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| 4 KünstlerInnen und Politik – Von der Monarchie bis zum
Nationalsozialismus390
gliederung aus der Reichskammer der bildenden Künste „erfolgen muss“, und zwar
unter Berufung darauf, dass in der Reichskulturkammer nur Personen eingegliedert
sein könnten, „die ihren Beruf innerhalb der Grenzen Deutschlands ausüben.“241
Es muss wohl offenbleiben, ob die Situation ohne die „nicht-arische“ Verheiratung
anders ausgesehen hätte. Der Druck, der auf KünstlerInnen mit jüdischen Ehepart-
nerInnen ausgeübt wurde, war jedenfalls gegeben, nicht selten kam es deswegen zu
Scheidungen.
So weit ging Kubin keinesfalls, Vorsicht in Bezug auf seine Karriere ließ er aller-
dings in verschiedenen Zusammenhängen immer wieder walten. Mehrmals äußerte
er sein Unverständnis gegenüber dezidiert oppositionellen Haltungen, beispiels-
weise als sein Freund Hans Carossa 1933 die Berufung in die Deutsche Akademie
der Dichtung nicht annahm:
„Carossa hat die Wahl in die Dichterakademie abgelehnt, eine heroische Haltung fast –
Wie wird sie ihm bekommen – [...] Na, ich zerbreche mir nicht den Schädel, wie das
Schicksal seine Fäden wirkt, ich glaube an eine Harmonie als Kern dieser Kämpfe und
Krämpfe – Nur keinen Krieg möchte ich mehr erleben –“242
Aus Karrieregründen distanzierte sich Kubin auch von der so genannten „Exil-
presse“. 1933 lehnte er es ab, einen von ihm illustrierten Band in einer „Emigran-
tenzeitschrift“ in Prag zu publizieren und meinte dazu gegenüber Hesse, dass man
gegenüber den Avancen von Emigranten recht vorsichtig sein müsse, „um nicht als
offizieller Schädlingsanhänger bei den Nazis verschrieen zu werden und in Mißach-
tung wie z.B. Th. Mann zu kommen.“243 Auch gegenüber seinem Verleger Reinhard
Piper äußerte er sich dazu ähnlich:
„[…] dass das III Reich mich gewähren lässt jegliche Ausstellung zu machen – doch offi-
ziell sich den Dreck schert […] entgegen den frühern Zeiten. Andrerseits muss ich wieder
vorsichtig sein bei Angeboten der sogenannten Emigrantenpresse, um nicht für das Lin-
sengericht von einigen 100 Mark dann später in Deutschland unmöglich zu sein – alles
schwierig.“244
241 Kubin-Archiv, Persönliche Dokumente-Nationalsozialismus, Präsident der Reichskammer der bil-
denden Künste an AK, Abschrift undatiert.
242 AK an Hermann Hesse, Unken b. Salzburg 23.8.1933, zit. nach Hesse/Kubin, Briefwechsel, 54.
243 AK an Hermann Hesse, Zwickledt Wernstein [6.10.1933], zit. nach Hesse/Kubin, Briefwechsel, 57.
244 AK an Reinhard Piper, Zwickledt Wernstein 22.11.1933, zit. nach Kubin/Piper, Briefwechsel, 319
f.
Open-Access-Publikation im Sinne der Lizenz CC BY 4.0
Zeitwesen
Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
- Title
- Zeitwesen
- Subtitle
- Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
- Author
- Birgit Kirchmayr
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23310-7
- Size
- 17.3 x 24.5 cm
- Pages
- 468
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Einleitung 11
- Fragestellung und Ausgangsthesen 11
- Theoretische Bezugsrahmen 14
- Quellen 17
- „Zeitwesen“ oder: die ProtagonistInnen 20
- 1 Auto/Biographieforschung – KünstlerInnenforschung 33
- 2 KünstlerInnen über sich 79
- 2.1 Alfred Kubin – ein autobiographical life 80
- 2.2 Oskar Kokoschka – der biographische „Jongleur“ 105
- 2.3 Aloys Wach – Selbstbespiegelungen eines Suchenden 136
- 2.4 Erika Giovanna Klien – Autobiographische Fragmente 150
- 2.5 Margret Bilger – Autobiographisches wider Willen 164
- 2.6 Erstes Resümee oder: Wie KünstlerInnen über sich schreiben und dabei „biographische Formeln“ verwenden 175
- 3 KünstlerInnen und gesellschaftliche Diskurse 179
- 3.1 Der Geschlechterdiskurs des frühen 20. Jahrhunderts 180
- 3.1.1 Alfred Kubin und die Misogynie der Moderne 185
- 3.1.2 „Mörder, Hoffnung der Frauen“: Oskar Kokoschka und die (modernen) Amazonen 206
- 3.1.3 Erika Giovanna Klien – schwierige Emanzipationswege einer „neuen“ Frau 214
- 3.1.4 Zerrissenheit und Identitätssuche – Geschlechterbilder bei Margret Bilger 220
- 3.2 Geschwindigkeit – Fortschrittseuphorie versus Kulturpessimismus 232
- 3.2.1 Alfred Kubins Traumstadt „Perle“ als Versuchsstation der Fortschrittsverweigerung 236
- 3.2.2 „Im Riesengefängnis New York“: Erika Giovanna Klien und ihr Verhältnis zu Stadt, Geschwindigkeit und Technik 245
- 3.2.3 Der Rückzug aufs Land: Alfred Kubin und Margret Bilger 256
- 3.2.4 „Haste nicht und raste nie. Sonst hastet die Neurasthenie“: ein Exkurs zum Nervendiskurs 264
- 3.3 Esoterik – Spirituelle Sinnsuche im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert 271
- 3.4. Zweites Resümee oder: Welche Diskurse der Moderne die KünstlerInnen bewegten 308
- 3.1 Der Geschlechterdiskurs des frühen 20. Jahrhunderts 180
- 4 KünstlerInnen und Politik – Von der Monarchie bis zum Nationalsozialismus 313
- 4.1 Die Legende vom unpolitischen Künstler – Zum Verständnis von Kunst und Politik bis 1945 315
- 4.2 Erster Weltkrieg und das Ende der k. u. k. Monarchie 319
- 4.3 Zwischen den Kriegen: Revolution(en), Republik(en), „Ständestaat“ 349
- 4.3.1 Der „Kunstlump“ – Oskar Kokoschka und die (deutsche) Revolution 353
- 4.3.2 Aloys Wach und die Münchner Räterepublik 360
- 4.3.3 Aus der Distanz: Erika Giovanna Klien und die österreichische Zwischenkriegszeit 368
- 4.3.4 „Weil ich nicht in der Vaterlandspartei bin“: Positionen zum „Ständestaat“ bei Oskar Kokoschka und Alfred Kubin 373
- 4.4 Nationalsozialismus 382
- 4.4.1 „… diese stummen Geister der Auflehnung“: Alfred Kubin und der Nationalsozialismus 385
- 4.4.2 Oskar Kokoschka: Selbstbildnis eines „entarteten“ Künstlers 397
- 4.4.3 „22° Waage“: Aloys Wach und der Nationalsozialismus 404
- 4.4.4 „… hätte ich aber die conträren Gesinnungen“: Margret Bilger und der Nationalsozialismus 409
- 4.5 Drittes Resümee oder: Wie politisch waren die „unpolitischen“ KünstlerInnen? 422
- Dank 426
- Abkürzungsverzeichnis 428
- Tabellen- und Abbildungsverzeichnis 429
- Quellen- und Literaturverzeichnis 431
- Archive und Sammlungen 431
- Zeitungen/Zeitschriften/Jahrbücher 432
- Literatur und gedruckte Quellen 432
- Personenregister 463