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Melk, Benediktinerstift | 425
wände überwuchern. Eine engere gedankliche und formale Verknüpfung von Archi-
tektur und Mobiliar hatte man damals noch nicht angestrebt. Beim anderen hier in-
teressierenden Entwurf handelt es sich um einen Grundriss Jakob Prandtauers von
1702.488 Auch dieser Plan zeigt das Chorgestühl, nicht aber dem aktuellen Zustand
entsprechend mit drei Reihen, sondern lediglich mit zwei. Als Folge davon ragen die
Stallen weniger tief in den Chorbereich hinein. Formal vermag diese Raumauftei-
lung eher als die heutige Situation zu überzeugen. Unstreitig war die Erweiterung des
Gestühls nicht das Ergebnis einer Überarbeitung des Architektenplanes, sondern die
Folge einer späteren Umformung des bereits bestehenden Möbels. Hinzugefügt wurde
beidseitig die vordere Sitzreihe, eine technische Besonderheit lässt dies erkennen : An
den alten Stallenreihen sind die Zinken auf herkömmliche Art als spitze Dreiecke
geformt, an der jüngeren Sitzreihe weisen sie hingegen die modernere Trapezform
auf. Die gleichmäßig und sauber gearbeiteten älteren Zinken dienen als zusätzliches
Zierornament, während beim Schneiden der neuen Verbindungsglieder auf eine ver-
gleichbar hohe ästhetische Qualität kein allzu großer Wert gelegt wurde.489
Die Dorsalereliefs erzählen Begebenheiten aus dem Leben Benedikts von Nursia,
die Papst Gregor der Große (um 540–604) in den Dialogi ausführlich schildert.490
Im Norden befinden sich in den Giebelfeldern Darstellungen mit dem Wasser- und
dem Mehlwunder, im Süden ist das Ölwunder vergegenwärtigt sowie die Zerstörung
eines antiken Apolloheiligtums zugunsten des Baus der Martinskapelle in Monte-
cassino (Farbtaf. 16 ; Abb. 227). Die hochovalen Reliefs zeigen weitere Wundertaten
Benedikts. Auf der Epistelseite sind dies : Romanus und Benedikt ; Benedikt und der
besessene Mönch ; Benedikt und der Gotenkönig Totila ; Besuch Benedikts bei seiner
Schwester Scholastika und das Regenwunder. Auf der Evangelienseite sind zu sehen :
Tod Benedikts ; Rettung eines verunglückten Mönches ; Benedikt und das Ostermahl ;
Benedikt und das Siebwunder. Wie eingangs erwähnt, kommt Darstellungen aus der
Vita Benedikts dem Freskenprogramm der Kirche eine zentrale Rolle zu. In Melk
488 Neunhundert Jahre Benediktiner ebd., 237, 240 ; Ellegast, Melk (2007), 52 ; Huber/Weigl, ebd., 31–32.
489 Erstaunlicherweise kann die Zahl der Stallen schon zur Zeit der Herstellung des Gestühls kaum aus-
reichend gewesen sein : In den Prioratsephemeriden wurden 1736 nicht weniger als 55 Patres und
16 Fratres aufgelistet. Bis zum frühen 19. Jahrhundert ging die Zahl der Mönche zunächst zurück,
um dann bis 1867 auf 83 Konventualen anzusteigen. Catalogus Benedictinorum (1813) ; Catalogus
Religiosorum (1867). Allerdings lebten bei Weitem nicht alle Mönche im Stift. Vor den josephinischen
Reformen war etwa jeder dritte Geistliche in Pfarrkirchen außerhalb des Klosters beschäftigt, später
sogar weit mehr als die Hälfte der Konventualen. Kowarik/Niederkorn-Bruck/Glaßner, Melk (2001),
584–585.
490 Die Vita Benedikts wurde von Papst Gregor in den Dialogi de vita et miraculis patrum italicorum be-
schrieben. Das Werk umfasst vier wahrscheinlich 593 oder 594 entstandene Bücher. Das zweite Buch
behandelt Benedikts Wirken.
Sakralmöbel aus Österreich
Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus, Volume I: Östliche Landsteile
- Title
- Sakralmöbel aus Österreich
- Subtitle
- Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus
- Volume
- I: Östliche Landsteile
- Author
- Michael Bohr
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20512-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 730
- Keywords
- Baroque, applied arts, church furnishings, Barock, Kunsthandwerk, Sakralmöbel
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Teil 1 Vorbemerkungen
- Teil 2 Grundlegendes
- I. Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und Tischlerarbeiten 31
- Zur Barockisierung von Weltkirchen und Klöstern 31
- Tischlerwerkstätten in Wien 33
- Tischlerwerkstätten auf dem Land 36
- Zur Größe der Werkstätten 40
- Zur Zusammenarbeit von Tischlern mit andern Handwerkern 41
- Zur Beschaffung des benötigten Holzes 43
- Zur Qualität des Holzes und zum System der Vergütung von Tischlern 43
- Nachlassende Qualität der Tischlererzeugnisse im fortgeschrittenen 18. Jahrhundert 46
- Zu den verwendeten Materialien 48
- Zur Oberflächenveredelung und Restaurierung 51
- Exkurs : Technische Innovationen als Grundlage der Entwicklung neuer Gestaltungsformen 55
- II. Gestaltungsfragen, Stilformen und Ornamente 58
- III. Die Entwicklung des Kirchenmobiliars 81
- IV. Sakristeien 101
- Ihre Lage innerhalb des Raumgefüges 101
- Der Klosterplan von St. Gallen und frühe Sakristeimöbel 102
- Zur Funktion von Sakristeien, barocke Sakristeieinrichtungen und die Schriften von Carlo Borromeo und Jacob Müller 104
- Altäre und Scheinaltäre 104
- Lavabos 106
- Sakristeischränke und Ankleidekredenzen 107
- Zur Entwicklungsgeschichte der Sakristeischränke 110
- Ankleidetische und Tischkästen 111
- Truhen und Truhenbänke 113
- Beichtstühle 115
- Betpulte, Kniebänke und Bankpulte 116
- V. Mobiliar in Nebenräumen von Kirchen und Klöstern 118
- VI.Zur Hierarchie von Räumen und Möbeln 127
- I. Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und Tischlerarbeiten 31
- Teil 3 Katalog – Beiträge zu den Sakralanlagen – Tafeln
- Hinweise 133
- Hinweise zu Provenienzen, Datierungen und Materialien 133
- Hinweise zu den angegebenen Maßen 133
- Hinweise zu den zitierten Schriftquellen 134
- I. Sakralbauten in Wien 135
- II. Sakralbauten in Niederösterreich 247
- Altenburg, Benediktinerstift 247
- Ardagger, Pfarrkirche hl. Margarete 260
- Dürnstein, Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt 264
- Geras, Prämonstratenser-Chorherrenstift 283
- Göttweig, Benediktinerstift 294
- Heiligenkreuz, Zisterzienserstift 315
- Herzogenburg, Augustiner-Chorherrenstift 335
- Horn, Piaristenkirche 347
- Klosterneuburg, Augustiner-Chorherrenstift 352
- Krems, Piaristenkirche 367
- Krems, Pfarrkirche St. Veit 380
- Lilienfeld, Zisterzienserstift 386
- Melk, Benediktinerstift 408
- St. Marein, Pfarrkirche hl. Maria 434
- St. Pölten, Dom- und Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 436
- Seitenstetten, Benediktinerstift 452
- Wiener Neustadt, Zisterzienserstift Neukloster 466
- Zwettl, Zisterzienserstift 477
- III. Sakralbauten in Oberösterreich 500
- Baumgartenberg, Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 500
- Kremsmünster, Benediktinerstift 512
- Lambach, Benediktinerstift 534
- Linz, Jesuitenkirche (Alter Dom) 551
- Linz, Karmelitenkloster 566
- Linz, Seminarkirche Hl. Kreuz 572
- St. Florian, Augustiner-Chorherrenstift 580
- Schlägl, Prämonstratenser-Chorherrenstift 607
- Schlierbach, Zisterzienserstift 621
- Waldhausen, Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 631
- Wilhering, Zisterzienserstift 638
- Teil 4 Zusammenfassung und Ausblick – Glossar – Verzeichnisse –
- Literatur
- Zusammenfassung und Ausblick 659
- Zum Aufbau des Buchs 659
- Historischer Abriss 660
- Entwicklungsgeschichte der Kirchenmöbel 661
- Zur Einrichtung verschiedener Räume in Kirchen und Klöstern 662
- Zur Hierarchie sakraler Einrichtungen 663
- Die Auftraggeber und ihr Einfluss auf die Kunstentwicklung 663
- Zum Verhältnis zwischen Auftraggebern, Architekten und Handwerkern 665
- Zu den Tischlern 665
- Stilistische Entwicklung der Möbel 666
- Regionale Besonderheiten 667
- Fazit und Ausblick 668
- Glossar 670
- Ortsindex 678
- Künstlerverzeichnis 682
- Abkürzungsverzeichnis 688
- Abbildungsnachweis 692
- Literaturverzeichnis 693