstift 408
- St. Marein, Pfarrkirche hl. Maria 434
- St. Pölten, Dom- und Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 436
- Seitenstetten, Benediktinerstift 452
- Wiener Neustadt, Zisterzienserstift Neukloster 466
- Zwettl, Zisterzienserstift 477
- III. Sakralbauten in Oberösterreich 500
- Baumgartenberg, Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 500
- Kremsmünster, Benediktinerstift 512
- Lambach, Benediktinerstift 534
- Linz, Jesuitenkirche (Alter Dom) 551
- Linz, Karmelitenkloster 566
- Linz, Seminarkirche Hl. Kreuz 572
- St. Florian, Augustiner-Chorherrenstift 580
- Schlägl, Prämonstratenser-Chorherrenstift 607
- Schlierbach, Zisterzienserstift 621
- Waldhausen, Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 631
- Wilhering, Zisterzienserstift 638
- Teil 4 Zusammenfassung und Ausblick – Glossar – Verzeichnisse –
- Literatur
- Zusammenfassung und Ausblick 659
- Zum Aufbau des Buchs 659
- Historischer Abriss 660
- Entwicklungsgeschichte der Kirchenmöbel 661
- Zur Einrichtung verschiedener Räume in Kirchen und Klöstern 662
- Zur Hierarchie sakraler Einrichtungen 663
- Die Auftraggeber und ihr Einfluss auf die Kunstentwicklung 663
- Zum Verhältnis zwischen Auftraggebern, Architekten und Handwerkern 665
- Zu den Tischlern 665
- Stilistische Entwicklung der Möbel 666
- Regionale Besonderheiten 667
- Fazit und Ausblick 668
- Glossar 670
- Ortsindex 678
- Künstlerverzeichnis 682
- Abkürzungsverzeichnis 688
- Abbildungsnachweis 692
- Literaturverzeichnis 693