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Zwischen Abenteuer und Architektur 033
großen Veranda, die das markant in die
Höhe gezogene Stiegenhaus umfängt und
auf der ein Pavillon Schutz vor Sonne und
Regen bietet, unterstreicht die Wirkung des
stattlichen Gebäudes. Auch bei diesem Ent-
wurf gibt sich Rolf indessen als ehemaliger
Wagner-Schüler zu erkennen. Das Gebäude
ist zwar offenbar auf einem Hügel situiert,
aber der Blickwinkel aus der Froschpers-
pektive ist eine für die Wagner-Schule typi-
sche Darstellungsweise. (Abb. 21)
Der unausgeführte Entwurf für ein ho-
tel der Pilsner Brauerei in Pilsen, der eben-
falls in den Jahren 1911–1912 entstand, zeigt
hingegen die typische Verfahrensweise jun-
ger Künstler: Auf der Suche nach der eige-
nen Handschrift wurde gerne mit Vorbildern experimentiert, und Versatzstücke wurden
zu eigenen Kreationen verarbeitet. Rolf unterteilte die Fassade in drei Kompartimente.
Die Mitte akzentuierte er mit einer grünlichen Fliesenverkleidung und bekrönte sie mit
einem Giebel aus dem gleichen Material. Für die Seitentrakte sah er traditionelles Sicht-
ziegelmauerwerk vor, staffelte jedoch die Fläche in die Tiefe, wodurch er einige Zim-
mer mit kleinen Terrassen aufwerten konnte. Die großen Fenster hätten sicherlich helle,
freundliche Zimmer geschaffen und dem Foyer moderne Eleganz verliehen. (
Farbabb. 4
)
Die vollständige oder teilweise Verkleidung der Fassaden mit Keramikplatten als De-
korationsmitteln kannte Rolf von Arbeiten Otto Wagners und seiner Schüler, aber etwa
auch von Max Fabianis Geschäftshaus Portois & Fix in der Ungargasse 59–61, Wien 3, das
1899 bis 1900 errichtet worden war. Am bekanntesten ist das 1898 erbaute sogenannte
Majolikahaus von Otto Wagner in Wien 6, Linke Wienzeile 40, bei dem glasierte Platten
aus Majolika, die die gesamte Fassade überziehen, mit leuchtend frohen und ästhetisch
leichten Blumenmotiven bemalt sind.
Doch lassen sich noch weitere Parallelen zu den damaligen Ikonen des Wiener
Kunstschaffens herstellen. Das Gebäude der Pilsner Brauerei ist von zwei Pfeilern in
Sichtziegelausführung begrenzt. Als Abschluss erhielten sie zwei große Frauenplasti-
ken, die mit Blütengirlanden umschlungen sind. Diese Art der Darstellung weist einer-
seits direkt auf Michael Powolny ( 1871–1954 ) hin, der als Keramiker Mitglied der Wiener
Werkstätte war und der diese Art von Blütengirlanden bei Keramikfiguren aller Größen
in einer stupenden Regelmäßigkeit wiederholte. Andererseits erinnert die Situierung
21 Landhaus, Entwurf
Rolf Geyling (1884-1952)
Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Rolf Geyling (1884-1952)
- Untertitel
- Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
- Autor
- Inge Scheidl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79585-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 292
- Schlagwörter
- Architektur, Historismus, Jugendstil, Neue Sachlichkeit, Erster Weltkrieg, Ostfront, Kriegsgefangenschaft, Sibirien, China, Tianjin
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Revolte und Reife 8
- Eine Künstlerfamilie 9
- Zwischen Abenteuer und Architektur 15
- Mädy 35
- Mobilisierung und Krieg 41
- Der Weg an die Ostfront 41
- Die Schlacht von Lemberg 48
- »Durch Landesbewohner verraten« 59
- Die Sanoffensive 62
- Schlacht bei Krakau 65
- Kriegsalltag in der k. u. k. Armee 67
- Die »Angriffshast« der Infanterie 68
- Warten auf Befehle 70
- Bewegungskrieg in Nässe und Schlamm 74
- Schlacht bei Limanowa-Lapanow 78
- Die Schlacht von Tarnow-Gorlice 81
- Kriegsgefangenschaft 91
- Berichte zwischen Verklärung und Traumabewältigung 91
- »Kriegsordnung« und Kriegsgefangenenrealität 94
- Die Jahre in Sibirien 96
- Der Transport in die Lager 96
- Dauria 115
- Architekturentwürfe in der Gefangenschaft 139
- Zwischen den Fronten der »Weißen« und »Roten« Garde 149
- Antipicha – Perwaja-Rjetschka – Wladiwostok 159
- China 173
- Ankunft 173
- Dies ist ja eine Übergangszeit 182
- Aufträge und Rückschläge 189
- Das architektonische Werk 199
- Städtebauliche Planungen 203
- Öffentliche Gebäude und Geschäftsbauten 204
- Villen 214
- Miethäuser 221
- Gesellschaftliches Leben gibt es hier genug 224
- Wir leben recht abgeschlossen für uns 230
- Sehnsucht nach Österreich 238
- Ewige Ungewissheit 247
- Lao Gai Lin 257
- Epilog 265
- Literatur 269
- Bildnachweis 272
- Farbteil 273