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Gestaltungsfragen, Stilformen und Ornamente |
79Die
Kunstlandschaften in den tersuchten österreichischen Regionen
sich eine dreiteilige Vertikalgliederung der Flächen an vielen spätbarocken Schränken
im Großraum Linz wiederfindet. Die Füllungen seien dort so übereinander angeordnet,
dass die mittlere jeweils ein Querrechteck bildet, die beiden andern ein Hochrecht-
eck.166 Als exquisites Beispiel hierfür wäre auf die Ausstattung der Prälatensakristei
aus den 1740er-Jahren in St. Florian aufmerksam zu machen (Abb. 362 ; Farbtaf. 30).
Durch ihre Strukturierung erinnern diese Möbelfassaden an die Gestaltung der Türen
in der Linzer Priesterseminarkirche (Farbtaf.
27), aber auch an jene in Dürnstein oder
Heiligenkreuz (Abb.
110, 146). Wie wir gesehen haben, gehen sie ursprünglich auf die
Konstruktion der Exemplare in der Melker Sommersakristei (Abb. 218) zurück.
Nun zu den Tischlererzeugnissen in Niederösterreich und Wien : Bei der Analyse
der frühen Arbeiten in Heiligenkreuz und Melk wurde bereits darauf verwiesen, dass
sie aus den Werkstätten Wiener Tischler stammen, die auf französische Stilformen
rekurrierten. Vielleicht orientierte man sich in der Residenzstadt eher an der neuen
Formensprache als andernorts. Das würde auch erklären, dass die Tischler, die um
1690 oder 1700 den Beichtstuhl in der Wiener Josefskirche und zwanzig Jahre später
die Ausstattung der Wiener Jesuitenkirche (Abb. 31, 60) fertigten, im Osten Öster-
reichs die Ersten waren, die Beichtstühle in Tempiettoform schufen, eine Form, die
1651 entstandene Vorlagen von Jean Lepautre aufgriff.167
Weiter wird im Katalog auf jene eigentümliche Spielart des Barockklassizismus
aufmerksam gemacht, die in den 1730er-Jahren zur Gestaltung der Sakristeimöbel
in St. Stephan, im Schottenkloster und im Neukloster zu Wiener Neustadt führte
(Farbtaf.
19 ; Abb.
81–83, 88–91). Zudem kommen an Möbeln der Residenzstadt Ma-
terialien vor, die sich andernorts nicht finden : Rosenholz an den Bänken der Karls-
kirche sowie Perlmutt und Zinneinlagen an Möbeln der Jesuitenkirche (Abb. 28, 29 ;
Farbtaf. 04).
Als charakteristisch erweist sich ferner die außergewöhnliche Marmorierung ei-
niger Möbel im Stift Zwettl (Abb. 276, 277). Das Bemalen von Möbeln kam zwar
in ländlichen Gebieten Nieder- und Oberösterreichs recht häufig vor, doch ist eine
Ausführung in dieser Qualität absolut selten. Es scheint sich dabei um eine von we-
nigen Handwerkern ausgeübte Technik im nördlichen Niederösterreich gehandelt zu
haben.168
166 ÖKT, Kremsmünster, 2 (1977), 493.
167 Ornamentstichsammlung MAK, Wien, beispielsweise mit den Stichen KI 1-658-105, KI 1-658-106
oder KI 1-658-108 aus der Folge »Confessionaux nouvellement inventés et gravés par I.
le
Pautre«. Vgl.
auch die von der Universitätsbibliothek Heidelberg publizierten Stiche wie etwa http://digi.ub.uni-
heidelberg.de/diglit/lepautre1751bd2/0214.
168 Vgl. hierzu Kreisel/Himmelheber, Deutsche Möbel, Bd. 2 (1983), Abb. 1124, mit einem um 1750
entstandenen Schrank aus dem bayrischen Amberg im Germanischen Nationalmuseum zu Nürnberg.
Sakralmöbel aus Österreich
Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus, Volume I: Östliche Landsteile
- Title
- Sakralmöbel aus Österreich
- Subtitle
- Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus
- Volume
- I: Östliche Landsteile
- Author
- Michael Bohr
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20512-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 730
- Keywords
- Baroque, applied arts, church furnishings, Barock, Kunsthandwerk, Sakralmöbel
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Teil 1 Vorbemerkungen
- Teil 2 Grundlegendes
- I. Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und Tischlerarbeiten 31
- Zur Barockisierung von Weltkirchen und Klöstern 31
- Tischlerwerkstätten in Wien 33
- Tischlerwerkstätten auf dem Land 36
- Zur Größe der Werkstätten 40
- Zur Zusammenarbeit von Tischlern mit andern Handwerkern 41
- Zur Beschaffung des benötigten Holzes 43
- Zur Qualität des Holzes und zum System der Vergütung von Tischlern 43
- Nachlassende Qualität der Tischlererzeugnisse im fortgeschrittenen 18. Jahrhundert 46
- Zu den verwendeten Materialien 48
- Zur Oberflächenveredelung und Restaurierung 51
- Exkurs : Technische Innovationen als Grundlage der Entwicklung neuer Gestaltungsformen 55
- II. Gestaltungsfragen, Stilformen und Ornamente 58
- III. Die Entwicklung des Kirchenmobiliars 81
- IV. Sakristeien 101
- Ihre Lage innerhalb des Raumgefüges 101
- Der Klosterplan von St. Gallen und frühe Sakristeimöbel 102
- Zur Funktion von Sakristeien, barocke Sakristeieinrichtungen und die Schriften von Carlo Borromeo und Jacob Müller 104
- Altäre und Scheinaltäre 104
- Lavabos 106
- Sakristeischränke und Ankleidekredenzen 107
- Zur Entwicklungsgeschichte der Sakristeischränke 110
- Ankleidetische und Tischkästen 111
- Truhen und Truhenbänke 113
- Beichtstühle 115
- Betpulte, Kniebänke und Bankpulte 116
- V. Mobiliar in Nebenräumen von Kirchen und Klöstern 118
- VI.Zur Hierarchie von Räumen und Möbeln 127
- I. Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und Tischlerarbeiten 31
- Teil 3 Katalog – Beiträge zu den Sakralanlagen – Tafeln
- Hinweise 133
- Hinweise zu Provenienzen, Datierungen und Materialien 133
- Hinweise zu den angegebenen Maßen 133
- Hinweise zu den zitierten Schriftquellen 134
- I. Sakralbauten in Wien 135
- II. Sakralbauten in Niederösterreich 247
- Altenburg, Benediktinerstift 247
- Ardagger, Pfarrkirche hl. Margarete 260
- Dürnstein, Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt 264
- Geras, Prämonstratenser-Chorherrenstift 283
- Göttweig, Benediktinerstift 294
- Heiligenkreuz, Zisterzienserstift 315
- Herzogenburg, Augustiner-Chorherrenstift 335
- Horn, Piaristenkirche 347
- Klosterneuburg, Augustiner-Chorherrenstift 352
- Krems, Piaristenkirche 367
- Krems, Pfarrkirche St. Veit 380
- Lilienfeld, Zisterzienserstift 386
- Melk, Benediktinerstift 408
- St. Marein, Pfarrkirche hl. Maria 434
- St. Pölten, Dom- und Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 436
- Seitenstetten, Benediktinerstift 452
- Wiener Neustadt, Zisterzienserstift Neukloster 466
- Zwettl, Zisterzienserstift 477
- III. Sakralbauten in Oberösterreich 500
- Baumgartenberg, Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 500
- Kremsmünster, Benediktinerstift 512
- Lambach, Benediktinerstift 534
- Linz, Jesuitenkirche (Alter Dom) 551
- Linz, Karmelitenkloster 566
- Linz, Seminarkirche Hl. Kreuz 572
- St. Florian, Augustiner-Chorherrenstift 580
- Schlägl, Prämonstratenser-Chorherrenstift 607
- Schlierbach, Zisterzienserstift 621
- Waldhausen, Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 631
- Wilhering, Zisterzienserstift 638
- Teil 4 Zusammenfassung und Ausblick – Glossar – Verzeichnisse –
- Literatur
- Zusammenfassung und Ausblick 659
- Zum Aufbau des Buchs 659
- Historischer Abriss 660
- Entwicklungsgeschichte der Kirchenmöbel 661
- Zur Einrichtung verschiedener Räume in Kirchen und Klöstern 662
- Zur Hierarchie sakraler Einrichtungen 663
- Die Auftraggeber und ihr Einfluss auf die Kunstentwicklung 663
- Zum Verhältnis zwischen Auftraggebern, Architekten und Handwerkern 665
- Zu den Tischlern 665
- Stilistische Entwicklung der Möbel 666
- Regionale Besonderheiten 667
- Fazit und Ausblick 668
- Glossar 670
- Ortsindex 678
- Künstlerverzeichnis 682
- Abkürzungsverzeichnis 688
- Abbildungsnachweis 692
- Literaturverzeichnis 693