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Zwischen Abenteuer und Architektur 017
zu übernehmen, zumal der definitive Entschluss für eine Überstellung des Familien-
oberhaupts in eine Nervenheilanstalt nicht nur eine enorme persönliche, sondern da-
mals auch gesellschaftliche Belastung für die Familie darstellte. Rolf, den die Mutter ja
schon bei der Geburt als »den Robusten« bezeichnet hatte, stellte sich hingegen die-
ser Herausforderung und trat mit seinem Vater den schweren Weg an. In den folgen-
den Sommern besuchte er den Vater auch häufig, der bis zu seinem Tod im Jahr 1904
die Klinik nicht mehr verlassen konnte.
Da der um sechs Jahre ältere Bruder Remigius bereits sehr erfolgreich den Erwar-
tungen des Vaters bezüglich einer künstlerischen Laufbahn entsprochen hatte, stand
dem jüngeren Rolf nach Abschluss des Gymnasiums die Wahl offen, auch einen gänz-
lich anderen Beruf zu ergreifen. Rolf hatte zu dieser Zeit viele Interessen, und die Ent-
scheidung fiel ihm alles andere als leicht. Kurze Zeit trug er sich mit dem Gedanken, ein
Medizinstudium zu beginnen, verwarf jedoch diese Idee bald wieder. Denn obwohl er
als Jäger ein »blutiges Handwerk« ausübte, konnte er im Gegensatz dazu bei Menschen
den Anblick von Blut nicht ertragen. Sein Vormund Onkel Richard wiederum hätte sich
für ihn durchaus eine Karriere als Bankangestellter vorstellen können. Doch schließlich
gaben etliche Eigenschaften, die sich im Laufe von Rolfs Entwicklung und Reifeprozess
manifestiert hatten, den Ausschlag dafür, den Architektenberuf zu ergreifen. Dazu zähl-
ten seine ungebrochene Neigung zur künstlerischen Betätigung, sein fantasievoller Er-
findungsgeist, eine ausgeprägte dreidimensionale Vor-
stellungsgabe und schließlich auch seine Verve, geplante
Konzepte in die Praxis umzusetzen. (Abb. 4)
Offensichtlich konnte Rolf seine Familie von seiner
Berufswahl überzeugen, denn im Herbst des Jahres 1904
inskribierte er an der Technischen Hochschule in Wien,
wo der Altmeister des Historismus, Karl König, sowie des-
sen ehemalige Schüler Max Ferstel und Karl Mayreder zu
seinen wichtigsten Lehrern zählten.
Neben den technischen Fächern war an der Techni-
schen Hochschule auch die Unterweisung in die Baustile
der vergangenen Epochen ein wichtiger Teil der Ausbil-
dung, was für die architektonische Tätigkeit des 19. und
beginnenden 20. Jahrhunderts von großer Bedeutung
war. Eindrucksvoll ist dieser Trend in der Ringstraßen-
verbauung zu beobachten, wo eine Menge an neuen
Bauaufgaben in unterschiedlichen Stilen der Vergangen-
heit gestaltet wurde, wobei als essenzielles Kennzeichen 4 Rolf als Maturant
Rolf Geyling (1884-1952)
Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Rolf Geyling (1884-1952)
- Untertitel
- Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
- Autor
- Inge Scheidl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79585-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 292
- Schlagwörter
- Architektur, Historismus, Jugendstil, Neue Sachlichkeit, Erster Weltkrieg, Ostfront, Kriegsgefangenschaft, Sibirien, China, Tianjin
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Revolte und Reife 8
- Eine Künstlerfamilie 9
- Zwischen Abenteuer und Architektur 15
- Mädy 35
- Mobilisierung und Krieg 41
- Der Weg an die Ostfront 41
- Die Schlacht von Lemberg 48
- »Durch Landesbewohner verraten« 59
- Die Sanoffensive 62
- Schlacht bei Krakau 65
- Kriegsalltag in der k. u. k. Armee 67
- Die »Angriffshast« der Infanterie 68
- Warten auf Befehle 70
- Bewegungskrieg in Nässe und Schlamm 74
- Schlacht bei Limanowa-Lapanow 78
- Die Schlacht von Tarnow-Gorlice 81
- Kriegsgefangenschaft 91
- Berichte zwischen Verklärung und Traumabewältigung 91
- »Kriegsordnung« und Kriegsgefangenenrealität 94
- Die Jahre in Sibirien 96
- Der Transport in die Lager 96
- Dauria 115
- Architekturentwürfe in der Gefangenschaft 139
- Zwischen den Fronten der »Weißen« und »Roten« Garde 149
- Antipicha – Perwaja-Rjetschka – Wladiwostok 159
- China 173
- Ankunft 173
- Dies ist ja eine Übergangszeit 182
- Aufträge und Rückschläge 189
- Das architektonische Werk 199
- Städtebauliche Planungen 203
- Öffentliche Gebäude und Geschäftsbauten 204
- Villen 214
- Miethäuser 221
- Gesellschaftliches Leben gibt es hier genug 224
- Wir leben recht abgeschlossen für uns 230
- Sehnsucht nach Österreich 238
- Ewige Ungewissheit 247
- Lao Gai Lin 257
- Epilog 265
- Literatur 269
- Bildnachweis 272
- Farbteil 273