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Krems, St.
Veit | 383
An heut zu end gesezten dato ist zwischen denen von einem löbl. mag. der landsfürstl. stadt Krems
zu erbauung des hoch-altars in alhiesiger St. Veits pfarr kirchen verordneten commihsarys / :titul :/
h.
Johann Julian Werti v. Myhrenfeld, h.
Thomae Prenner, und h.
Johann Fuchs allen dreyen des in-
neren rath alda eines : dan h. Joseph Matthias Götz statuario und architecte v. s. Nicola bey Passau
andern theils, nachfolgender freywillig, iedoch beständiger contract errichtet worden. Alß
Erstlichen verspricht ersagter h. Götz die nächst dem erbauten hochaltar in gedachter pfarr-
kirchen erforderlichen wandstüll nach dem von ihme verfertigtem riß, und gemachtem überschlag,
welch beede anheut von wohlernentem mag. approbirt worden, bis auf das feste S.
Viti ao. 1736 von
erforder. gutem ausgedrücknetem holz anzuschaffen, und an orth und stell ohne weitere uncosten der
kirche oder stadt aufzusezen, dargegen
Andertens obbemelte h. commisary für erstberührte an orth, und stell, und in dem entworffenen
stand aufgesezte stüll neunhundert gulden rhein. und zwar also gleich bey schlüßung gegenwärtigen
contracts 200 fl, dan bey aufsezung derselben 400 fl und den überrest längstens bis ende angeregten
1736ten jahrs zu bezahlen sich verbunden.405
Bis zum 15. Juni 1736, dem Gedenktag des Kirchenheiligen, sollten die Arbeiten am
Gestühl beendet sein. In der Quelle werden die Sitze bezeichnenderweise wandstüll
und nicht Chorstühle genannt, da die Pfarrkirche zwar über ein Kapitel, aber nicht
über einen Konvent verfügte. Joseph Matthias Götz zeichnete den Riss zum Gestühl,
den der Innere Rat der Stadt approbierte, und leitete den Entwurf dann an den orts-
ansässigen Tischlermeister Gratwohl weiter, dessen Werkstatt das hölzerne Gerüst
lieferte. Dagegen fielen die Schnitzarbeiten in den Zuständigkeitsbereich des Bild-
hauerateliers von Götz.406 Den Regeln der Zunft war damit Genüge getan. Nur die
zeitliche Vorgabe stellte sich als zu ambitioniert heraus, da der Tischler noch im Juli
1736 am Gestühl arbeitete.
In Verbindung mit der Frage nach der Invention bietet sich wegen der szenischen
Reliefs zunächst ein Blick auf die gut zehn Jahre älteren Gestühle in der Dürnsteiner
Stiftskirche und der Domkirche zu St. Pölten an (Farbtaf. 07, 17). In Dürnstein sind
Verse aus dem Te Deum laudamus in figurativer Form wiedergegeben, in St. Pölten
Brustbilder der Apostel und das Martyrium der Heiligen. Die Vermutung liegt daher
nahe, dass sich Götz beim Entwurf der Kremser Stallen das Gestühl in der Domkirche
zum Vorbild genommen haben könnte. Dies umso mehr, als auch dort eine nahezu
405 Stadtarchiv Krems, Ingedenkbuch der K.K.L.F. Staedte Krems und Stein, Bd. 8 (1730–1760), 76–77.
406 Windisch-Graetz, Tischlerhandwerk (1971), 328–329 ; Bauernstätter, Götz (1986), 94. Die ÖKT,
Krems (1907), 217, sah Götz noch als den alleine Verantwortlichen. Heisig, Götz (2004), 229, mit
weiteren Literaturhinweisen zum Gestühl. Windisch-Graetz, ebd., 332–333, nennt unter den Kremser
Tischlern der Zeit keinen Meister namens Joseph Gratwohl, wohl aber einen gewissen Franz Grad-
wohl, vielleicht ein Verwandter Josephs.
Sakralmöbel aus Österreich
Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus, Volume I: Östliche Landsteile
- Title
- Sakralmöbel aus Österreich
- Subtitle
- Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus
- Volume
- I: Östliche Landsteile
- Author
- Michael Bohr
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20512-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 730
- Keywords
- Baroque, applied arts, church furnishings, Barock, Kunsthandwerk, Sakralmöbel
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Teil 1 Vorbemerkungen
- Teil 2 Grundlegendes
- I. Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und Tischlerarbeiten 31
- Zur Barockisierung von Weltkirchen und Klöstern 31
- Tischlerwerkstätten in Wien 33
- Tischlerwerkstätten auf dem Land 36
- Zur Größe der Werkstätten 40
- Zur Zusammenarbeit von Tischlern mit andern Handwerkern 41
- Zur Beschaffung des benötigten Holzes 43
- Zur Qualität des Holzes und zum System der Vergütung von Tischlern 43
- Nachlassende Qualität der Tischlererzeugnisse im fortgeschrittenen 18. Jahrhundert 46
- Zu den verwendeten Materialien 48
- Zur Oberflächenveredelung und Restaurierung 51
- Exkurs : Technische Innovationen als Grundlage der Entwicklung neuer Gestaltungsformen 55
- II. Gestaltungsfragen, Stilformen und Ornamente 58
- III. Die Entwicklung des Kirchenmobiliars 81
- IV. Sakristeien 101
- Ihre Lage innerhalb des Raumgefüges 101
- Der Klosterplan von St. Gallen und frühe Sakristeimöbel 102
- Zur Funktion von Sakristeien, barocke Sakristeieinrichtungen und die Schriften von Carlo Borromeo und Jacob Müller 104
- Altäre und Scheinaltäre 104
- Lavabos 106
- Sakristeischränke und Ankleidekredenzen 107
- Zur Entwicklungsgeschichte der Sakristeischränke 110
- Ankleidetische und Tischkästen 111
- Truhen und Truhenbänke 113
- Beichtstühle 115
- Betpulte, Kniebänke und Bankpulte 116
- V. Mobiliar in Nebenräumen von Kirchen und Klöstern 118
- VI.Zur Hierarchie von Räumen und Möbeln 127
- I. Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und Tischlerarbeiten 31
- Teil 3 Katalog – Beiträge zu den Sakralanlagen – Tafeln
- Hinweise 133
- Hinweise zu Provenienzen, Datierungen und Materialien 133
- Hinweise zu den angegebenen Maßen 133
- Hinweise zu den zitierten Schriftquellen 134
- I. Sakralbauten in Wien 135
- II. Sakralbauten in Niederösterreich 247
- Altenburg, Benediktinerstift 247
- Ardagger, Pfarrkirche hl. Margarete 260
- Dürnstein, Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt 264
- Geras, Prämonstratenser-Chorherrenstift 283
- Göttweig, Benediktinerstift 294
- Heiligenkreuz, Zisterzienserstift 315
- Herzogenburg, Augustiner-Chorherrenstift 335
- Horn, Piaristenkirche 347
- Klosterneuburg, Augustiner-Chorherrenstift 352
- Krems, Piaristenkirche 367
- Krems, Pfarrkirche St. Veit 380
- Lilienfeld, Zisterzienserstift 386
- Melk, Benediktinerstift 408
- St. Marein, Pfarrkirche hl. Maria 434
- St. Pölten, Dom- und Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 436
- Seitenstetten, Benediktinerstift 452
- Wiener Neustadt, Zisterzienserstift Neukloster 466
- Zwettl, Zisterzienserstift 477
- III. Sakralbauten in Oberösterreich 500
- Baumgartenberg, Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 500
- Kremsmünster, Benediktinerstift 512
- Lambach, Benediktinerstift 534
- Linz, Jesuitenkirche (Alter Dom) 551
- Linz, Karmelitenkloster 566
- Linz, Seminarkirche Hl. Kreuz 572
- St. Florian, Augustiner-Chorherrenstift 580
- Schlägl, Prämonstratenser-Chorherrenstift 607
- Schlierbach, Zisterzienserstift 621
- Waldhausen, Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 631
- Wilhering, Zisterzienserstift 638
- Teil 4 Zusammenfassung und Ausblick – Glossar – Verzeichnisse –
- Literatur
- Zusammenfassung und Ausblick 659
- Zum Aufbau des Buchs 659
- Historischer Abriss 660
- Entwicklungsgeschichte der Kirchenmöbel 661
- Zur Einrichtung verschiedener Räume in Kirchen und Klöstern 662
- Zur Hierarchie sakraler Einrichtungen 663
- Die Auftraggeber und ihr Einfluss auf die Kunstentwicklung 663
- Zum Verhältnis zwischen Auftraggebern, Architekten und Handwerkern 665
- Zu den Tischlern 665
- Stilistische Entwicklung der Möbel 666
- Regionale Besonderheiten 667
- Fazit und Ausblick 668
- Glossar 670
- Ortsindex 678
- Künstlerverzeichnis 682
- Abkürzungsverzeichnis 688
- Abbildungsnachweis 692
- Literaturverzeichnis 693