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Zeitwesen - Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
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4.2 Erster Weltkrieg und das Ende der k.  u.  k. Monarchie | 347 red Adler eingeholt hatte, dem Datum zufolge schon bevor Kokoschka zu Teuscher nach Dresden gekommen war.122 Adler ließ Teuscher eine etwa einseitige „Diag- nose“ zukommen, wobei unklar erscheint, worauf diese im Konkreten fußt, d.h. ob Kokoschka überhaupt jemals Patient bei Adler war oder dieser nur aus einer allge- meinen Kenntnis des Künstlers seine Schlüsse zog. Adler schrieb an seinen Kollegen: „Auf Anfrage entsprechend teile ich Ihnen mit, daß ich Herrn Kokoschka nur aus den früheren Jahren her kenne. Ich baue auf Ihre vollste Diskretion und stelle mir vor, daß Sie in Berlin vielleicht Gelegenheit hatten, meine Bekanntschaft zu erneuern. Ich kenne kaum einen zweiten Menschen der wie K. die Züge des allgemeinen Genies deutlich trägt. Unstet, impulsiv und doch im nächsten Moment voll Zaghaftigkeit und Zweifel. Mißtrauisch gegen jedermann sieht er in allen Personen, die nicht sofort an seine ‚hohe Sendung‘ glauben, Verräter und Feinde und Intriganten, und er liebt es auch, weit aufgesponnene Pläne seiner Gegner in jedem mangelnden Erfolg zu erblicken. Höchst charakteristisch ist ja auch seine Beziehung zur Frau. So hat er z.B. jahrelang um eine Dame aus der besten Gesellschaft geworben, hat aber in ihr stets seinen ‚Dämon‘ zu erblicken gemeint. Und als sie zusagte, die Seine zu werden, hat er unter den nichtigsten Vorwänden in auffälliger Weise mit ihr gebrochen. Es beherrscht ihn eine kindliche Sucht, die Leute gegen sich aufzubringen. Ich hatte im- mer den Eindruck, daß er dadurch den Vorwand gewinnen wollte, seine etwaigen Mißer- folge auf seine große Gegnerschaft zu beziehen, die ihn persönlich anfeindete. Des öfteren plante er zu mir in die Kur zu kommen, hat aber auch in diesem Fall den Entschluß nicht folgen lassen. Während des Krieges habe ich ihn ganz aus den Augen verloren. Ich kann mir aber nicht denken, daß er sich geändert haben sollte, oder höchstens zum Schlechteren. Mit einem Wort: sich selbst überlassen wird K. immer in rätselhafte Schwierigkeiten ge- raten, weil seine tief wurzelnde Neurose jede Einfügung in den Alltag unmöglich macht. Ich würde mich freuen, von Ihnen zu hören, daß sich meine unerschütterliche Überzeu- gung von der Lebensunfähigkeit dieses genialen Menschen als falsch herausstellte. Ihr ergebener Dr.  Adler“123 Im März 1917 wurde Kokoschka – noch in Dresden – „mit Rücksicht auf seinen lei- denden Zustand“ aus der Kunstgruppe des KPQ entlassen und formal in den Stand 122 ZBZ Zürich, NL Olda Kokoschka E 2004, Karton 05/11/IV/4, Mappe Ärzte 1915–16, Alfred Adler an Heinrich Teuscher, Wien 29.9.2016. 123 ZBZ Zürich, NL Olda Kokoschka E 2004, Karton 05/11/IV/4, Mappe Ärzte 1915–16, Alfred Adler an Heinrich Teuscher, Wien 29.9.2016. Open-Access-Publikation im Sinne der Lizenz CC BY 4.0
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Zeitwesen Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
Title
Zeitwesen
Subtitle
Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
Author
Birgit Kirchmayr
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2020
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-23310-7
Size
17.3 x 24.5 cm
Pages
468
Category
Kunst und Kultur

Table of contents

  1. Einleitung 11
  2. Fragestellung und Ausgangsthesen 11
  3. Theoretische Bezugsrahmen 14
  4. Quellen 17
  5. „Zeitwesen“ oder: die ProtagonistInnen 20
  6. 1 Auto/Biographieforschung – KünstlerInnenforschung 33
    1. 1.1 Auto/Biographieforschung 33
      1. 1.1.1 Lebenslauf, Biographie, Autobiographie oder Auto/Biographie? 34
      2. 1.1.2 Auto/Biographie und Geschichtswissenschaft 39
      3. 1.1.3 Auto/Biographie und Geschlecht 47
    2. 1.2 Künstlerauto/biographie 51
      1. 1.2.1 Von Vasaris Viten bis „Inventing Leonardo“: Zur Geschichte der Künstlerbiographik 51
      2. 1.2.2 „Biographische Formeln“: Die „Legende vom Künstler“ 54
      3. 1.2.3 Geniekonzept und Autobiographical Life 59
    3. 1.3 Auto/Biographische Quellen 63
      1. 1.3.1 Autobiographie 65
      2. 1.3.2 Brief 66
      3. 1.3.3 Tagebuch 72
  7. 2 KünstlerInnen über sich 79
    1. 2.1 Alfred Kubin – ein autobiographical life 80
      1. 2.1.1 Der Künstler, sein Archivar und sein Nachlass 80
      2. 2.1.2 Die Autobiographie „Aus meinem Leben“ (1911–1952) 83
    2. 2.2 Oskar Kokoschka – der biographische „Jongleur“ 105
      1. 2.2.1 Der Künstler als Erzähler 105
      2. 2.2.2 Die Autobiographie „Mein Leben“ (1971) 109
    3. 2.3 Aloys Wach – Selbstbespiegelungen eines Suchenden 136
      1. 2.3.1 Autobiographisches in Tagebüchern und Briefen 136
      2. 2.3.2 „Biographische Notizen“ (1929) 138
    4. 2.4 Erika Giovanna Klien – Autobiographische Fragmente 150
      1. 2.4.1 Erklärungen zu einem Negativbefund 150
      2. 2.4.2 Die „Klessheimer Sendboten“ (1927) 154
    5. 2.5 Margret Bilger – Autobiographisches wider Willen 164
      1. 2.5.1 Versuch einer Verweigerung 164
      2. 2.5.2 Der „Lebensbericht“ (1968) 166
    6. 2.6 Erstes Resümee oder: Wie KünstlerInnen über sich schreiben und dabei „biographische Formeln“ verwenden 175
  8. 3 KünstlerInnen und gesellschaftliche Diskurse 179
    1. 3.1 Der Geschlechterdiskurs des frühen 20. Jahrhunderts 180
      1. 3.1.1 Alfred Kubin und die Misogynie der Moderne 185
      2. 3.1.2 „Mörder, Hoffnung der Frauen“: Oskar Kokoschka und die (modernen) Amazonen 206
      3. 3.1.3 Erika Giovanna Klien – schwierige Emanzipationswege einer „neuen“ Frau 214
      4. 3.1.4 Zerrissenheit und Identitätssuche – Geschlechterbilder bei Margret Bilger 220
    2. 3.2 Geschwindigkeit – Fortschrittseuphorie versus Kulturpessimismus 232
      1. 3.2.1 Alfred Kubins Traumstadt „Perle“ als Versuchsstation der Fortschrittsverweigerung 236
      2. 3.2.2 „Im Riesengefängnis New York“: Erika Giovanna Klien und ihr Verhältnis zu Stadt, Geschwindigkeit und Technik 245
      3. 3.2.3 Der Rückzug aufs Land: Alfred Kubin und Margret Bilger 256
      4. 3.2.4 „Haste nicht und raste nie. Sonst hastet die Neurasthenie“: ein Exkurs zum Nervendiskurs 264
    3. 3.3 Esoterik – Spirituelle Sinnsuche im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert 271
      1. 3.3.1 Alfred Kubin: Von der Ariosophie zum Buddhismus 277
      2. 3.3.2 Aloys Wach, die Kabbala und Jesus Christus als „Okkultist“ . . . . . . . 284 Exkurs: Die „Affäre Schappeller“ 291
    4. 3.4. Zweites Resümee oder: Welche Diskurse der Moderne die KünstlerInnen bewegten 308
  9. 4 KünstlerInnen und Politik – Von der Monarchie bis zum Nationalsozialismus 313
    1. 4.1 Die Legende vom unpolitischen Künstler – Zum Verständnis von Kunst und Politik bis 1945 315
    2. 4.2 Erster Weltkrieg und das Ende der k. u. k. Monarchie 319
      1. 4.2.1 Kubin, der Krieg und das Ende der „alten Ruhe“ 321
      2. 4.2.2 „Ich bin so froh, dass ich noch lebe“: Oskar Kokoschka und der Erste Weltkrieg 328
    3. 4.3 Zwischen den Kriegen: Revolution(en), Republik(en), „Ständestaat“ 349
      1. 4.3.1 Der „Kunstlump“ – Oskar Kokoschka und die (deutsche) Revolution 353
      2. 4.3.2 Aloys Wach und die Münchner Räterepublik 360
      3. 4.3.3 Aus der Distanz: Erika Giovanna Klien und die österreichische Zwischenkriegszeit 368
      4. 4.3.4 „Weil ich nicht in der Vaterlandspartei bin“: Positionen zum „Ständestaat“ bei Oskar Kokoschka und Alfred Kubin 373
    4. 4.4 Nationalsozialismus 382
      1. 4.4.1 „… diese stummen Geister der Auflehnung“: Alfred Kubin und der Nationalsozialismus 385
      2. 4.4.2 Oskar Kokoschka: Selbstbildnis eines „entarteten“ Künstlers 397
      3. 4.4.3 „22° Waage“: Aloys Wach und der Nationalsozialismus 404
      4. 4.4.4 „… hätte ich aber die conträren Gesinnungen“: Margret Bilger und der Nationalsozialismus 409
    5. 4.5 Drittes Resümee oder: Wie politisch waren die „unpolitischen“ KünstlerInnen? 422
  10. Dank 426
  11. Abkürzungsverzeichnis 428
  12. Tabellen- und Abbildungsverzeichnis 429
  13. Quellen- und Literaturverzeichnis 431
  14. Archive und Sammlungen 431
  15. Zeitungen/Zeitschriften/Jahrbücher 432
  16. Literatur und gedruckte Quellen 432
  17. Personenregister 463
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