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Mobiliar in Nebenräumen von Kirchen und Klöstern |
121Refektorien
– Lage und Einrichtung
gemauerten Sockel verputzte, teilweise mit Freskenzyklen, Stuckarbeiten und Vergol-
dungen verzierte Wände aufweisen. Solchen prachtvollen Speisesälen der alten Orden
stehen die kleineren Räume der jüngeren Orden mit ihren mannshohen Holzver-
täfelungen gegenüber. In Wien geben die Klöster der Barnabiten und Franziskaner
(Abb. 25) dafür treffliche Beispiele ab.326 Zwar gehören Gemälde auch zur Ausstat-
tung dieser Zimmer, doch sind die Refektorien der beiden Klöster nur sparsam deko-
riert. Repräsentationsaufgaben, die den Sälen der alten Orden offensichtlich zukamen,
wurden hier aufgegeben, in den Vordergrund rückte die Funktion.
Solche Überlegungen werden zudem durch die Art und die Gestaltung des Mobi-
liars zum Ausdruck gebracht. Sind die mit Marketerien geschmückten Tische in den
Abteien der alten Orden auf drei Seiten geschlossen und nur zur Wand hin geöffnet,
befinden sich im Speisesaal der Wiener Franziskaner schlichte, von Wangen getragene
Möbel, die wie profane Exemplare rundum offen sind.327 Weitere Beispiele für diese
Art der Einrichtung kennen wir aus dem Franziskanerkloster Frauenkirchen im Bur-
genland sowie aus dem Refektorium des Jesuitenklosters in Trençin (Trentschin), einer
slowakischen, etwa 200 km nordöstlich von Wien gelegenen Kleinstadt.328
Darüber hinaus unterscheiden sich die Sitzmöbel in den Refektorien dieser drei
Klöster von jenen anderer Abteien. Stehen den Konventmitgliedern der landständi-
schen Orden in den Speisesälen meist Einzelstühle zur Verfügung, so brachte man
an den Vertäfelungen in den Speiseräumen der Franziskaner, Jesuiten und Barnabi-
ten umlaufende Bänke für die Konventualen an. In der Hierarchie des Möbels, die
im 18. Jahrhundert namentlich in Verbindung mit der höfischen Inneneinrichtung
Bedeutung erlangte, nahmen Einzelstühle den Vorrang vor Sitzbänken ein. Tatsäch-
lich unterstreichen Stühle die Individualität der Personen, die sie verwenden, während
beim Gebrauch von Bänken jegliche Form des Individualismus aufgegeben wird. Bei
der Einrichtung der Refektorien der jüngeren Orden orientierte man sich vermutlich
an italienischen Vorbildern.329 Anders als die Interieurs der Benediktiner oder Zister-
zienser entspricht das vielleicht eher der in den Klöstern alle Lebensbereiche durch-
dringenden Vorstellung von einer zusammengehörenden Gruppe von Mönchen und
ihrer besonderen monastischen Lebensform, dem Koinobitentum. Und in ganz be-
sonderer Weise kommt der demonstrativ zur Schau gestellte Kollektivismus zweifellos
326 Zum Refektorium des Barnabitenklosters Hladky, Kirchenmöbel (2003), Bd. 1, 67–68, 82–83, Bd. 2,
Abb. 189–191.
327 Die Tische des Refektoriums der Barnabiten sind verloren.
328 Das Kloster in Frauenkirchen wird im zweiten Band der Untersuchung besprochen. Zur Raumaus-
stattung des Jesuitenklosters, die sich heute im Besitz des Museums für Kunstgewerbe zu Budapest
befindet, vgl. Batári/Vadászi Furniture (2000), S. 77, 78.
329 Schottmüller, Wohnungskultur (1921), Taf. 65–67, 151, 152 ; Ferrari, Legno [ca. 1928], T. 3, Taf. 79.
Sakralmöbel aus Österreich
Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus, Volume I: Östliche Landsteile
- Title
- Sakralmöbel aus Österreich
- Subtitle
- Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus
- Volume
- I: Östliche Landsteile
- Author
- Michael Bohr
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20512-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 730
- Keywords
- Baroque, applied arts, church furnishings, Barock, Kunsthandwerk, Sakralmöbel
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Teil 1 Vorbemerkungen
- Teil 2 Grundlegendes
- I. Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und Tischlerarbeiten 31
- Zur Barockisierung von Weltkirchen und Klöstern 31
- Tischlerwerkstätten in Wien 33
- Tischlerwerkstätten auf dem Land 36
- Zur Größe der Werkstätten 40
- Zur Zusammenarbeit von Tischlern mit andern Handwerkern 41
- Zur Beschaffung des benötigten Holzes 43
- Zur Qualität des Holzes und zum System der Vergütung von Tischlern 43
- Nachlassende Qualität der Tischlererzeugnisse im fortgeschrittenen 18. Jahrhundert 46
- Zu den verwendeten Materialien 48
- Zur Oberflächenveredelung und Restaurierung 51
- Exkurs : Technische Innovationen als Grundlage der Entwicklung neuer Gestaltungsformen 55
- II. Gestaltungsfragen, Stilformen und Ornamente 58
- III. Die Entwicklung des Kirchenmobiliars 81
- IV. Sakristeien 101
- Ihre Lage innerhalb des Raumgefüges 101
- Der Klosterplan von St. Gallen und frühe Sakristeimöbel 102
- Zur Funktion von Sakristeien, barocke Sakristeieinrichtungen und die Schriften von Carlo Borromeo und Jacob Müller 104
- Altäre und Scheinaltäre 104
- Lavabos 106
- Sakristeischränke und Ankleidekredenzen 107
- Zur Entwicklungsgeschichte der Sakristeischränke 110
- Ankleidetische und Tischkästen 111
- Truhen und Truhenbänke 113
- Beichtstühle 115
- Betpulte, Kniebänke und Bankpulte 116
- V. Mobiliar in Nebenräumen von Kirchen und Klöstern 118
- VI.Zur Hierarchie von Räumen und Möbeln 127
- I. Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und Tischlerarbeiten 31
- Teil 3 Katalog – Beiträge zu den Sakralanlagen – Tafeln
- Hinweise 133
- Hinweise zu Provenienzen, Datierungen und Materialien 133
- Hinweise zu den angegebenen Maßen 133
- Hinweise zu den zitierten Schriftquellen 134
- I. Sakralbauten in Wien 135
- II. Sakralbauten in Niederösterreich 247
- Altenburg, Benediktinerstift 247
- Ardagger, Pfarrkirche hl. Margarete 260
- Dürnstein, Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt 264
- Geras, Prämonstratenser-Chorherrenstift 283
- Göttweig, Benediktinerstift 294
- Heiligenkreuz, Zisterzienserstift 315
- Herzogenburg, Augustiner-Chorherrenstift 335
- Horn, Piaristenkirche 347
- Klosterneuburg, Augustiner-Chorherrenstift 352
- Krems, Piaristenkirche 367
- Krems, Pfarrkirche St. Veit 380
- Lilienfeld, Zisterzienserstift 386
- Melk, Benediktinerstift 408
- St. Marein, Pfarrkirche hl. Maria 434
- St. Pölten, Dom- und Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 436
- Seitenstetten, Benediktinerstift 452
- Wiener Neustadt, Zisterzienserstift Neukloster 466
- Zwettl, Zisterzienserstift 477
- III. Sakralbauten in Oberösterreich 500
- Baumgartenberg, Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 500
- Kremsmünster, Benediktinerstift 512
- Lambach, Benediktinerstift 534
- Linz, Jesuitenkirche (Alter Dom) 551
- Linz, Karmelitenkloster 566
- Linz, Seminarkirche Hl. Kreuz 572
- St. Florian, Augustiner-Chorherrenstift 580
- Schlägl, Prämonstratenser-Chorherrenstift 607
- Schlierbach, Zisterzienserstift 621
- Waldhausen, Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 631
- Wilhering, Zisterzienserstift 638
- Teil 4 Zusammenfassung und Ausblick – Glossar – Verzeichnisse –
- Literatur
- Zusammenfassung und Ausblick 659
- Zum Aufbau des Buchs 659
- Historischer Abriss 660
- Entwicklungsgeschichte der Kirchenmöbel 661
- Zur Einrichtung verschiedener Räume in Kirchen und Klöstern 662
- Zur Hierarchie sakraler Einrichtungen 663
- Die Auftraggeber und ihr Einfluss auf die Kunstentwicklung 663
- Zum Verhältnis zwischen Auftraggebern, Architekten und Handwerkern 665
- Zu den Tischlern 665
- Stilistische Entwicklung der Möbel 666
- Regionale Besonderheiten 667
- Fazit und Ausblick 668
- Glossar 670
- Ortsindex 678
- Künstlerverzeichnis 682
- Abkürzungsverzeichnis 688
- Abbildungsnachweis 692
- Literaturverzeichnis 693