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114 | Sakristeien
dass sich in den hier untersuchten barocken Sakristeien keine Exemplare erhalten
haben, lässt auf ähnliche Einrichtungsmuster im profanen und sakralen Ambiente
schließen.305 Gleichwohl kamen solche Möbel auch später noch vereinzelt vor, wie ein
Stich Salomon Kleiners (1703–1761) von 1734 mit der Ansicht eines der Vorzimmer
im piano nobile des Belvederes in Wien nahelegt. Neben einem Schaubuffet und einem
Konsoltisch stand dort auch eine Truhe.306
Die von Borromeo erwähnten Truhenbänke dürfte Müller dagegen als Einrichtungs-
gegenstand von Sakristeien a priori gedanklich ausgeschlossen haben. Anders als in der
Einrichtung Italiens, wo ihnen seit der Renaissance als cassapanche eine bedeutende
Rolle innerhalb der Interieurs zukam, waren solche Möbel im süddeutschen und öster-
reichischen Kunstraum weitgehend unbekannt. Und dennoch zählten sie gelegentlich
auch hier zur Raumausstattung : Als ein prominentes Beispiel für das Vorkommen
solcher Truhenbänke kann die Residenz in Salzburg angeführt werden, für die im
18. Jahrhundert eine ganze Serie kurzer cassapanche gebaut wurde. In Süddeutsch-
land wäre der Blick nach Augsburg zu richten, dessen wohlhabende Kaufmannschaft
die Eingangshallen ihrer Wohnhäuser mit solchen Möbeln ausstatten ließ.307 Auch
dort nahm man sich offenbar originär italienische Einrichtungen zum Vorbild. Und
in Wien wäre auf das heutige Salvatorianer- und frühere Barnabitenkloster zu verwei-
sen, wo sich in einem Durchgangszimmer zum Sommerrefektorium zwei kleine Tru-
henbänke erhalten haben, die durch ihre Form an italienische Exemplare erinnern.308
Außerdem finden sich im Kapitelsaal dieses Klosters zwei lange, mit niedriger Rü-
ckenlehne und seitlichen Armlehnen ausgestattete Bänke aus dem fortgeschrittenen
18. Jahrhundert. Die in Einzelsegmente unterteilten Möbel sind mit aufklappbaren
Sitzbrettern ausgestattet und besitzen eine mäßig hohe Lehne, die zusammen mit der
Vorderwand durchgehend konstruiert ist. Solche Möbel greifen die Gestaltung jener
Truhenbänke auf, die Borromeo in seinem Traktat angesprochen hatte ; in italienischen
Sakristeien werden sie häufig die Freiräume zwischen den Sakris teischränken einge-
nommen haben.309
305 In bäuerlichen Haushalten waren Truhen länger in Verwendung.
306 Kleiner, Belvedere (2010), dritter Teil.
307 Haindl, Klebealbum (2010), bes. Abb. S. 68, 122, 142, 170, 171, 174, 175, 178, 179.
308 Gegen Ende des 17. Jahrhunderts gezeichnete Skizzen von Diacinto Maria Marmi (ca. 1625–1702)
zur Einrichtung von Medici-Palästen vergegenwärtigen solche Möbelstücke in ihrem ursprünglichen
Umfeld. Barocchi/Bertelà, Arredi (1990), 34, 36, 37. Außerdem González-Palacios, Mobile (1996),
Abb. 148, oder Botteri Ottaviani/Dal Prà/Mich, Arte (2007), 256–258 mit cassapanche aus dem
18. Jahrhundert im Palazzo Reale in Genua und im Castel Thun bei Trient.
309 In Italien wählte man häufig eine Variante mit hohem Dorsale. Ferrari, Legno [ca. 1928], 270, Taf.
70 ;
Colombo, L’arte (1981), Abb. 179.
Sakralmöbel aus Österreich
Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus, Volume I: Östliche Landsteile
- Title
- Sakralmöbel aus Österreich
- Subtitle
- Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus
- Volume
- I: Östliche Landsteile
- Author
- Michael Bohr
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20512-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 730
- Keywords
- Baroque, applied arts, church furnishings, Barock, Kunsthandwerk, Sakralmöbel
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Teil 1 Vorbemerkungen
- Teil 2 Grundlegendes
- I. Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und Tischlerarbeiten 31
- Zur Barockisierung von Weltkirchen und Klöstern 31
- Tischlerwerkstätten in Wien 33
- Tischlerwerkstätten auf dem Land 36
- Zur Größe der Werkstätten 40
- Zur Zusammenarbeit von Tischlern mit andern Handwerkern 41
- Zur Beschaffung des benötigten Holzes 43
- Zur Qualität des Holzes und zum System der Vergütung von Tischlern 43
- Nachlassende Qualität der Tischlererzeugnisse im fortgeschrittenen 18. Jahrhundert 46
- Zu den verwendeten Materialien 48
- Zur Oberflächenveredelung und Restaurierung 51
- Exkurs : Technische Innovationen als Grundlage der Entwicklung neuer Gestaltungsformen 55
- II. Gestaltungsfragen, Stilformen und Ornamente 58
- III. Die Entwicklung des Kirchenmobiliars 81
- IV. Sakristeien 101
- Ihre Lage innerhalb des Raumgefüges 101
- Der Klosterplan von St. Gallen und frühe Sakristeimöbel 102
- Zur Funktion von Sakristeien, barocke Sakristeieinrichtungen und die Schriften von Carlo Borromeo und Jacob Müller 104
- Altäre und Scheinaltäre 104
- Lavabos 106
- Sakristeischränke und Ankleidekredenzen 107
- Zur Entwicklungsgeschichte der Sakristeischränke 110
- Ankleidetische und Tischkästen 111
- Truhen und Truhenbänke 113
- Beichtstühle 115
- Betpulte, Kniebänke und Bankpulte 116
- V. Mobiliar in Nebenräumen von Kirchen und Klöstern 118
- VI.Zur Hierarchie von Räumen und Möbeln 127
- I. Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und Tischlerarbeiten 31
- Teil 3 Katalog – Beiträge zu den Sakralanlagen – Tafeln
- Hinweise 133
- Hinweise zu Provenienzen, Datierungen und Materialien 133
- Hinweise zu den angegebenen Maßen 133
- Hinweise zu den zitierten Schriftquellen 134
- I. Sakralbauten in Wien 135
- II. Sakralbauten in Niederösterreich 247
- Altenburg, Benediktinerstift 247
- Ardagger, Pfarrkirche hl. Margarete 260
- Dürnstein, Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt 264
- Geras, Prämonstratenser-Chorherrenstift 283
- Göttweig, Benediktinerstift 294
- Heiligenkreuz, Zisterzienserstift 315
- Herzogenburg, Augustiner-Chorherrenstift 335
- Horn, Piaristenkirche 347
- Klosterneuburg, Augustiner-Chorherrenstift 352
- Krems, Piaristenkirche 367
- Krems, Pfarrkirche St. Veit 380
- Lilienfeld, Zisterzienserstift 386
- Melk, Benediktinerstift 408
- St. Marein, Pfarrkirche hl. Maria 434
- St. Pölten, Dom- und Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 436
- Seitenstetten, Benediktinerstift 452
- Wiener Neustadt, Zisterzienserstift Neukloster 466
- Zwettl, Zisterzienserstift 477
- III. Sakralbauten in Oberösterreich 500
- Baumgartenberg, Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 500
- Kremsmünster, Benediktinerstift 512
- Lambach, Benediktinerstift 534
- Linz, Jesuitenkirche (Alter Dom) 551
- Linz, Karmelitenkloster 566
- Linz, Seminarkirche Hl. Kreuz 572
- St. Florian, Augustiner-Chorherrenstift 580
- Schlägl, Prämonstratenser-Chorherrenstift 607
- Schlierbach, Zisterzienserstift 621
- Waldhausen, Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 631
- Wilhering, Zisterzienserstift 638
- Teil 4 Zusammenfassung und Ausblick – Glossar – Verzeichnisse –
- Literatur
- Zusammenfassung und Ausblick 659
- Zum Aufbau des Buchs 659
- Historischer Abriss 660
- Entwicklungsgeschichte der Kirchenmöbel 661
- Zur Einrichtung verschiedener Räume in Kirchen und Klöstern 662
- Zur Hierarchie sakraler Einrichtungen 663
- Die Auftraggeber und ihr Einfluss auf die Kunstentwicklung 663
- Zum Verhältnis zwischen Auftraggebern, Architekten und Handwerkern 665
- Zu den Tischlern 665
- Stilistische Entwicklung der Möbel 666
- Regionale Besonderheiten 667
- Fazit und Ausblick 668
- Glossar 670
- Ortsindex 678
- Künstlerverzeichnis 682
- Abkürzungsverzeichnis 688
- Abbildungsnachweis 692
- Literaturverzeichnis 693