Page - 63 - in Sakralmöbel aus Österreich - Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus, Volume I: Östliche Landsteile
Image of the Page - 63 -
Text of the Page - 63 -
Gestaltungsfragen, Stilformen und Ornamente |
63Zu
de Großformen
das 1777 gefertigte Mobiliar im Stift Lambach (Abb. 322) oder die Sakristeiausstat-
tung von Wilhering aus den Jahren um 1770/80 (Abb. 399, 400). Die Vorteile die-
ser Konstruktionsweise liegen auf der Hand : Sie betreffen hygienische Überlegungen
ebenso wie die Tatsache, dass Möbel, deren Korpus erhöht über dem Boden ansetzt, vor
aufsteigender Bodenfeuchtigkeit geschützt sind. Tatsächlich weisen die Füße »antiker«
Möbel oft massive Schäden auf, während sich die Möbelunterseiten noch in einem
akzeptablen Zustand befinden.121 Selbstredend war man sich der Problematik feuchter
Räume auch in der Frühneuzeit bewusst, weshalb Carlo Borromeo (1538–1584) 1577
und Jacob Müller (1550–1597) 1591 in ihren Büchern empfahlen, Sakristeien mit
einem Holzboden zu versehen und durch das häufige Öffnen der Fenster für ein ange-
nehmes Raumklima zu sorgen.122 Im Barockzeitalter wurden konsequenterweise Para-
mentenschränke und Archivmöbel zum Schutz des Inhaltes häufig mit durchlöcherten
Türen so konstruiert, dass eine ständige Luftzirkulation gesichert war (Abb. 131, 276,
282). Damit stellt sich unweigerlich die Frage, weshalb man im hier interessierenden
Zeitraum im Gegensatz zu früheren Epochen und wider besseres Wissen Kastenmö-
bel ohne Füße konstruierte.123 Eine sichere Antwort darauf wird nur schwer zu finden
sein, doch war eventuell die gedankliche Verbindung zwischen Kastenmöbeln und Ar-
chitekturen zu eng, um eine andere Gestaltung zu wählen. Schließlich erheben sich
Fassaden von Gebäuden in der Regel ebenfalls direkt über dem Boden.124
Und noch auf eine letzte wegweisende Erneuerung muss an dieser Stelle aufmerk-
sam gemacht werden. Sie betrifft nicht die Möbel selbst, sondern einige der beschrie-
benen Zimmertüren, die mit dem Mobiliar manchmal ein einheitliches Ensemble
bildeten. Herkömmliche Türen bestanden in Österreich aus einem einzigen breiten
Türblatt, das gewöhnlich mit zwei, selten mit einer großen Füllung versehen war
(Abb. 194, 281). Durch eine andere Form zeichnen sich dagegen die Portale der Mel-
ker Sommersakristei aus (Abb. 218). Der Wiener Hoftischler Franz Andreas Bogner
(um 1663–1714) fertigte sie um 1701 zusammen mit der Sakristeiausstattung in An-
lehnung an französische Vorbilder. Bogner teilte die Portale in zwei schmale Flügel
mit je drei Füllungen. Lag die Betonung zuvor auf der horizontalen Ausrichtung, ver-
121 Als Gegenmaßnahme werden daher manchmal bei Restaurierungen Laufpodeste wie in Geras (Farb-
taf. 08) oder die Sakristeischränke selbst, wie im Stift Lilienfeld (Abb. 212), mit Belüftungsöffnungen
versehen.
122 Borromeo, Instructiones fabricae (2000), Bd. 1, 136–137 ; Müller, KirchenGeschmuck (1591), 115.
123 Allerdings stehen die meisten Sakristeimöbel auf einem Sockel und damit doch leicht erhaben über
dem Sakristeiboden.
124 Dagegen wurden zumindest in Deutschland Schränke aus dem profanen Bereich auch im 17. Jahr-
hundert oft auf Füße gestellt. Kreisel/Himmelheber, Deutsche Möbel, Bd.
1 (1981), beispielsweise die
Abb. 398–400, 407, 416 usw.
Sakralmöbel aus Österreich
Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus, Volume I: Östliche Landsteile
- Title
- Sakralmöbel aus Österreich
- Subtitle
- Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus
- Volume
- I: Östliche Landsteile
- Author
- Michael Bohr
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20512-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 730
- Keywords
- Baroque, applied arts, church furnishings, Barock, Kunsthandwerk, Sakralmöbel
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Teil 1 Vorbemerkungen
- Teil 2 Grundlegendes
- I. Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und Tischlerarbeiten 31
- Zur Barockisierung von Weltkirchen und Klöstern 31
- Tischlerwerkstätten in Wien 33
- Tischlerwerkstätten auf dem Land 36
- Zur Größe der Werkstätten 40
- Zur Zusammenarbeit von Tischlern mit andern Handwerkern 41
- Zur Beschaffung des benötigten Holzes 43
- Zur Qualität des Holzes und zum System der Vergütung von Tischlern 43
- Nachlassende Qualität der Tischlererzeugnisse im fortgeschrittenen 18. Jahrhundert 46
- Zu den verwendeten Materialien 48
- Zur Oberflächenveredelung und Restaurierung 51
- Exkurs : Technische Innovationen als Grundlage der Entwicklung neuer Gestaltungsformen 55
- II. Gestaltungsfragen, Stilformen und Ornamente 58
- III. Die Entwicklung des Kirchenmobiliars 81
- IV. Sakristeien 101
- Ihre Lage innerhalb des Raumgefüges 101
- Der Klosterplan von St. Gallen und frühe Sakristeimöbel 102
- Zur Funktion von Sakristeien, barocke Sakristeieinrichtungen und die Schriften von Carlo Borromeo und Jacob Müller 104
- Altäre und Scheinaltäre 104
- Lavabos 106
- Sakristeischränke und Ankleidekredenzen 107
- Zur Entwicklungsgeschichte der Sakristeischränke 110
- Ankleidetische und Tischkästen 111
- Truhen und Truhenbänke 113
- Beichtstühle 115
- Betpulte, Kniebänke und Bankpulte 116
- V. Mobiliar in Nebenräumen von Kirchen und Klöstern 118
- VI.Zur Hierarchie von Räumen und Möbeln 127
- I. Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und Tischlerarbeiten 31
- Teil 3 Katalog – Beiträge zu den Sakralanlagen – Tafeln
- Hinweise 133
- Hinweise zu Provenienzen, Datierungen und Materialien 133
- Hinweise zu den angegebenen Maßen 133
- Hinweise zu den zitierten Schriftquellen 134
- I. Sakralbauten in Wien 135
- II. Sakralbauten in Niederösterreich 247
- Altenburg, Benediktinerstift 247
- Ardagger, Pfarrkirche hl. Margarete 260
- Dürnstein, Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt 264
- Geras, Prämonstratenser-Chorherrenstift 283
- Göttweig, Benediktinerstift 294
- Heiligenkreuz, Zisterzienserstift 315
- Herzogenburg, Augustiner-Chorherrenstift 335
- Horn, Piaristenkirche 347
- Klosterneuburg, Augustiner-Chorherrenstift 352
- Krems, Piaristenkirche 367
- Krems, Pfarrkirche St. Veit 380
- Lilienfeld, Zisterzienserstift 386
- Melk, Benediktinerstift 408
- St. Marein, Pfarrkirche hl. Maria 434
- St. Pölten, Dom- und Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 436
- Seitenstetten, Benediktinerstift 452
- Wiener Neustadt, Zisterzienserstift Neukloster 466
- Zwettl, Zisterzienserstift 477
- III. Sakralbauten in Oberösterreich 500
- Baumgartenberg, Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 500
- Kremsmünster, Benediktinerstift 512
- Lambach, Benediktinerstift 534
- Linz, Jesuitenkirche (Alter Dom) 551
- Linz, Karmelitenkloster 566
- Linz, Seminarkirche Hl. Kreuz 572
- St. Florian, Augustiner-Chorherrenstift 580
- Schlägl, Prämonstratenser-Chorherrenstift 607
- Schlierbach, Zisterzienserstift 621
- Waldhausen, Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 631
- Wilhering, Zisterzienserstift 638
- Teil 4 Zusammenfassung und Ausblick – Glossar – Verzeichnisse –
- Literatur
- Zusammenfassung und Ausblick 659
- Zum Aufbau des Buchs 659
- Historischer Abriss 660
- Entwicklungsgeschichte der Kirchenmöbel 661
- Zur Einrichtung verschiedener Räume in Kirchen und Klöstern 662
- Zur Hierarchie sakraler Einrichtungen 663
- Die Auftraggeber und ihr Einfluss auf die Kunstentwicklung 663
- Zum Verhältnis zwischen Auftraggebern, Architekten und Handwerkern 665
- Zu den Tischlern 665
- Stilistische Entwicklung der Möbel 666
- Regionale Besonderheiten 667
- Fazit und Ausblick 668
- Glossar 670
- Ortsindex 678
- Künstlerverzeichnis 682
- Abkürzungsverzeichnis 688
- Abbildungsnachweis 692
- Literaturverzeichnis 693