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schließlich noch seine Werke der letzten 15 Jahre auf, um wieder mit einem abrun-
denden Schlusssatz zu enden – der diesmal sehr kurz und eher als Abschiedsgruß
ausfällt: „Ich schließe mit einem Lebewohl an die Freunde meiner Kunst.“71
Kapitel VII, das Schlusskapitel (1952)
Der Abschied war noch nicht endgültig: Die Autobiographie „Aus meinem Le-
ben“ wurde 1952 noch um ein siebentes Kapitel ergänzt, das offenbar anlässlich des
75. Geburtstags entstand.72 Sehr abgeklärt wirkt dieser letzte Abschnitt, wenn es da
heißt:
„Ich weiß nicht mehr, wie lange es her ist, daß diese autobiographische Studie rastet. Unter
wesentlich veränderter Perspektive bekommt sie jetzt den Schluß. Durchaus nicht über-
raschend, sondern spürbar seit jahrelangem Vorgefühl, welches ich zunächst verdrängte,
dann still gewähren ließ, muß ich mir gestehen: Das Alter ist da! Was braucht es da noch
viel Namen oder Ereignisse aufzählen? Das überlasse ich lieber einer Zukunft, für den Fall
sich gar ein Kopf fände, in derartigen Abfolgen noch einen Sinn hineinzulegen, um ihn
alsdann wieder herauslesen zu können.“73
Das einzige Ereignis, das er in diesem knappen letzten Kapitel doch anführte, war
der Tod seiner Frau Hedwig, die nach 45 gemeinsam gelebten Jahren 1949 verstor-
ben war. Räsonierend über das Alter, das „abkürzende Lebenspraxis wie Erkenntnis
des Minderwichtigen gleichsam erlösend mit sich“ bringe, schloss er – nun wirklich
– mit folgenden Zeilen: „Im Alter bleibe man freundlich oder schweigsam.“74
71 Kubin, Aus meinem Leben, 82.
72 Im Unterschied zu den vorangegangenen Kapiteln entstand dieses nicht aus Anlass einer Publika-
tion, es scheint nicht im Werkverzeichnis von 1952 auf. Riemerschmidt gab als Quelle die 1952 er-
schienene Publikation „Abendrot“ an, dort befindet sich allerdings ein anderer autobiographischer
Text, der nicht mit dem Kapitel VII übereinstimmt.
73 Kubin, Aus meinem Leben, 82.
74 Kubin, Aus meinem Leben, 84.
Open-Access-Publikation im Sinne der Lizenz CC BY 4.0
Zeitwesen
Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
- Title
- Zeitwesen
- Subtitle
- Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
- Author
- Birgit Kirchmayr
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23310-7
- Size
- 17.3 x 24.5 cm
- Pages
- 468
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Einleitung 11
- Fragestellung und Ausgangsthesen 11
- Theoretische Bezugsrahmen 14
- Quellen 17
- „Zeitwesen“ oder: die ProtagonistInnen 20
- 1 Auto/Biographieforschung – KünstlerInnenforschung 33
- 2 KünstlerInnen über sich 79
- 2.1 Alfred Kubin – ein autobiographical life 80
- 2.2 Oskar Kokoschka – der biographische „Jongleur“ 105
- 2.3 Aloys Wach – Selbstbespiegelungen eines Suchenden 136
- 2.4 Erika Giovanna Klien – Autobiographische Fragmente 150
- 2.5 Margret Bilger – Autobiographisches wider Willen 164
- 2.6 Erstes Resümee oder: Wie KünstlerInnen über sich schreiben und dabei „biographische Formeln“ verwenden 175
- 3 KünstlerInnen und gesellschaftliche Diskurse 179
- 3.1 Der Geschlechterdiskurs des frühen 20. Jahrhunderts 180
- 3.1.1 Alfred Kubin und die Misogynie der Moderne 185
- 3.1.2 „Mörder, Hoffnung der Frauen“: Oskar Kokoschka und die (modernen) Amazonen 206
- 3.1.3 Erika Giovanna Klien – schwierige Emanzipationswege einer „neuen“ Frau 214
- 3.1.4 Zerrissenheit und Identitätssuche – Geschlechterbilder bei Margret Bilger 220
- 3.2 Geschwindigkeit – Fortschrittseuphorie versus Kulturpessimismus 232
- 3.2.1 Alfred Kubins Traumstadt „Perle“ als Versuchsstation der Fortschrittsverweigerung 236
- 3.2.2 „Im Riesengefängnis New York“: Erika Giovanna Klien und ihr Verhältnis zu Stadt, Geschwindigkeit und Technik 245
- 3.2.3 Der Rückzug aufs Land: Alfred Kubin und Margret Bilger 256
- 3.2.4 „Haste nicht und raste nie. Sonst hastet die Neurasthenie“: ein Exkurs zum Nervendiskurs 264
- 3.3 Esoterik – Spirituelle Sinnsuche im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert 271
- 3.4. Zweites Resümee oder: Welche Diskurse der Moderne die KünstlerInnen bewegten 308
- 3.1 Der Geschlechterdiskurs des frühen 20. Jahrhunderts 180
- 4 KünstlerInnen und Politik – Von der Monarchie bis zum Nationalsozialismus 313
- 4.1 Die Legende vom unpolitischen Künstler – Zum Verständnis von Kunst und Politik bis 1945 315
- 4.2 Erster Weltkrieg und das Ende der k. u. k. Monarchie 319
- 4.3 Zwischen den Kriegen: Revolution(en), Republik(en), „Ständestaat“ 349
- 4.3.1 Der „Kunstlump“ – Oskar Kokoschka und die (deutsche) Revolution 353
- 4.3.2 Aloys Wach und die Münchner Räterepublik 360
- 4.3.3 Aus der Distanz: Erika Giovanna Klien und die österreichische Zwischenkriegszeit 368
- 4.3.4 „Weil ich nicht in der Vaterlandspartei bin“: Positionen zum „Ständestaat“ bei Oskar Kokoschka und Alfred Kubin 373
- 4.4 Nationalsozialismus 382
- 4.4.1 „… diese stummen Geister der Auflehnung“: Alfred Kubin und der Nationalsozialismus 385
- 4.4.2 Oskar Kokoschka: Selbstbildnis eines „entarteten“ Künstlers 397
- 4.4.3 „22° Waage“: Aloys Wach und der Nationalsozialismus 404
- 4.4.4 „… hätte ich aber die conträren Gesinnungen“: Margret Bilger und der Nationalsozialismus 409
- 4.5 Drittes Resümee oder: Wie politisch waren die „unpolitischen“ KünstlerInnen? 422
- Dank 426
- Abkürzungsverzeichnis 428
- Tabellen- und Abbildungsverzeichnis 429
- Quellen- und Literaturverzeichnis 431
- Archive und Sammlungen 431
- Zeitungen/Zeitschriften/Jahrbücher 432
- Literatur und gedruckte Quellen 432
- Personenregister 463