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276 | Sakralbauten in Niederösterreich
vergegenwärtigen.213 Die geschnitzten Bilder auf dem Gesims zeigen Christus als Sal-
vator mundi, das Taufmysterium, den Hl. Geist, den Auferstandenen, die Schöpfung
sowie die Jungfrau Maria. Durch Ausgestaltung und ikonografisches Programm steht
das Gestühl singulär in unserer Kunstlandschaft.214
Wie bereits erwähnt, berichtet Übelbacher in seinem Schreibkalender erstmals 1721
von Planungen für das Gestühl. Zwei Jahre später, am 27.
Februar 1723, findet sich ein
Eintrag, dem zufolge der Tischlermeister Hippolyt Nallenburg sowie der Bildhauer
Joseph Päbel (1683–1742) das Stift besuchten, offensichtlich um die Vorgehensweise
beim Bau des Möbels zu besprechen.215 Ein paar Tage danach kam es mit Nallenburg
zur Vertragsunterzeichnung :
Den 7. Martii mit ihme auf die chorstüll, so 14 standt außtragen, gehandlet, daß er solche von nuß-
baumenen fournier und flatter sauber und schön machen wolle, gleich wie es das von h(err)n Carl
Haringer angegebene modell und der von ihme hierüber verfertigte riß mit mehrern außweißet, die
arbeith aber deß m(eister)tischler solle so schön und sauber gemacht werden, alß es an denen von
ihme in dem h(erre)ncloster zu St. Pöltten verfertigten chorstüllen zu sechen ist. Hingegen werden
ihme für solche arbeith 200 fl. bezahlt werden, zu einen leykauff aber verspricht man 2 e(imer)
wein capitlspeiß, 2 stöckh saltz und 1 Cremnüzer duggaten, doch mit dißer bedingnus, daß besagte
chorstüll biß ad festum s(ancti) Augustini [28. August] diß lauffenden jahrs verfertigt und aufge-
sezt werden, dan widrigens wurde man an besagten leykauff nicht gebunden oder zu geben schuldig
sein. NB : Item die kost für ihme und seine leuth bey den aufsezen, vide mense Maio fol(ium)
3, was
er empfangen.216
Dem Vernehmen nach sollte Nallenburg das Gestühl gemäß dem Riss des Malers
und Architekten Carl Joseph Haringer (nachgew. 1716/17–1746) anfertigen. Für seine
Arbeit versprach ihm der Propst 200
Gulden, außerdem eine Prämie, falls das Gestühl
bis zum Festtag des hl. Augustinus am 28. August aufgestellt sein würde. Über die
beiden Einzelstallen wurde im Nachhinein verhandelt. Übelbacher beauftragte den
Tischler mit ihrem Bau am 31. Oktober 1723, der sie bereits zwei Monate später, am
213 Das »Te Deum laudamus« wird zur Matutin an Sonn- und Festtagen sowie zu besonderen Anlässen
gesungen.
214 Weitere mit Reliefs geschmückte Gestühle, aber mit anderen ikonografischen Programmen, befinden
sich in Heiligenkreuz, Krems, St. Pölten und Melk (Farbtaf. 10, 15, 17 ; Abb. 190).
215 Penz, Kalendernotizen (2013), 247.
216 Zitiert nach Penz, ebd., 251. Vgl. auch Pauker, Kirche (1910), 278. Handwerker in Dürnstein erhielten
als Teil der Entlohnung neben barer Münze und den üblichen Nahrungsmitteln oft größere Mengen
an Speisesalz. Das erklärt sich aus einem Salzprivileg, welches das Stift seit dem 15. Jahrhundert ge-
noss. Es erhielt das Deputat bis ins Jahr 1740. Schmettan, Chorherrenstift (1948), 65.
Sakralmöbel aus Österreich
Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus, Volume I: Östliche Landsteile
- Title
- Sakralmöbel aus Österreich
- Subtitle
- Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus
- Volume
- I: Östliche Landsteile
- Author
- Michael Bohr
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20512-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 730
- Keywords
- Baroque, applied arts, church furnishings, Barock, Kunsthandwerk, Sakralmöbel
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Teil 1 Vorbemerkungen
- Teil 2 Grundlegendes
- I. Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und Tischlerarbeiten 31
- Zur Barockisierung von Weltkirchen und Klöstern 31
- Tischlerwerkstätten in Wien 33
- Tischlerwerkstätten auf dem Land 36
- Zur Größe der Werkstätten 40
- Zur Zusammenarbeit von Tischlern mit andern Handwerkern 41
- Zur Beschaffung des benötigten Holzes 43
- Zur Qualität des Holzes und zum System der Vergütung von Tischlern 43
- Nachlassende Qualität der Tischlererzeugnisse im fortgeschrittenen 18. Jahrhundert 46
- Zu den verwendeten Materialien 48
- Zur Oberflächenveredelung und Restaurierung 51
- Exkurs : Technische Innovationen als Grundlage der Entwicklung neuer Gestaltungsformen 55
- II. Gestaltungsfragen, Stilformen und Ornamente 58
- III. Die Entwicklung des Kirchenmobiliars 81
- IV. Sakristeien 101
- Ihre Lage innerhalb des Raumgefüges 101
- Der Klosterplan von St. Gallen und frühe Sakristeimöbel 102
- Zur Funktion von Sakristeien, barocke Sakristeieinrichtungen und die Schriften von Carlo Borromeo und Jacob Müller 104
- Altäre und Scheinaltäre 104
- Lavabos 106
- Sakristeischränke und Ankleidekredenzen 107
- Zur Entwicklungsgeschichte der Sakristeischränke 110
- Ankleidetische und Tischkästen 111
- Truhen und Truhenbänke 113
- Beichtstühle 115
- Betpulte, Kniebänke und Bankpulte 116
- V. Mobiliar in Nebenräumen von Kirchen und Klöstern 118
- VI.Zur Hierarchie von Räumen und Möbeln 127
- I. Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und Tischlerarbeiten 31
- Teil 3 Katalog – Beiträge zu den Sakralanlagen – Tafeln
- Hinweise 133
- Hinweise zu Provenienzen, Datierungen und Materialien 133
- Hinweise zu den angegebenen Maßen 133
- Hinweise zu den zitierten Schriftquellen 134
- I. Sakralbauten in Wien 135
- II. Sakralbauten in Niederösterreich 247
- Altenburg, Benediktinerstift 247
- Ardagger, Pfarrkirche hl. Margarete 260
- Dürnstein, Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt 264
- Geras, Prämonstratenser-Chorherrenstift 283
- Göttweig, Benediktinerstift 294
- Heiligenkreuz, Zisterzienserstift 315
- Herzogenburg, Augustiner-Chorherrenstift 335
- Horn, Piaristenkirche 347
- Klosterneuburg, Augustiner-Chorherrenstift 352
- Krems, Piaristenkirche 367
- Krems, Pfarrkirche St. Veit 380
- Lilienfeld, Zisterzienserstift 386
- Melk, Benediktinerstift 408
- St. Marein, Pfarrkirche hl. Maria 434
- St. Pölten, Dom- und Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 436
- Seitenstetten, Benediktinerstift 452
- Wiener Neustadt, Zisterzienserstift Neukloster 466
- Zwettl, Zisterzienserstift 477
- III. Sakralbauten in Oberösterreich 500
- Baumgartenberg, Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 500
- Kremsmünster, Benediktinerstift 512
- Lambach, Benediktinerstift 534
- Linz, Jesuitenkirche (Alter Dom) 551
- Linz, Karmelitenkloster 566
- Linz, Seminarkirche Hl. Kreuz 572
- St. Florian, Augustiner-Chorherrenstift 580
- Schlägl, Prämonstratenser-Chorherrenstift 607
- Schlierbach, Zisterzienserstift 621
- Waldhausen, Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 631
- Wilhering, Zisterzienserstift 638
- Teil 4 Zusammenfassung und Ausblick – Glossar – Verzeichnisse –
- Literatur
- Zusammenfassung und Ausblick 659
- Zum Aufbau des Buchs 659
- Historischer Abriss 660
- Entwicklungsgeschichte der Kirchenmöbel 661
- Zur Einrichtung verschiedener Räume in Kirchen und Klöstern 662
- Zur Hierarchie sakraler Einrichtungen 663
- Die Auftraggeber und ihr Einfluss auf die Kunstentwicklung 663
- Zum Verhältnis zwischen Auftraggebern, Architekten und Handwerkern 665
- Zu den Tischlern 665
- Stilistische Entwicklung der Möbel 666
- Regionale Besonderheiten 667
- Fazit und Ausblick 668
- Glossar 670
- Ortsindex 678
- Künstlerverzeichnis 682
- Abkürzungsverzeichnis 688
- Abbildungsnachweis 692
- Literaturverzeichnis 693