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Zeitwesen - Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
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| 4 KünstlerInnen und Politik – Von der Monarchie bis zum Nationalsozialismus340 Neben der körperlichen Regeneration versuchte Kokoschka in jenen Monaten die Zukunft zu planen, d.h. einen weiteren Fronteinsatz nach Möglichkeit zu verhindern und eine weitgehend selbstbestimmte Position zu finden, die es ihm auch erlaubte, wieder künstlerisch zu arbeiten und Geld zu verdienen. „Ich brauch dringend Geld und Ruhe, bitte mit dem Weltkrieg aufzuhören, ich möchte arbeiten“ – so in einem Brief an Albert Ehrenstein von Ende Dezember 1915.96 Im Mai 1916 war in sei- nen Briefen erstmals von einer Abkommandierung ins Kriegspressequartier (KPQ) die Rede. Seit Beginn des Ersten Weltkriegs bestand das KPQ als Untergruppe des Armeeoberkommandos (AOK). Zuständig für die gesamte Pressearbeit des Mili- tärs nahm das KPQ eine zentrale Rolle in der Kriegspropaganda ein und wuchs im Verlauf des Kriegs zu einem immer größeren Apparat an. Ein Teil des KPQ war die so genannte Kunstgruppe, in der Künstler beschäftigt waren, um das Geschehen in den Frontgebieten künstlerisch zu dokumentieren. An sich sollten nur Künstler, die nicht wehrpflichtig oder nicht tauglich waren, aufgenommen werden, es wurden aber auch aktive Frontsoldaten der Kunstgruppe vom AOK zugewiesen. Zweifellos versuchten viele, zur Kunstgruppe zu gelangen, da sie als weniger gefährlich als der unmittelbare Fronteinsatz galt.97 Auch Kokoschka beantragte – Ende März 1916 und damit kurz vor Ende sei- nes Krankenurlaubs – die Aufnahme in die Kunstgruppe des AOK beziehungsweise die „Übersetzung zum Kriegsmaler“.98 Im betreffenden Schreiben stellte er sich zu- nächst „wie ich wohl sagen darf, als der bekannteste Vertreter der modernen Rich- tung der österreichischen Malerei“ vor. Er verwies auf seinen bisherigen Einsatz als Soldat und seine Verwundung und darauf, dass er gemäß eines Gutachtens von Oberstabsarzt Heinrich Neumann als „dauernd felddienstuntauglich“ bezeichnet wurde. Das Schreiben schloss er mit „Derzeit beurlaubt möchte ich gerne meine Kräfte der Kriegsmalerei widmen, um auf diese Art dem Vaterlande zu nützen.“99 Aus der Korrespondenz jener Zeit geht klar hervor, dass sich Kokoschka auf die Un- tauglichkeitsbescheinigung nicht verließ und auch nicht verlassen konnte, das heißt, dass er konkret eine Wiedereinberufung an die Front fürchtete. Eine Aufnahme in die Kunstgruppe im Kriegspressequartier war somit eine Möglichkeit, dem zuvor- zukommen. Wieder – ähnlich wie im Falle der Meldung als „Einjährig-Freiwilli- 96 OK an Albert Ehrenstein, [Wien], 27.12.15, zit. nach Kokoschka, Briefe I, 232. 97 Zur Kunstgruppe des KPQ vgl. Veronika Trubel, Die Künstler und der Krieg: Der Erste Weltkrieg und die Maler der Kunstgruppe des k.  u.  k. Kriegspressequartiers, Diplomarbeit Wien 1996. 98 ÖStA, KA, KPQ, Karton 34, Fasz. Oskar Kokoschka, OK an das k.  u.  k. Kommando des Kriegs- pressequartiers, 29.3.1916. 99 ÖStA, KA, KPQ, Karton 34, Fasz. Oskar Kokoschka, OK an das k.  u.  k. Kommando des Kriegs- pressequartiers, 29.3.1916. Open-Access-Publikation im Sinne der Lizenz CC BY 4.0
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Zeitwesen Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
Title
Zeitwesen
Subtitle
Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
Author
Birgit Kirchmayr
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2020
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-23310-7
Size
17.3 x 24.5 cm
Pages
468
Category
Kunst und Kultur

Table of contents

  1. Einleitung 11
  2. Fragestellung und Ausgangsthesen 11
  3. Theoretische Bezugsrahmen 14
  4. Quellen 17
  5. „Zeitwesen“ oder: die ProtagonistInnen 20
  6. 1 Auto/Biographieforschung – KünstlerInnenforschung 33
    1. 1.1 Auto/Biographieforschung 33
      1. 1.1.1 Lebenslauf, Biographie, Autobiographie oder Auto/Biographie? 34
      2. 1.1.2 Auto/Biographie und Geschichtswissenschaft 39
      3. 1.1.3 Auto/Biographie und Geschlecht 47
    2. 1.2 Künstlerauto/biographie 51
      1. 1.2.1 Von Vasaris Viten bis „Inventing Leonardo“: Zur Geschichte der Künstlerbiographik 51
      2. 1.2.2 „Biographische Formeln“: Die „Legende vom Künstler“ 54
      3. 1.2.3 Geniekonzept und Autobiographical Life 59
    3. 1.3 Auto/Biographische Quellen 63
      1. 1.3.1 Autobiographie 65
      2. 1.3.2 Brief 66
      3. 1.3.3 Tagebuch 72
  7. 2 KünstlerInnen über sich 79
    1. 2.1 Alfred Kubin – ein autobiographical life 80
      1. 2.1.1 Der Künstler, sein Archivar und sein Nachlass 80
      2. 2.1.2 Die Autobiographie „Aus meinem Leben“ (1911–1952) 83
    2. 2.2 Oskar Kokoschka – der biographische „Jongleur“ 105
      1. 2.2.1 Der Künstler als Erzähler 105
      2. 2.2.2 Die Autobiographie „Mein Leben“ (1971) 109
    3. 2.3 Aloys Wach – Selbstbespiegelungen eines Suchenden 136
      1. 2.3.1 Autobiographisches in Tagebüchern und Briefen 136
      2. 2.3.2 „Biographische Notizen“ (1929) 138
    4. 2.4 Erika Giovanna Klien – Autobiographische Fragmente 150
      1. 2.4.1 Erklärungen zu einem Negativbefund 150
      2. 2.4.2 Die „Klessheimer Sendboten“ (1927) 154
    5. 2.5 Margret Bilger – Autobiographisches wider Willen 164
      1. 2.5.1 Versuch einer Verweigerung 164
      2. 2.5.2 Der „Lebensbericht“ (1968) 166
    6. 2.6 Erstes Resümee oder: Wie KünstlerInnen über sich schreiben und dabei „biographische Formeln“ verwenden 175
  8. 3 KünstlerInnen und gesellschaftliche Diskurse 179
    1. 3.1 Der Geschlechterdiskurs des frühen 20. Jahrhunderts 180
      1. 3.1.1 Alfred Kubin und die Misogynie der Moderne 185
      2. 3.1.2 „Mörder, Hoffnung der Frauen“: Oskar Kokoschka und die (modernen) Amazonen 206
      3. 3.1.3 Erika Giovanna Klien – schwierige Emanzipationswege einer „neuen“ Frau 214
      4. 3.1.4 Zerrissenheit und Identitätssuche – Geschlechterbilder bei Margret Bilger 220
    2. 3.2 Geschwindigkeit – Fortschrittseuphorie versus Kulturpessimismus 232
      1. 3.2.1 Alfred Kubins Traumstadt „Perle“ als Versuchsstation der Fortschrittsverweigerung 236
      2. 3.2.2 „Im Riesengefängnis New York“: Erika Giovanna Klien und ihr Verhältnis zu Stadt, Geschwindigkeit und Technik 245
      3. 3.2.3 Der Rückzug aufs Land: Alfred Kubin und Margret Bilger 256
      4. 3.2.4 „Haste nicht und raste nie. Sonst hastet die Neurasthenie“: ein Exkurs zum Nervendiskurs 264
    3. 3.3 Esoterik – Spirituelle Sinnsuche im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert 271
      1. 3.3.1 Alfred Kubin: Von der Ariosophie zum Buddhismus 277
      2. 3.3.2 Aloys Wach, die Kabbala und Jesus Christus als „Okkultist“ . . . . . . . 284 Exkurs: Die „Affäre Schappeller“ 291
    4. 3.4. Zweites Resümee oder: Welche Diskurse der Moderne die KünstlerInnen bewegten 308
  9. 4 KünstlerInnen und Politik – Von der Monarchie bis zum Nationalsozialismus 313
    1. 4.1 Die Legende vom unpolitischen Künstler – Zum Verständnis von Kunst und Politik bis 1945 315
    2. 4.2 Erster Weltkrieg und das Ende der k. u. k. Monarchie 319
      1. 4.2.1 Kubin, der Krieg und das Ende der „alten Ruhe“ 321
      2. 4.2.2 „Ich bin so froh, dass ich noch lebe“: Oskar Kokoschka und der Erste Weltkrieg 328
    3. 4.3 Zwischen den Kriegen: Revolution(en), Republik(en), „Ständestaat“ 349
      1. 4.3.1 Der „Kunstlump“ – Oskar Kokoschka und die (deutsche) Revolution 353
      2. 4.3.2 Aloys Wach und die Münchner Räterepublik 360
      3. 4.3.3 Aus der Distanz: Erika Giovanna Klien und die österreichische Zwischenkriegszeit 368
      4. 4.3.4 „Weil ich nicht in der Vaterlandspartei bin“: Positionen zum „Ständestaat“ bei Oskar Kokoschka und Alfred Kubin 373
    4. 4.4 Nationalsozialismus 382
      1. 4.4.1 „… diese stummen Geister der Auflehnung“: Alfred Kubin und der Nationalsozialismus 385
      2. 4.4.2 Oskar Kokoschka: Selbstbildnis eines „entarteten“ Künstlers 397
      3. 4.4.3 „22° Waage“: Aloys Wach und der Nationalsozialismus 404
      4. 4.4.4 „… hätte ich aber die conträren Gesinnungen“: Margret Bilger und der Nationalsozialismus 409
    5. 4.5 Drittes Resümee oder: Wie politisch waren die „unpolitischen“ KünstlerInnen? 422
  10. Dank 426
  11. Abkürzungsverzeichnis 428
  12. Tabellen- und Abbildungsverzeichnis 429
  13. Quellen- und Literaturverzeichnis 431
  14. Archive und Sammlungen 431
  15. Zeitungen/Zeitschriften/Jahrbücher 432
  16. Literatur und gedruckte Quellen 432
  17. Personenregister 463
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