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Schlägl, Prämonstratenser-Chorherrenstift | 615
lassen sie sich von der Seite her einschieben. Der Kasten verfügt deshalb lediglich über
eine Tür an der Schmalseite, während seine Fassade durchgehend geschlossen ist. Sie
erinnert an die Front der beschriebenen Möbel mit dem Unterschied, dass nun auf
eine Säulenstellung verzichtet wurde. Stattdessen flankieren hier breite welsche Fenster
schmale Ädikulen mit Muschelnischen.
Wie das bei dieser Art von Möbeln meist der Fall ist, konstruierte man den Auf-
satz weniger tief als den Unterschrank. Dreiviertelsäulen, die den Eindruck erwecken,
sie bestünden aus aufeinander gestapelten Einzelstücken, strukturieren seine Front,
Flammleisten fassen die Füllungen ein. Schließlich muss noch auf die großen Beschläge
hingewiesen werden. Brachte man Beschläge sonst häufig an den Möbelinnenseiten an,
wurden sie hier gut sichtbar an der Außenseite befestigt, wo ihnen zusammen mit den
Schlüsselschildern die Funktion zusätzlicher Schmuckelemente zukommt.
An dem Möbel fallen besonders die formalen Gegensätze zwischen Aufsatz und
Substruktion auf. Bei der Herstellung der beiden Schrankteile wurde auf unterschied-
liche Zierelemente zurückgegriffen, Schnitzornamente fehlen oben zur Gänze. Daher
stellt sich die Frage, ob die beiden Schranksegmente wirklich gleichzeitig verfertigt
wurden, denn stilkritische Überlegungen deuten auf eine Entstehungszeit des Aufsat-
zes erst an der Schwelle vom 17. zum 18. Jahrhundert oder kurz danach. Möglicher-
weise wurde der originale Oberschrank damals durch einen neuen ersetzt. Denkbar
erscheint allerdings auch, dass das Möbel ursprünglich keinen Aufsatz besaß, womit
es sich um einen eigenständigen Tischkasten gehandelt hätte, dessen Bedeutung in
einem der einleitenden Kapitel beschrieben ist.794
Priestersakristei
1 Paramentenschrank
Frater Ulrich Koch (?), um 1650/60
H 310 cm x B 255 cm x T 97 cm
Nussbaum, Kirsch, massiv und furniert, Nadelholz. Eisen, ziseliert und verzinnt
In der Herren- oder Priestersakristei befinden sich zwei Paramentenschränke, die von
der Wand- und Raumgestaltung unabhängig sind und wie profane Kleiderschränke
ohne Weiteres auch in andern Zimmern stehen könnten.
Das eine Möbel verfügt über den für Fassadenschränke typischen Aufbau (Abb.
370).
Dreiviertelsäulen auf kräftigen Piedestalen strukturieren sein Hauptgeschoss. Die Tür-
füllungen besitzen wieder die Form von Ädikulen, werden aber hier von einer hohen
794 Kapitel »Einrichtung von Sakristeien«.
Sakralmöbel aus Österreich
Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus, Volume I: Östliche Landsteile
- Title
- Sakralmöbel aus Österreich
- Subtitle
- Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus
- Volume
- I: Östliche Landsteile
- Author
- Michael Bohr
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20512-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 730
- Keywords
- Baroque, applied arts, church furnishings, Barock, Kunsthandwerk, Sakralmöbel
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Teil 1 Vorbemerkungen
- Teil 2 Grundlegendes
- I. Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und Tischlerarbeiten 31
- Zur Barockisierung von Weltkirchen und Klöstern 31
- Tischlerwerkstätten in Wien 33
- Tischlerwerkstätten auf dem Land 36
- Zur Größe der Werkstätten 40
- Zur Zusammenarbeit von Tischlern mit andern Handwerkern 41
- Zur Beschaffung des benötigten Holzes 43
- Zur Qualität des Holzes und zum System der Vergütung von Tischlern 43
- Nachlassende Qualität der Tischlererzeugnisse im fortgeschrittenen 18. Jahrhundert 46
- Zu den verwendeten Materialien 48
- Zur Oberflächenveredelung und Restaurierung 51
- Exkurs : Technische Innovationen als Grundlage der Entwicklung neuer Gestaltungsformen 55
- II. Gestaltungsfragen, Stilformen und Ornamente 58
- III. Die Entwicklung des Kirchenmobiliars 81
- IV. Sakristeien 101
- Ihre Lage innerhalb des Raumgefüges 101
- Der Klosterplan von St. Gallen und frühe Sakristeimöbel 102
- Zur Funktion von Sakristeien, barocke Sakristeieinrichtungen und die Schriften von Carlo Borromeo und Jacob Müller 104
- Altäre und Scheinaltäre 104
- Lavabos 106
- Sakristeischränke und Ankleidekredenzen 107
- Zur Entwicklungsgeschichte der Sakristeischränke 110
- Ankleidetische und Tischkästen 111
- Truhen und Truhenbänke 113
- Beichtstühle 115
- Betpulte, Kniebänke und Bankpulte 116
- V. Mobiliar in Nebenräumen von Kirchen und Klöstern 118
- VI.Zur Hierarchie von Räumen und Möbeln 127
- I. Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und Tischlerarbeiten 31
- Teil 3 Katalog – Beiträge zu den Sakralanlagen – Tafeln
- Hinweise 133
- Hinweise zu Provenienzen, Datierungen und Materialien 133
- Hinweise zu den angegebenen Maßen 133
- Hinweise zu den zitierten Schriftquellen 134
- I. Sakralbauten in Wien 135
- II. Sakralbauten in Niederösterreich 247
- Altenburg, Benediktinerstift 247
- Ardagger, Pfarrkirche hl. Margarete 260
- Dürnstein, Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt 264
- Geras, Prämonstratenser-Chorherrenstift 283
- Göttweig, Benediktinerstift 294
- Heiligenkreuz, Zisterzienserstift 315
- Herzogenburg, Augustiner-Chorherrenstift 335
- Horn, Piaristenkirche 347
- Klosterneuburg, Augustiner-Chorherrenstift 352
- Krems, Piaristenkirche 367
- Krems, Pfarrkirche St. Veit 380
- Lilienfeld, Zisterzienserstift 386
- Melk, Benediktinerstift 408
- St. Marein, Pfarrkirche hl. Maria 434
- St. Pölten, Dom- und Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 436
- Seitenstetten, Benediktinerstift 452
- Wiener Neustadt, Zisterzienserstift Neukloster 466
- Zwettl, Zisterzienserstift 477
- III. Sakralbauten in Oberösterreich 500
- Baumgartenberg, Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 500
- Kremsmünster, Benediktinerstift 512
- Lambach, Benediktinerstift 534
- Linz, Jesuitenkirche (Alter Dom) 551
- Linz, Karmelitenkloster 566
- Linz, Seminarkirche Hl. Kreuz 572
- St. Florian, Augustiner-Chorherrenstift 580
- Schlägl, Prämonstratenser-Chorherrenstift 607
- Schlierbach, Zisterzienserstift 621
- Waldhausen, Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 631
- Wilhering, Zisterzienserstift 638
- Teil 4 Zusammenfassung und Ausblick – Glossar – Verzeichnisse –
- Literatur
- Zusammenfassung und Ausblick 659
- Zum Aufbau des Buchs 659
- Historischer Abriss 660
- Entwicklungsgeschichte der Kirchenmöbel 661
- Zur Einrichtung verschiedener Räume in Kirchen und Klöstern 662
- Zur Hierarchie sakraler Einrichtungen 663
- Die Auftraggeber und ihr Einfluss auf die Kunstentwicklung 663
- Zum Verhältnis zwischen Auftraggebern, Architekten und Handwerkern 665
- Zu den Tischlern 665
- Stilistische Entwicklung der Möbel 666
- Regionale Besonderheiten 667
- Fazit und Ausblick 668
- Glossar 670
- Ortsindex 678
- Künstlerverzeichnis 682
- Abkürzungsverzeichnis 688
- Abbildungsnachweis 692
- Literaturverzeichnis 693