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68 | Gestaltungsfragen, Stilformen und Ornamente
ten Netz auffallend markanter Bänder vor gekörntem Grund. Blätter, stellenweise auch
schotenartige Verdickungen, wie sie aus dem 17.
Jahrhundert bekannt sind, schmücken
die miteinander verknüpften Ornamentmotive. Einige erinnern an Stiche des Wiener
Juweliers Friedrich Jacob Morisson (nachw. 1693 und 1697) aus den 1690er-Jahren,
der bereits Frühformen des Bandlwerks in seine Formensprache aufnahm, als sonst
noch italienischer Akanthus die Ornamentik dominierte.140 Andere Zierelemente las-
sen an süddeutsche Vorlagen von Paul Decker (1677–1713), Johann Leonhard Eisler
(† 1733) oder Johann Jakob Schübler († 1741) aus dem frühen 18. Jahrhundert den-
ken.141 Wie schon in der Bibliothek verzichteten Rueff und Giuliani am Dorsale weit-
gehend auf Zierrat aus Akanthus.142 Ähnliches trifft auf die Möbel der Melker Som-
mersakristei zu, die Bogner bald nach 1700 fertigte. Bänder sind nun als Teil prächtiger
Marketerien kantenparallel und nur wenig geschwungen eingelegt. Vegetabile Motive
kommen in den Intarsien nicht vor, dafür große Sterne, die sich auch schon im spä-
ten 17. Jahrhundert in der Ornamentik finden. Nur für die Schnitzarbeiten auf den
Schränken wurde noch auf Laubwerk zurückgegriffen. Analog ging man in der Melker
Wintersakristei sowie in Herzogenburg und Kremsmünster vor (Abb. 159, 220, 221,
308). Bandlwerkstrukturen überziehen die Flächen, während die Auszüge der Möbel
aus schwerem dreidimensionalen Akanthus bestehen.
Hatte man bis um 1700 das Mobiliar vor allem mit Schnitzarbeiten verziert, so tra-
ten im frühen 18. Jahrhundert also erneut Marketerien in den Vordergrund, häufig be-
gleitet allerdings von geschnitzten Ornamenten. Selten finden sich naturalistische Blu-
men wie am Chorgestühl in Zwettl oder Vasen mit Blumenschmuck wie an den beiden
Ambos in der Göttweiger Stiftskirche (Farbtaf. 09 ; Abb. 270). Die Auszier der Gött-
weiger Möbel könnte direkt auf französische Vorlagen zurückgehen, doch kam anders
als in Frankreich der peinture en bois im Osten Österreichs keine größere Bedeutung zu.
Die Einlagen beschränkten sich dort meist auf Bandlwerk mit schlichten vegetabilen
oder geometrischen Ornamentmotiven. Dagegen zieren die Monogramme Christi und
140 Zu einem entsprechenden Entwurf von Morisson vgl. Ornamentstichsammlung MAK, Wien, KI
2201-1. Berliner/Egger, Vorlageblätter (1981), Bd. 1, 89, Bd. 3, Abb. 1072 mit einem konservativen
Stich, der noch ohne das neue Ornament auskommt.
141 Zu Decker etwa Ornamentstichsammlung, MAK, Wien, KI 1758 F8 S48 Z5, mit Blatt 5 der Folge
»Neu Inventiertes Laub Bandl und Groteschgen- Werk«. Zu Eisler ebd., KI 2316 F11 S42 Z6, Blatt
4
der Folge »Neu inventirtes Laub und Bandel Werck sechster Theil« ; zu Schübler ebd., KI 10255 F141
S40, mit einem Blatt aus der Serie »Neu Faconirte Fenster verkleidung welche an Kirche(n) Orange-
rien und andern modernen Gebäuden aussen und innen zu gebrauchen […]«. Vgl. zu Decker auch Ber-
liner/Egger, ebd., Bd.
1, 99, Bd.
3, Abb.
1211–1221 ; zu Eisler, ebd., Bd.
1, 99, Bd.
3, Abb.
1200–1203 ;
zu Schübler, ebd., Bd. 1, 101, Bd. 3, Abb. 1242–1244.
142 Vgl. hierzu auch die Ausgestaltung des 1706 geschaffenen Prunksarkophags für Kaiser Leopold I.
(1640–1705). Franz, Ornamentvorlagen (2011), 43, Abb. 13.
Sakralmöbel aus Österreich
Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus, Volume I: Östliche Landsteile
- Title
- Sakralmöbel aus Österreich
- Subtitle
- Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus
- Volume
- I: Östliche Landsteile
- Author
- Michael Bohr
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20512-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 730
- Keywords
- Baroque, applied arts, church furnishings, Barock, Kunsthandwerk, Sakralmöbel
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Teil 1 Vorbemerkungen
- Teil 2 Grundlegendes
- I. Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und Tischlerarbeiten 31
- Zur Barockisierung von Weltkirchen und Klöstern 31
- Tischlerwerkstätten in Wien 33
- Tischlerwerkstätten auf dem Land 36
- Zur Größe der Werkstätten 40
- Zur Zusammenarbeit von Tischlern mit andern Handwerkern 41
- Zur Beschaffung des benötigten Holzes 43
- Zur Qualität des Holzes und zum System der Vergütung von Tischlern 43
- Nachlassende Qualität der Tischlererzeugnisse im fortgeschrittenen 18. Jahrhundert 46
- Zu den verwendeten Materialien 48
- Zur Oberflächenveredelung und Restaurierung 51
- Exkurs : Technische Innovationen als Grundlage der Entwicklung neuer Gestaltungsformen 55
- II. Gestaltungsfragen, Stilformen und Ornamente 58
- III. Die Entwicklung des Kirchenmobiliars 81
- IV. Sakristeien 101
- Ihre Lage innerhalb des Raumgefüges 101
- Der Klosterplan von St. Gallen und frühe Sakristeimöbel 102
- Zur Funktion von Sakristeien, barocke Sakristeieinrichtungen und die Schriften von Carlo Borromeo und Jacob Müller 104
- Altäre und Scheinaltäre 104
- Lavabos 106
- Sakristeischränke und Ankleidekredenzen 107
- Zur Entwicklungsgeschichte der Sakristeischränke 110
- Ankleidetische und Tischkästen 111
- Truhen und Truhenbänke 113
- Beichtstühle 115
- Betpulte, Kniebänke und Bankpulte 116
- V. Mobiliar in Nebenräumen von Kirchen und Klöstern 118
- VI.Zur Hierarchie von Räumen und Möbeln 127
- I. Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und Tischlerarbeiten 31
- Teil 3 Katalog – Beiträge zu den Sakralanlagen – Tafeln
- Hinweise 133
- Hinweise zu Provenienzen, Datierungen und Materialien 133
- Hinweise zu den angegebenen Maßen 133
- Hinweise zu den zitierten Schriftquellen 134
- I. Sakralbauten in Wien 135
- II. Sakralbauten in Niederösterreich 247
- Altenburg, Benediktinerstift 247
- Ardagger, Pfarrkirche hl. Margarete 260
- Dürnstein, Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt 264
- Geras, Prämonstratenser-Chorherrenstift 283
- Göttweig, Benediktinerstift 294
- Heiligenkreuz, Zisterzienserstift 315
- Herzogenburg, Augustiner-Chorherrenstift 335
- Horn, Piaristenkirche 347
- Klosterneuburg, Augustiner-Chorherrenstift 352
- Krems, Piaristenkirche 367
- Krems, Pfarrkirche St. Veit 380
- Lilienfeld, Zisterzienserstift 386
- Melk, Benediktinerstift 408
- St. Marein, Pfarrkirche hl. Maria 434
- St. Pölten, Dom- und Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 436
- Seitenstetten, Benediktinerstift 452
- Wiener Neustadt, Zisterzienserstift Neukloster 466
- Zwettl, Zisterzienserstift 477
- III. Sakralbauten in Oberösterreich 500
- Baumgartenberg, Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 500
- Kremsmünster, Benediktinerstift 512
- Lambach, Benediktinerstift 534
- Linz, Jesuitenkirche (Alter Dom) 551
- Linz, Karmelitenkloster 566
- Linz, Seminarkirche Hl. Kreuz 572
- St. Florian, Augustiner-Chorherrenstift 580
- Schlägl, Prämonstratenser-Chorherrenstift 607
- Schlierbach, Zisterzienserstift 621
- Waldhausen, Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 631
- Wilhering, Zisterzienserstift 638
- Teil 4 Zusammenfassung und Ausblick – Glossar – Verzeichnisse –
- Literatur
- Zusammenfassung und Ausblick 659
- Zum Aufbau des Buchs 659
- Historischer Abriss 660
- Entwicklungsgeschichte der Kirchenmöbel 661
- Zur Einrichtung verschiedener Räume in Kirchen und Klöstern 662
- Zur Hierarchie sakraler Einrichtungen 663
- Die Auftraggeber und ihr Einfluss auf die Kunstentwicklung 663
- Zum Verhältnis zwischen Auftraggebern, Architekten und Handwerkern 665
- Zu den Tischlern 665
- Stilistische Entwicklung der Möbel 666
- Regionale Besonderheiten 667
- Fazit und Ausblick 668
- Glossar 670
- Ortsindex 678
- Künstlerverzeichnis 682
- Abkürzungsverzeichnis 688
- Abbildungsnachweis 692
- Literaturverzeichnis 693