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170 | Sakralbauten in Wien
Der vor der Nordostwand der Sakristei situierte Aufsatzschrank nimmt die gesamte
Raumbreite ein, während zwei Zimmertüren, die den Zugang zum Kolleg vermitteln,
die Länge des anderen Schranks vorgeben (Abb. 28, 29). Die Möbel stehen nicht
auf Podesten, sondern auf dem steinernen Fußboden. Ursprünglich dürfte dies anders
gewesen sein.
Pilasterartige Stützen unterteilen den Unterschrank des kleineren Möbels in vier
Achsen. Die schlichten Basen liegen auf der Höhe der Sockelleiste, die Kapitelle auf
jener des Abschlussgesimses. Die vertikalen Außenkanten des Möbels sind nach innen
verkröpft und abgerundet, Türen in Front und Schmalseiten verschließen innenlie-
gende Fächer. Den Aufsatz stützt ein langgezogener, abgerundeter und mit Blattvo-
luten strukturierter Sockel. Über den Voluten erheben sich vollrunde Säulen, Kelch-
kästen füllen die Interkolumnien. Bemerkenswert ist die Art der Konstruktion, da die
Tischler von den Seiten her je zwei Laden in den Aufsatz eingeschoben haben, eine in
den Sockelkasten, eine weitere in einen Hohlraum hinter den Kelchfächern. Ein auf
1679 datierter Uhrenkasten betont die Möbelmitte. Er wird von einem Sprenggiebel
bekrönt, in den Sockel ist eine Nische mit einer Liegefigur der hl.
Philomena eingelas-
sen. Über den Außenkanten des Oberschranks stehen Skulpturen der Ordensheiligen
und Kirchenpatrone Ignatius und Franz Xaver. Den Raum zwischen ihnen und der
Uhr nehmen ornamentale Schnitzarbeiten ein.
Die Ankleidekredenz vor der Nordostwand ist analog aufgebaut. Der Aufsatz be-
steht aus dreizehn Kelchkästen, der Unterschrank aus fünf mit Doppeltüren verschlos-
senen Fächern. Über dem Gebälk folgen Piedestale mit Kugeln sowie geschnitzte
Verbindungselemente. In der Mitte prangt eine tropfenförmige Kartusche mit den
Zeichen der Jesuiten.
Doch schauen wir uns die Möbel im Detail an : Den rechtwinklig gearbeiteten seit-
lichen Außenkanten des Aufsatzes stehen unten abgerundete Ecken gegenüber. Oben
übernehmen Säulen die architektonische Instrumentierung, unten gewellte pilaster-
artige Bänder. Die Füllungen der Aufsätze sind verkröpft, während die Binnenfelder
der Substruktionen schlichte Rechteckform einnehmen. Oben umranden Flammleis-
ten und Perlschnüre die Füllungen, unten hat man auf entsprechende Profilleisten
verzichtet. Furniere aus Nussbaum, Nussbaummaser, Pappelmaser und Blumenesche
dekorieren die Oberschränke, die Unterschränke Furniere aus Nussbaum und Nuss-
baummaserholz. Oben zieren elliptische, nach vorn gekrümmte und geschwärzte Fel-
der mit Perlmuttintarsien die Füllungen, unten treten die Binnenfelder bossenartig,
aber mit glatter Oberfläche nach vorn. Schließlich bestehen die Schlüsselschilder oben
aus poliertem Eisen, unten dagegen aus Messingblech. All das gibt deutlich zu er-
kennen, dass Ober- und Unterschränke nicht gleichzeitig, sondern im Abstand von
einigen Jahrzehnten entstanden. Die Oberschränke werden wie die Uhr auf die Jahre
Sakralmöbel aus Österreich
Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus, Volume I: Östliche Landsteile
- Title
- Sakralmöbel aus Österreich
- Subtitle
- Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus
- Volume
- I: Östliche Landsteile
- Author
- Michael Bohr
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20512-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 730
- Keywords
- Baroque, applied arts, church furnishings, Barock, Kunsthandwerk, Sakralmöbel
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Teil 1 Vorbemerkungen
- Teil 2 Grundlegendes
- I. Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und Tischlerarbeiten 31
- Zur Barockisierung von Weltkirchen und Klöstern 31
- Tischlerwerkstätten in Wien 33
- Tischlerwerkstätten auf dem Land 36
- Zur Größe der Werkstätten 40
- Zur Zusammenarbeit von Tischlern mit andern Handwerkern 41
- Zur Beschaffung des benötigten Holzes 43
- Zur Qualität des Holzes und zum System der Vergütung von Tischlern 43
- Nachlassende Qualität der Tischlererzeugnisse im fortgeschrittenen 18. Jahrhundert 46
- Zu den verwendeten Materialien 48
- Zur Oberflächenveredelung und Restaurierung 51
- Exkurs : Technische Innovationen als Grundlage der Entwicklung neuer Gestaltungsformen 55
- II. Gestaltungsfragen, Stilformen und Ornamente 58
- III. Die Entwicklung des Kirchenmobiliars 81
- IV. Sakristeien 101
- Ihre Lage innerhalb des Raumgefüges 101
- Der Klosterplan von St. Gallen und frühe Sakristeimöbel 102
- Zur Funktion von Sakristeien, barocke Sakristeieinrichtungen und die Schriften von Carlo Borromeo und Jacob Müller 104
- Altäre und Scheinaltäre 104
- Lavabos 106
- Sakristeischränke und Ankleidekredenzen 107
- Zur Entwicklungsgeschichte der Sakristeischränke 110
- Ankleidetische und Tischkästen 111
- Truhen und Truhenbänke 113
- Beichtstühle 115
- Betpulte, Kniebänke und Bankpulte 116
- V. Mobiliar in Nebenräumen von Kirchen und Klöstern 118
- VI.Zur Hierarchie von Räumen und Möbeln 127
- I. Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und Tischlerarbeiten 31
- Teil 3 Katalog – Beiträge zu den Sakralanlagen – Tafeln
- Hinweise 133
- Hinweise zu Provenienzen, Datierungen und Materialien 133
- Hinweise zu den angegebenen Maßen 133
- Hinweise zu den zitierten Schriftquellen 134
- I. Sakralbauten in Wien 135
- II. Sakralbauten in Niederösterreich 247
- Altenburg, Benediktinerstift 247
- Ardagger, Pfarrkirche hl. Margarete 260
- Dürnstein, Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt 264
- Geras, Prämonstratenser-Chorherrenstift 283
- Göttweig, Benediktinerstift 294
- Heiligenkreuz, Zisterzienserstift 315
- Herzogenburg, Augustiner-Chorherrenstift 335
- Horn, Piaristenkirche 347
- Klosterneuburg, Augustiner-Chorherrenstift 352
- Krems, Piaristenkirche 367
- Krems, Pfarrkirche St. Veit 380
- Lilienfeld, Zisterzienserstift 386
- Melk, Benediktinerstift 408
- St. Marein, Pfarrkirche hl. Maria 434
- St. Pölten, Dom- und Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 436
- Seitenstetten, Benediktinerstift 452
- Wiener Neustadt, Zisterzienserstift Neukloster 466
- Zwettl, Zisterzienserstift 477
- III. Sakralbauten in Oberösterreich 500
- Baumgartenberg, Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 500
- Kremsmünster, Benediktinerstift 512
- Lambach, Benediktinerstift 534
- Linz, Jesuitenkirche (Alter Dom) 551
- Linz, Karmelitenkloster 566
- Linz, Seminarkirche Hl. Kreuz 572
- St. Florian, Augustiner-Chorherrenstift 580
- Schlägl, Prämonstratenser-Chorherrenstift 607
- Schlierbach, Zisterzienserstift 621
- Waldhausen, Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 631
- Wilhering, Zisterzienserstift 638
- Teil 4 Zusammenfassung und Ausblick – Glossar – Verzeichnisse –
- Literatur
- Zusammenfassung und Ausblick 659
- Zum Aufbau des Buchs 659
- Historischer Abriss 660
- Entwicklungsgeschichte der Kirchenmöbel 661
- Zur Einrichtung verschiedener Räume in Kirchen und Klöstern 662
- Zur Hierarchie sakraler Einrichtungen 663
- Die Auftraggeber und ihr Einfluss auf die Kunstentwicklung 663
- Zum Verhältnis zwischen Auftraggebern, Architekten und Handwerkern 665
- Zu den Tischlern 665
- Stilistische Entwicklung der Möbel 666
- Regionale Besonderheiten 667
- Fazit und Ausblick 668
- Glossar 670
- Ortsindex 678
- Künstlerverzeichnis 682
- Abkürzungsverzeichnis 688
- Abbildungsnachweis 692
- Literaturverzeichnis 693